Uraufführung zum Jubiläum
Am Wochenende feierte der Ulmer Spatzen Chor sein 60-jähriges Bestehen. Es begeisterten 350 junge Sänger zusammen mit Gastchören aus Luzern, Köln und Dresden
Die schönsten Geburtstagsbilder gab es zum Schluss, nach dreieinhalb Stunden Konzert: Mehr als 350 junge Sänger der Ulmer Spatzen, des Philharmonischen Kinderchors Dresden, des Mädchenchors Luzern und des Mädchenchors am Kölner Dom standen dicht gedrängt auf der Bühne des CCU und sangen gemeinsam vor dem stehenden Publikum „We are the World“. Das 60-jährige Jubiläum der Ulmer Spatzen hatte für ein fast komplett voll besetztes CCU gesorgt und bot neben interessanten Einblicken in die Verschiedenartigkeit chorischen Singens eine grandiose Uraufführung von fünf Stücken eines Zyklus des Belgiers Kurt Bikkembergs zu Texten der Lyrikerin Rose Ausländer. Bikkembergs applaudierte auf der Bühne in T-Shirt und kurzer Hose den Spatzen und ihrem Chorleiter Hans de Gilde.
Die Teile des Zyklus „Preise die kühlende Liebe der Luft“sind höchst anspruchsvoll: Einsätze ohne Hinführung verlangen äußerste Konzentration von den Sängern. Eindrucksvoll bewiesen die Spatzen, weshalb sie vor Kurzem den Titel des besten Jugendchors Deutschlands errangen. Einen Teil des Zyklus, komponiert auf Rose Ausländers in den 70er-Jahren geschriebenes Gedicht „Gemeinsam“, hatten auch die Chorleiter der Gastchöre aus Dresden, Köln und der Schweiz einstudiert und führten ihn (mit vier Dirigenten) gemeinsam auf – symbolisch gerade in den Passagen, in denen es um die „zerrissene ungeteilte Erde“geht, „auf der wir gemeinsam reisen“.
In vielen Sprachen wurde gesungen – nicht nur in Deutsch und Englisch, sondern auch in Sprachen des Kongo und Südafrikas, in Norwegisch, Schwizerdütsch und in lateinischer Sprache.
Die Chöre der Spatzen selbst spiegelten vom Vorchor bis zum Jugendchor lebendig und dynamisch das extrem hohe Niveau, das von den Sängern, von den Stimmbildnern und von Chorleiter Hans de Gilde geleistet wird. Einen sympathischen Auftritt zeigte der Philharmonische Kinderchor Dresden, der im vergangenen Jahr seinen 50. Geburtstag gefeiert hatte. Die Dresdener ließen unter Leitung von Gunter Berger Sakralmusik vom Beginn des 17. Jahrhunderts bis in die Gegenwart erklingen. Das herausragende Werk, das der Mädchenchor am Kölner Dom unter seinem Leiter Oliver Sperling interpretierte, war Arvo Pärts „Peace upon you Yerusalem“.
Der Mädchenchor Luzern, geleitet von Eberhard Rex, setzte in seinem gegenüber den anderen Chören etwas zu lang geratenen Programm auf Komponisten und Werke aus der Zentralschweiz, die sonst in Deutschland kaum zu erleben sind, und auf Schweizer Seele: Sakrales aus dem kompositorischen Werk des 1992 in Luzern verstorbenen Komponisten Albert Jenny erklangen ebenso wie geistliche Gebrauchsmusik des Engelberger Paters und Kapellmeisters Johannes Chrysostomos Dahinden. Das „Bruder-Klaus-Lied“, vielen Schweizern so wichtig wie ihre Nationalhymne, wurde durch eine herausragende Solistin, die auch das Jodeln beherrscht, zum besonderen Hörgenuss, und Volkslieder in Schwizerdütsch bekommt man im CCU auch eher selten zu hören.
Ein besonderer Moment ließ die lange Geschichte der Spatzen hörbar werden: Am Nachmittag vor dem Konzert hatten sich viele ehemalige Sänger aus sechs Jahrzehnten Chorgeschichte im CCU getroffen. Sie, zwischen etwa 20 und 70 Jahren alt, erhoben sich als Programmpunkt aus dem Publikum heraus und sangen verteilt im Saal das irische „Möge die Straße uns zusammenführen“. Verlernt hatten sie alles von ihrem Können nicht.