Wie die Elite in Deutschland tickt
Der Journalist und Buchautor Georg Meck hat sich mit deutschen Führungskräften befasst. Sein Buch ist ein faszinierender Blick ins Innere der Macht
Herr Meck, Sie haben sich mit Deutschlands Elite befasst. Wie war es, für Ihr Buch die oberen Zehntausend zu treffen, zum Beispiel InternetUnternehmer Oliver Samwer von Rocket Internet? Der ist immerhin fast Milliardär.
Samwer zu treffen war mal haariger, mal entspannter. Je nachdem, wie es dem Unternehmen gerade ging. Meine Frau und CoAutorin hat Samwer häufig getroffen und journalistisch begleitet.
Wie ticken diese Leute der Elite? Sind es bessere oder klügere Menschen?
Es gibt genauso nette und freundliche Menschen, aber auch Egoisten und Unsympathen wie in der Breite der Bevölkerung auch. Tatsächlich meinen es viele Leute in der Elite ehrlich und sind verdient zu Einfluss und Vermögen gekommen. Ich finde es gut, wenn Leute wie der SAP-Gründer Dietmar Hopp mit einer tollen Idee eine Firma hochziehen, Arbeitsplätze schaffen und einer Region zu Wohlstand verhelfen. Gleiches gilt für Oliver Samwer, der zwar ein knallharter Geschäftsmann ist, in Berlin aber gleich nach der Bundesregierung die meisten Arbeitsplätze geschaffen hat… Eine andere Frage ist, ob man mit Samwer jeden Abend ein Bier trinken geht.
Waren Sie schon einmal mit Oliver Samwer Bier trinken?
Wir haben uns zu Anlässen getroffen, wo etwas getrunken wurde. Oliver Samwer ist aber sicher nicht der Typ für das Bier in der Eckkneipe.
Elite sind Leute, die Macht, Geld und Einfluss haben. So haben wir die Gruppe in unserem Buch abgegrenzt, um das Thema handhabbar zu machen. Damit ist kein moralisches Urteil verbunden. Ein Pfleger und eine Krankenschwester leisten auch Außergewöhnliches und verdienen großen Respekt.
Die Elite zeichnet aus, sich gerne an bestimmten Orten zu treffen, in Davos zum Beispiel. Wie geht es dort zu?
Davos ist ein wichtiger Treffpunkt der Elite. Nach außen geht es darum, wie man die Welt verbessern kann. Das ist nur ein Vorwand. Wichtiger ist es, sich in persönlicher Atmosphäre zu treffen. Und in Davos begegnen sich viele reiche Leute. Man sieht die Namensschilder und denkt sich: Das ist doch dieser Milliardär, dem gehört die Firma soundso. Die Dichte an Prominenz aus Politik und Wirtschaft ist nirgends höher. In Davos werden Geschäfte gemacht wie auch Karrieren. Manche Vorstandschefs haben ihren Posten in Davos klargemacht. Es ist der Treffpunkt der Elite.
Wer sind die zentralen Personen auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos?
Eine Zeit lang waren es die Investmentbanker. Die Herrlichkeit war dann mit der Finanzkrise vorbei, Champagner und Häppchen haben sich danach nicht mehr gehört. Stattdessen kamen Facebook-Chef Mark Zuckerberg und die Milliardäre aus dem Silicon Valley. Inzwischen mischen sich diese mit den reichen Familien aus Indien, Russland, China.
Fußball-Torhüter Manuel Neuer oder Philipp Lahm trifft man dagegen eher am Tegernsee …
Am Tegernsee leben viele Prominente und Bayern-Spieler. Dort ist man auch froh darüber, schließlich war das Image des Tegernsees etwas angestaubt. Jetzt ist man froh, dass Leute wie Manuel Neuer oder Philipp Lahm dort Häuser gekauft haben – und sich andere Bayern-Profis dort umgucken. Das hilft dem Image wie dem Immobilienmarkt.
Wo man wohnt, sagt also viel darüber aus, ob man zur Elite gehört?
Ja, das ist so. Das wird dann zum Problem, wenn Postleitzahlen darüber entscheiden, welche Chancen die Kinder im Leben haben. Nehmen wir das Beispiel Essen: Essen-Nord ist der arme Teil, EssenSüd der reiche. Das spätere Schicksal der Kinder ist dann relativ festgeschrieben, wenn nicht einmal mehr die Fußballvereine beider Teile gegeneinander antreten. Völlig getrennte Welten finde ich bedroh- In Starnberg, Kitzbühel, Sylt oder am Vordertaunus herrscht längst ein anderes Milieu als in Duisburg.
Hat also längst nicht mehr jeder die Chance, Teil der Elite zu werden?
Erstaunlicherweise waren die Aufstiegschancen in Deutschland gegen alle Vorstellungen bisher recht gut. Der Aufstieg konnte gelingen. Viele Topmanager kommen von ganz unten. Siemens-Chef Joe Kaeser ist der Sohn eines Fabrikarbeiters aus Niederbayern. ThyssenKrupp-Chef Heinrich Hiesinger stammt von einem kleinen Bauernhof. Wichtig ist, dass es so bleibt. Darauf muss die Gesellschaft achten. Jeder muss die Chance haben, es nach oben zu schaffen. Sonst geht etwas verloren. Das schürt dann den Hass auf die Eliten, den Populisten ausnutzen können.
Warum ist das Image der Eliten so schlecht? Liegt es am Versagen vieler Manager, zum Beispiel in der DieselAffäre oder bei der Deutschen Bank?
Es gibt ein Grundmisstrauen auf die Elite seit der Herrschaft der Nazis, die das Wort missbraucht haben. Heute trägt jeder Skandal dazu bei, dass die Elite in Verruf gerät – zum Teil zu Recht. Es gab ja die halb kriminellen Investmentbanker, die die Deutsche Bank Milliarden gekostet haben und die dabei selbst reich geworden sind. Ähnlich sieht es bei VW aus, wo die Autofahrer betrogen wurden. Das schürt die Wut auf „die da oben“.
Der frühere VW-Chef Martin Winterkorn zum Beispiel ist bisher gut davongekommen …
Ein Problem ist der Eindruck, dass viele Manager nicht für ihre Fehler haften müssen. Bei Martin Winterkorn gäbe es sogar die gesetzliche Handhabe, dass er Schadenersatz zahlen müsste. Dafür müsste aber der Aufsichtsrat aktiv werden. Gerecht wäre das. Wenn jemand 20 Millionen Euro im Jahr verdient, sollte er dafür haften, wenn in seinem Verantwortungsbereich kriminelle Sachen passieren.
Warum begehen Manager auch solche Dummheiten, wie ihren Koi-Karpfenteich auf Firmenkosten beheizen zu lassen, wie es Winterkorn getan haben soll?
Manche haben sicher den Bezug zur Realität verloren, weil sie sich zu lange in anderen Sphären bewegen. Da gab es Deutsche-BankVorstände, die nicht wussten, wie die Kaffeemaschine funktioniert. Oder die als Zeuge vor Gericht ihre Adresse nicht sagen können, weil sie der Chauffeur immer hinfährt. Abzuheben ist eine latente Gefahr für die Elite.
Auch der Fall Uli Hoeneß erinnert etwas daran …
Oh, als Bayern-Fan tue ich mich da schwer. Aber klar, Steuerlich. hinterziehung ist kriminell und für die Leute noch schwerer zu ertragen, wenn sich jemand als moralische Instanz inszeniert hat. Davon gibt es etliche, Uli Hoeneß war immerhin im Gefängnis.
Gibt es auch eine Kehrseite, wenn man zur Elite gehört? Den Burnout?
Die Elite verdient häufig Millionen, der Alltag ist oft sehr anstrengend. Das Klischee, dass Manager Zigarren rauchen und es sich bei Rotwein gut gehen lassen, stimmt längst nicht mehr. Manager von heute reisen viel, leiden unter Zeitverschiebung, treiben viel Sport, um mithalten zu können. Manche kippen um, wie BMW-Chef Harald Krüger bei seinem ersten großen Auftritt auf der IAA. Bei anderen leiden die Ehen oder die Kinder. Dazu kommt die Furcht vor Rivalen im Unternehmen – oder in der eigenen Partei, wenn es sich um Politiker handelt. Ab einem bestimmten Niveau kann man nur noch wenigen Leuten vertrauen. AdidasChef Kasper Rorsted sagt zum Beispiel, dass man keinen Freund in seiner Firma haben sollte.
Manchmal ist sogar die eigene Familie anstrengend… Denken wir an die Aldi-Eigentümer, die Familie Albrecht, die sich zuletzt vor Gericht wiedersah.
Unternehmerfamilien streiten mindestens so viel wie stinknormale Familien – nur geht es um viel mehr Geld. So sagen sie es, nur halb im Scherz, in der Familie PorschePiëch, also bei den Eigentümern von VW. Und die Porsche-Seite hält Ferdinand Piëch bekanntlich vor, seine destruktive Haltung rühre aus dem Frust, dass er als Kind der Tochter von Ferdinand Porsche nie den Namen Porsche hat führen können.
Was könnte die Elite besser machen?
Mehr Wahrhaftigkeit würde nicht schaden, sich weniger als moralisches Vorbild darstellen. Teile der Elite behaupten, es gehe ihnen nicht ums Geld, leugnen die eigenen Karriere als Antrieb. Das halte ich nicht für ehrlich. Aus dem eigenen Berufsleben weiß jeder, dass es immer auch ums Einkommen geht.
Wären Sie auch gerne Spitzenmanager geworden?
Nein, lieber Profifußballer wie wohl jeder kleine Junge. Leider war schnell klar, dass das bei mir nicht klappt.
Georg Meck, Bettina Weiguny: Der Eliten Report. Rowohlt, 317 Sei ten, 24 Euro.
51, ist Res sortleiter für Wirtschaft & Finanzen der FAZ Sonntags zeitung. Er startete seine Karriere bei der Augsburger Allgemeinen.