Die Klagen der Sedlmayr Mörder
Vor 28 Jahren töteten zwei Männer den berühmten Schauspieler. Sie sind längst wieder auf freiem Fuß. Nun wollten sie, dass ihre Namen aus alten Medienberichten verschwinden
Vielleicht hat irgendjemand die alte Schreibmaschine schlicht und einfach vergessen. So wie viele Menschen vergessen haben, dass die beiden Mörder des bayerischen Volksschauspielers Walter Sedlmayr schon seit zehn Jahren wieder auf freiem Fuß sind. Geblieben ist die Schreibmaschine, auf der die Täter ein gefälschtes Testament getippt haben und die nun, gut verpackt in einem Karton, in der Asservatenkammer der Staatsanwaltschaft München vor sich hinschlummert. Warum sie immer noch aufbewahrt wird? Anton Jofer, wenn man so will Herr über die Asservatenkammer, fällt dazu nicht viel ein: „Gute Frage“, sagte er erst vor einigen Tagen. Vielleicht werde sie ja irgendwann vernichtet oder lande im Museum. Hat man das Ding also doch vergessen?
Das Internet dagegen vergisst nie. Dort sind unzählige alte Medienberichte über die Mörder von Walter Sedlmayr zu finden, die nun den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg beschäftigt haben. Zur Erinnerung: Sedlmayr, bekannt vor allem durch seine Rolle in der „Polizeiinspektion 1“, war im Juli 1990 ermordet in seiner Wohnung in München-Schwabing aufgefunden worden. Die Täter, Sedlmayrs ehemaliger Ziehsohn und dessen Halbbruder, wurden im Mai 1991 festgenommen und 1993 in einem Indizienprozess zu lebenslanger Haft verurteilt. Ihre Versuche, den Fall später neu aufrollen zu lassen, scheiterten. Den letzten Wiederaufnahme-Antrag lehnte das Landgericht Augsburg im April 2005 ab.
Als die Männer 2007 und 2008 aus der Haft entlassen wurden und, wie sie argumentierten, sich wieder in die Gesellschaft integrieren wollten, fielen ihnen archivierte OnlinePresseberichte auf, in denen sie mit vollem Namen genannt wurden. Ein Unding, fanden sie, und reichten Unterlassungsklagen gegen drei Medienhäuser ein: den das
und die Tageszeitung Der Bundesgerichtshof (BGH) lehnte diese Ende 2009 ab.
Die beiden sahen aber noch immer ihr Menschenrecht auf Achtung des Privatlebens verletzt und zogen vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Dieser verkündete gestern seine Entscheidung. Er bestätigte das BGH-Urteil. Die Sedlmayr-Mörder haben kein Recht auf ein Vergessen im Internet.
Die Pressefreiheit, so ein Argument der Richter, erlaube es Journalisten, selbst zu entscheiden, welche Details sie veröffentlichen – zumal dann, wenn wie beim Mord an Sedlmayr ein großes öffentliches Interesse bestehe. Bedingung dafür sei, dass die Medien nicht gegen ethische Normen verstoßen. Zweifel an der Wahrhaftigkeit der betref- fenden Texte gebe es nicht. Auch seien die Beiträge nur beschränkt für Leser zugänglich gewesen. Ein Teil verbarg sich hinter einer Paywall, also einer Bezahlschranke, ein anderer war Abonnenten vorbehalten. Außerdem: Einst hätten die Männer selbst Medien um Berichterstattung in eigener Sache gebeten, und zwar wiederholt. Beide Seiten können nun innerhalb von drei Monaten gegen das Urteil vorgehen.
Das Straßburger Gericht schloss sich in weiten Teilen der Meinung des BGH an. Dieser hatte in seinem Urteil das Recht auf Vergessen im Internet gegen das Recht der Öffentlichkeit auf Information abgewogen. Den Männern bei ihren Unterlassungsklagen recht zu geben, hätte nach Ansicht der Karlsruher Richter Medien möglicherweise davon abschrecken können, Texte zu archivieren. Mit solchen Archiven wirkten die Medien aber an der demokratischen Willensbildung mit und erfüllten so ihre Mission.
Nach Ansicht des Medienrechtlers Karl-Nikolaus Peifer von der Universität Köln bewahrt das Urteil die Medienbetreiber vor sehr aufwendigen Tätigkeiten, „die erhebliche Kapazitäten gebunden und vermutlich auch beträchtliche Kosten erzeugt hätten“. Ein
sagte: „Die im öffentlichen Interesse liegende Funktion eines Online-Archivs als ,historisches Gedächtnis‘ einer Gesellschaft bleibt damit erhalten.“
Es ist ein wiederkehrendes Phänomen: Wenn an den Grundschulen zu lange keine Lehrer eingestellt werden, fangen aus Angst vor der Arbeitslosigkeit weniger Abiturienten ein Lehramtsstudium an. Haben sie den Abschluss, gibt es oft schon wieder eine Fülle an Stellen, aber viel zu wenige Bewerber frisch von der Universität. Der Personalbedarf an Schulen ist ein höchst fragiles Gebilde.
Dass Kultusminister Sibler jetzt 700 neue Studienplätze für das Lehramt an Grundschulen schafft, ist zumindest ein klares Signal an junge Menschen im Freistaat: Werdet Lehrer, wir brauchen euch – und zwar auf Dauer. Eltern und Schulleiter betteln schon lange um einen solchen Weckruf gegen den Lehrermangel.
In Zukunft braucht Bayern mehr Pädagogen. Erstens, weil der Personalschlüssel an Grundschulen im Moment so knapp bemessen ist, dass schon ein Schnupfen oder eine plötzliche Schwangerschaft im Kollegium dazu führen können, dass Kinder plötzlich ohne Fachkraft in ihrem Klassenzimmer sitzen. Zweitens, weil in Bayern zuletzt wieder mehr Babys auf die Welt kamen. Sie alle werden in ein paar Jahren an den Grundschulen lernen – genauso wie tausende Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund, die seit 2015 nach Bayern gekommen sind und teilweise ganz bei null anfangen.
All diese Schüler sollen eine vielversprechende Zukunft haben – und die gibt es nur mit genügend Lehrern, die ihnen von Anfang an das nötige Wissen vermitteln.