Illertisser Zeitung

Das Geheimnis des Grenzpoliz­ei Chefs

Alois Mannichl leitet Söders neue Grenzschut­ztruppe. Vor knapp zehn Jahren wurde der Beamte von einem Unbekannte­n niedergest­ochen. Der mysteriöse Fall wirft bis heute Fragen auf

- VON HOLGER SABINSKY WOLF

Wenn am Wochenende die bayerische Grenzpoliz­ei ihren Dienst aufnimmt, dann gibt es nicht nur Rätsel darum, welche Aufgaben sie eigentlich genau hat. Das größte Rätsel umgibt den Chef der neuen Truppe. Denn Alois Mannichl, 62, wurde vor knapp zehn Jahren Opfer eines mysteriöse­n Messer-Attentats. Der spektakulä­re Fall ist nicht geklärt und wirft bis heute Fragen auf.

Ab 1. Juli, also ab Sonntag, ist die Grenzpoliz­ei offiziell im Einsatz. Zunächst soll sie mit 500 Beamten und 160 Fahrzeugen ausgestatt­et sein, bis 2023 soll auf 1000 Beamte aufgestock­t werden. Das Ziel, das das CSU-geführte Innenminis­terium ausgibt, ist „mehr Sicherheit durch engmaschig­ere Kontrollen im grenznahen Raum“. Doch die eigentlich­e Sicherung der Grenze bleibt eine bundeshohe­itliche Aufgabe und damit Sache der Bundespoli­zei.

Es besteht der Verdacht, dass die CSU diese Grenztrupp­e vor allem aufstellt, um Härte in der Asylpoliti­k zu zeigen. Am Montagaben­d wird die Gründung der Grenzpoliz­ei-Direktion in Passau mit einem Festakt gefeiert. Ministerpr­äsident Markus Söder und Innenminis­ter Joachim Herrmann (beide CSU) werden Alois Mannichl den Schlüssel für das Direktions­gebäude übergeben. Das Rätsel um den Chef der Grenzpoliz­ei wird bei den Festreden wahrschein­lich nicht vorkommen.

Samstag, 13. Dezember 2008, gegen 17.30 Uhr: Der damalige Polizeiche­f von Passau wird vor seinem Reihenhaus in Fürstenzel­l niedergest­ochen. Mit einem Küchenmess­er aus dem eigenen Haushalt. Mannichl selbst liefert die erste Spur: Der Täter sei ein etwa 1,90 Meter großer Unbekannte­r mit Glatze gewesen. Bevor er zustach, habe er noch gesagt: „Du linkes Bullenschw­ein, du trampelst nicht mehr auf den Gräbern unserer Kameraden herum.“

Das Entsetzen war groß, während Mannichl notoperier­t wurde. Eine Attacke auf einen ranghohen bayerische­n Polizisten – Politiker sprachen von einer Eskalation der Gewalt und einer neuen Dimension rechter Verbrechen in Bayern. Ein Verbot der NPD wurde gefordert. Doch die Ermittler waren zuversicht­lich, der Fall schien klar: Ein Racheakt von Neonazis, gegen die Mannichl immer hart vorgegange­n war. Dazu eine Zeugenauss­age, dass der Täter mit einer grünen Schlange hinter dem Ohr tätowiert gewesen sei. Bis zu 70 Beamte arbeiteten in einer Sonderkomm­ission an dem Fall.

Motiv scheinbar klar, Täterbesch­reibung gut – die Aufklärung schien eine Frage von Tagen. Aber sie blieb aus. Bis heute. Der Fall Mannichl ist ein tiefer Stachel im Fleisch der erfolgsver­wöhnten bayerische­n Polizei. Die allermeist­en Gewaltdeli­kte dieser Art klären die Beamten auf. Ausgerechn­et der Angriff auf einen der ihren blieb ungelöst. Und nicht nur das.

Denn mit der Zeit kamen immer mehr Merkwürdig­keiten und Ungereimth­eiten ans Licht. Die Ermittler mussten sich bohrende Fragen gefallen lassen. Warum wurde nicht sofort DNA-Material unter Mannichls Fingernäge­ln gesichert, obwohl er nach eigenen Worten mit dem Täter gerangelt hat? Warum ermittelte­n drei Wochen lang Kripobeamt­e von Mannichls eigener Dienststel­le? Warum wurde zunächst nur in Bayern gefahndet, obwohl der Tatort nur 15 Autominute­n von der österreich­ischen Grenze entfernt liegt und Mannichl gesagt hatte, der Messerstec­her habe „mit österreich­ischer Einfärbung“gesprochen? Wenn es ein geplanter Racheakt eines Neonazis war, warum benutzte er kein eigenes Messer, sondern eines aus Mannichls Haushalt, das zufällig auf dem Fensterbre­tt lag?

Die unbeantwor­teten Fragen mündeten in einen schlimmen Verdacht: Könnte die Tat ein Familiendr­ama gewesen sein? Die Ermittler mühten sich, jedem noch so vagen Gerücht über eine mögliche enttäuscht­e Geliebte des Polizeiche­fs nachzugehe­n. Und sie mühten sich, diesen Verdacht zu zerstreuen. Doch es gelang ihnen ebenso wenig wie die Aufklärung des Falles.

2011 schloss das Landeskrim­inalamt vorläufig die Ermittlung­sakten. Ein halbes Jahr nach dem Messerangr­iff wurde Alois Mannichl von Passau ins rund 90 Kilometer entfernte Straubing versetzt, als Leiter der Verbrechen­sbekämpfun­g. Mit dem neuen Posten schließt sich nun ein Kreis: Mannichl – verheirate­t, zwei erwachsene Kinder – hatte Ende der 70er Jahre seine Laufbahn bei der bayerische­n Grenzpoliz­ei begonnen.

Racheakt eines Neonazis oder Beziehungs­tat?

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Archivfoto: Armin Weigel, dpa Alois Mannichl wird Chef der bayerische­n Grenzpoliz­ei. 2008 wurde er von einem Un bekannten vor seinem Haus niedergest­ochen.
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Foto: Polizei Mit dieser Phantomzei­chnung nach den Angaben des Passauer Polizeiche­fs suchten die Ermittler damals nach einem Messerstec­her aus der Neonazi Szene.

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