Der koreanische Bruce Willis ist ein Ulmer
Wie Andreas Fronk in der Heimat des heutigen DFB-Gegners zufällig zum Film- und Werbestar wurde
Seoul Tower statt Münster: So lange Andreas Fronk denken kann, sieht er wenn er aus dem Fenster schaut einen hohen Turm. Seit über zehn Jahren ist es der berühmte Fernsehturm in der südkoreanischen Hauptstadt. Mit 236,7 Metern über 70 Meter höher als der höchste Kirchtrum der Welt in Ulm, jener Stadt in der der 43-Jährige aufwuchs und an der FriedrichList-Schule sein Abi machte.
Fast 20 Jahre nach in Ulm abgelegter Hochschulreife ist Fronk eines der bekanntesten westlichen Gesichter in Südkorea: Er wirbt für Fernsehgeräte, Modelabels und taucht in den vergangenen Jahren immer häufiger in koreanischen Action-Filmen auf. Wie kommt das? „Es gibt halt nicht viele Westerners, die in Korea leben und wie Bruce Willis aussehen“, sagt Fronk und lacht. Wer seine Werke anschaut, sieht in der Tat enorme Ähnlichkeiten mit dem Stirb-Langsam-Star. Auch er hat kurz geschorene Haare bei hohem Ansatz, Dreitagebart, ein kantiges Gesicht, viele Muskeln und kann ziemlich finster dreinblicken.
Schauspiel-Ambitionen des gebürtigen Laupheimers sind der Grund warum er das WM-Fußballspiel seiner Wahlheimat gegen sein Geburtsland verpasst. Anpfiff ist nach „Korea Standard Time“um 23 Uhr. „Das ist mir zu spät. Ich muss früh raus.“Denn derzeit besucht Fronk die renommierteste StuntSchule in Südkorea an der Grenze zu Nordkorea, um weiter an seinem Profil als Action-Held zu feilen.
Den Grundstein für seine außergewöhnliche Korea-Karriere legte Fronk in Ulm: Schon als Neunjähriger besuchte der frühere Blondschopf in der „Sportschule Michael“einen Ninjutsu-Kurs. „Ein bisschen Ninja spielen“, sagt Fronk, war sein erster Antrieb. Taekwondo und Muay Thai folgten und zogen eine Begeisterung für alles Ostasiatische nach sich. Manga-Comics inklusive. Was folgte, war ein Job bei einer koreanischen Firma und die (inzwischen erkaltete) Liebe zu einer koreanischen Frau, die ihn über Hong Kong nach Seoul führte.
Statt Toni Kroos und Co. zuzujubeln, liegt Fronk am Mittwochabend längst in den Federn im hippen Stadtteil Itaewon und tankt Kraft für filmreife Kampfszenen. „Aber ich bin natürlich für Deutschland“, sagt Fronk. Auch wenn die Fußballweltmeisterschaft „nicht das Thema“in Seoul sei. „Die Koreaner sind ja so gut wie ausgeschieden.“Von der Euphorie der Fußballweltmeisterschaft 2002, als Südkorea im eigenen Land im Halbfinale stand, sei deshalb wenig zu spüren. Zumindest hätten ihm das seine Freunde gesagt, denn 2002 studierte Fronk in Heidelberg noch Sportmanagement.
Im durch einen Pop-Song („Gangnam Style“) weltbekannt gewordenen Stadtteil Gangnam im Süden Seouls, 34 Minuten U-BahnFahrt von Fronks Wohnung, werden sich am Mittwoch allerdings wieder Tausende zum „Street Cheering Event“– so heißen hier die öffentlichen Fußballübertragungen – vor einem Einkaufszentrum treffen. Im großen Stil: Koranische PopGruppen wie Mamamoo und Vibe im Vorprogramm auf. Fronk und seine Freunde sind eher nicht dabei. Fußball in großen Gruppen gucken, war nie seine Welt.
Längst spricht der Schwabe fließend koreanisch und bezeichnet sich selbst als „voll integriert“. Spätzle mit Soß’ vermisst er nicht. Ramyun, die koreanische Nudelsuppe, landet häufig auf dem Tisch. „Und Spaghetti Bolognese.“Die habe er eh’ schon immer lieber als Spätzle gemocht.
Nach Ulm verschlägt es ihn nur noch alle zwei bis drei Jahre. Nicht zuletzt, weil auch seine beiden Geschwister auf der Welt verstreut leben. Bis auf den Geschäftspartner in seiner eigenen Marketingagentur, umgibt sich Fronk nur mit Koreanern. Früher sei das anders gewesen. Da bildeten die „Expats“seinen Freundeskreis. „Doch die kommen und gehen.“Beziehungen könnten so nicht von Dauer sein.
Nur Fronk ist gekommen, um zu bleiben. Der Ex-Ulmer will nicht mehr weg aus einem Land, das ihn an die USA der 1980er Jahre erinnert – als Amerika noch als das Land der unbegrenzten Möglichkeiten galt. „Alles geht hier unglaublich schnell.“So wie etwa seine Filmkarriere: 2015, als Fronk noch für eine koreanische Firma arbeitete, kam Fronk zufällig zu einem Model-Job. Aus einem wurden viele für große Marken wie LG, Kia, Samsung oder Beanpole.
In einem aufwendigen Werbespot für das Modelabel spielte der muskelbepackte Hüne einen Mafia-Boss derart überzeugend, dass die koreanische Filmindustrie auf ihn aufmerksam wurde. In fünf Filmen tauchte Fronk im vergangenen Jahr auf.
In „Steel Rain“etwa verkündet der Ulmer in der Rolle eines US-Militärsprechers einen Raketenangriff auf Nordkorea. Zuletzt spiele er in einer kleinen Rolle in Okja mit, eitreten nem amerikanisch-südkoreanischen Abenteuerfilm, den Netflix für 50 Millionen US-Dollar produzierte. „Mal sehen wie sich das entwickelt“, sagt Fronk. Sein Geld verdiene er noch mit den Model-Jobs, doch das könnte sich auch ändern. Im bereits abgedrehten Film „Take Point“hat er eine Sprech-Rolle an der Seite von Hollywood-Schauspieler Kevin Durand inne.
Neben der Sprache ist eine seiner wichtigsten Zugangsschlüssel in die koreanische Welt, die genaue Kenntnis kultureller Eigenarten. Die lernte er schon vor seinem Umzug nach Seoul kennen: als einziger nicht-koreanischer Mitarbeiter in einer deutschen Niederlassung einer koreanischen Firma. Der größte kulturelle Unterschied: „Der Deutsche denkt eher individuell, der Koreaner erst ans Kollektiv.“Fronk hofft, dass sich heute die DFB-Kicker im besten Sinne auch etwas koreanisch geben.
Als Kind spielte er Ninja, jetzt spielt er Bösewichte