Illertisser Zeitung

Auf Diebestour im Badeanzug

Um Produkte aus verschiede­nen Geschäften zu schmuggeln, haben drei Männer zu einem ungewöhnli­chen Trick gegriffen. Doch das Gericht kann dem einzigen Angeklagte­n nicht alles nachweisen

- VON WOLFGANG KAHLER

Ein rumänische­s Trio hatte in Illertisse­n Frauen-Badeanzüge unter der Kleidung, als es erwischt wurde. Damit wollten die Männer ihr Diebesgut möglichst eng am Körper und damit unauffälli­g unter voluminöse­n Jacken verstecken. Das sagte ein ermittelnd­er Beamter vor dem Schöffenge­richt am Amtsgerich­t in Memmingen aus. Ein 31-Jähriger aus dem Trio wurde wegen schwerem gewerbsmäß­igen Diebstahls zu einer Haftstrafe von einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung verurteilt.

Damit hat der Rumäne noch Glück: Ursprüngli­ch lautete die Anklage auf schweren Bandendieb­stahl mit einer Mindeststr­afe von einem Jahr pro Delikt. Doch zu dieser Verurteilu­ng reichte die Beweislage nicht, wie Vorsitzend­er Richter Markus Veit feststellt­e. Der Angeklagte hatte am ersten Verhandlun­gstag, wie berichtet, lediglich fünf Diebstähle eingeräumt, die er allein begangen haben will.

Im Dezember vergangene­n Jahres wurde in Senden und Illertisse­n eine ganze Serie von Ladendiebs­täh- len angezeigt. In Illertisse­n wurde das Trio bei einem weiteren Tatversuch erwischt. Ein Beamter der alarmierte­n Polizei entdeckte einen Verdächtig­en, als er in einen Kleinwagen stieg, der mit durchdrehe­nden Rädern einen Parkplatz am Bahnhof verlassen wollte. Der Beamte verhindert­e die Flucht, indem er sich vors Auto stellte, wie er in der Verhandlun­g sagte. Im Kofferraum wurden diverse Artikel, darunter Kleidung, Werkzeug und Parfüm entdeckt. Doch damit begannen die Probleme erst, denn es dauerte, bis ein Ermittler der Illertisse­r Polizei die Herkunft der Waren klären konnte. Inzwischen hatte ein Staatsanwa­lt die Verdächtig­en gegen eine Sicherheit­sleistung von 200 Euro wieder auf freien Fuß gesetzt, da kein ausreichen­der Haftgrund vorlag: Ein konkreter Diebstahl war dem Trio zu diesem Zeitpunkt nicht nachzuweis­en. Das gelang erst Tage später, als der 31-jährige Angeklagte eher zufällig erneut der Polizei ins Netz ging. Der Rumäne war mit dem Zug von München nach Salzburg unterwegs und wurde bei Traunstein von der Schleierfa­hndung geschnappt. Im Gepäck hatte der 31-Jährige nicht nur diverses Diebesgut, sondern auch die Sicherstel­lungsliste aus der Illertisse­r Festnahme.

Damit war für ihn Untersuchu­ngshaft fällig. Für die ermittelnd­en Polizisten war der Fall klar: „Das sah nach profession­ellem Vorgehen aus.“

Ihren Erkenntnis­sen nach gehen die Rumänen jeweils arbeitstei­lig vor. Einer deckt den Komplizen, wenn der die Ware einsackt und steht Schmiere, der Dritte wartet im Auto.

Die Badeanzüge, die die Männer in Illertisse­n unter der Jacke trugen, begründete­n sie mit angebliche­n Rückenprob­lemen. Die beiden als Zeugen geladenen Polizisten gaben sich am Rande der Verhandlun­g keinen Illusionen hin: Der Angeklagte werde den Gerichtssa­al als freier Mann verlassen.

Der Nachweis des gewerblich­en, gemeinscha­ftlichen Diebstahls war für Michael Bogdahn, Rechtsanwa­lt des Angeklagte­n, nicht erbracht. Dazu fehlten unter anderem die weiteren Täter sowie schlüssige Beweismitt­el wie Videoaufna­hmen.

Staatsanwa­lt Sebastian Murer beantragte angesichts der zahlreiche­n Delikte und der gestohlene­n Waren wegen gewerblich­er Tatausführ­ung eine Freiheitss­trafe von einem Jahr und zehn Monate auf Bewährung – wegen des Geständnis­ses und weil der Angeklagte nicht vorbestraf­t ist. Anwalt Bogdahn sah lediglich den mehrfachen Diebstahl als erwiesen und plädierte auf ein Jahr Freiheitss­trafe auf Bewährung.

Damit kam er beim Schöffenge­richt nicht durch, das im Urteil dem Antrag der Staatsanwa­ltschaft entsprach. „An Vorurteile­n gegen Rumänen, die nur zum Klauen nach Deutschlan­d kommen, sind Sie stark beteiligt“, sagte Richter Veit zum Angeklagte­n.

So dumm sei die deutsche Justiz auch nicht, man wisse, dass der Angeklagte zum Stehlen gekommen sei. Es sei bekannt, dass die Rumänen ein armes Volk seien, doch es gebe auch andere Möglichkei­ten, Geld zu verdienen.

Der Angeklagte habe durch den Diebstahl sechs Monate seines Lebens in Untersuchu­ngshaft eingebüßt. Die Strafe von einem Jahr und zehn Monaten zeige, dass es keine Bagatelle sei. Richter Veit warnte den Rumänen, dass er nicht mal mehr einen Kaugummi klauen dürfe, sonst müsse er die Strafe absitzen.

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Foto: Alexander Kaya

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