Gute Freunde kann niemand trennen
Zuletzt hat die Beziehung zwischen Oliver Bierhoff und Joachim Löw aber Risse bekommen. Früh warnte der Teammanager den Bundestrainer – vergeblich
Das DFB-Quartier in Watutinki wird ein Fanal für das missratene deutsche WM-Unternehmen bleiben. Diese Unterkunft, der Joachim Löw schon beim Bezug „den Charme einer guten, schönen Sportschule“zuschrieb. Der „Ungeist von Watutinki“offenbart auch die Disharmonien zwischen Löw und Kompagnon Oliver Bierhoff, die in der Quartierfrage schon lange vor dem WM-Desaster über Kreuz lagen. Haben sie als Duo noch eine gemeinsamen DFB-Zukunft?
Hinterfragen müssen sich beide, besonders der Bundestrainer, aber ganz gewiss auch der Teammanager. Bei Fragen zum Quartier war Bierhoffs Gemütszustand vom Anfang in Südtirol am 23. Mai bis zum Endpunkt in Kasan stets am besten abzuschätzen. Selbst bei der Ankunft in Frankfurt war das noch so. „Wenn Watutinki ein Problem sein sollte, dann ist das wahre Problem, dass es ein Problem ist“, befand Bierhoff. In Sotschi sagte er mal recht unentspannt: „Ich gehe damit entspannt um.“
Löw und Bierhoff. Zwei Männer, die viel bewegt haben beim Nationalteam. Sie verantworten eine große Vergangenheit und eine missglückte Gegenwart. Bierhoff will sich von „einem Misserfolg“nicht alles zerreden lassen. „Es ändert nichts an dem, was die Spieler, Trainer und auch ich in den letzten 14 Jahren geleistet haben.“
Bierhoff und Löw kamen nach dem EM-Vorrunden-Aus 2004 gemeinsam mit Reformer Jürgen Klinsmann zum DFB. Bierhoff ist der erste Nationalmannschafts-Manager in der Verbandsgeschichte. Sie haben gemeinsam Rückschläge erlebt und überstanden. Aber das Verhältnis hat sich in der Außenansicht verändert. Löw, der Entrückte. Bierhoff, der einsame Mahner, der Vermarkter, der Visionär.
Der inzwischen 50-Jährige hat sich jedenfalls anders entwickelt als Löw. Bierhoff ist inzwischen DFBDirektor, eine Art Superminister im weltgrößten Fußballverband. Über 100 Mitarbeiter, Millionenetat, ein Macht- und Kraftzentrum in der Frankfurter Verbandszentrale. Sein Einfluss wuchs, sein Vertrag wurde von DFB-Präsident Reinhard Grindel vor der WM sogar bis 2024 verlängert (Löw 2022).
Sein Denkmal schafft sich Bierhoff gerade: Die über 150 Millionen Euro teure DFB-Akademie in Frankfurt. Ein Thinktank, der Fußball „Made in Germany“in der Weltspitze halten oder nach der WM in Russland wieder dahin zurückbringen soll. „Die Akademie unter Leitung von Oliver Bierhoff ein ganz wichtiges Instrument, um besser zu werden“, sagte Verbandschef Grindel nach dem WM-Aus.
„Wir brauchen den nächsten Masterplan“, sagte Bierhoff schon im März. Er warnte lange im Voraus als Erster vor dem Weltmeisterfluch, den das DFB-Team nach Frankreich 2002, Italien 2010 und Spanien 2014 dann mit dem Vorrunden-Aus in Russland fortschrieb.
Mit seinem Spieler-Gen erkannte der ehemalige Kapitän früh Fehlentwicklungen. Stoppen konnte er sie nicht, auch Bierhoff drang wohl zu Löw nicht mehr wie früher durch. Dabei erlebte er als Nationalspieler 1998 die letzten Tage von Berti Vogts als Bundestrainer hautnah mit, ebenfalls den Nationalteam-Zerfall bei der EM 2000 in Belgien und Holland. Er hat die Nationalmannschaft zu einer Marke stilisiert. Er verantwortet aber zugleich die Entfremdung zur Basis. Fans sind zu Kunden geworden, in der Vorbereitung in Südtirol durften sie kein Training besuchen. Marketing, PR-Slogans („Die Mannschaft“, „#zsmmn“, „Best never rest“) – das DFBRaumschiff hat den Kontakt zur Erde verloren. In der Erdogan-Afist färe um Özil und Gündogan versagten alle.
„Wir müssen gewisse Veränderungen vornehmen“, sagte Bierhoff nun. Verbandschef Reinhard Grindel hat dem Manager die Turnier-Analyse aufgetragen. „Knallhart“will Bierhoff bei der Aufarbeitung vorgehen. Er selbst sitzt fest im Sattel. In 14 Jahren musste er noch keinen Trainerwechsel vollziehen oder moderieren. Als Assistent Löw 2006 zum Bundestrainer befördert wurde, war das damals noch Klinsmanns letzte Amtshandlung.
Wenn es denn stimmt, dass es der letzte Eindruck ist, der bleibenden Eindruck hinterlässt, hat sich Moskau noch mal ganz schön ins Zeug gelegt. Hat sich von seiner schönsten Seite gezeigt – und nebenbei einige Vorurteile bestätigt.
Augenscheinlich ist, dass im Hotelund Gaststättengewerbe den Personalkosten eher ein untergeordneter Wert beigemessen wird. Anders ist kaum zu erklären, dass sich Kneipen und Bettenburgen zwar zahlreiche Angestellte leisten, es aber wohl selten eine genaue Tätigkeitsbeschreibung für sie gibt, weshalb sie oft die Möglichkeit haben, sich im Müßiggang zu üben. Zweifelsfrei ein gewinnbringender Zeitvertreib. Und da er wohl den meisten Russen nicht fremd ist, beklagt sich auch kaum einer über Wartezeiten, die in Deutschland unter dem Schlagwort „Servicewüste“zusammengefasst werden.
Da der Kaffeeautomat am Morgen kein Koffein ausspucken will, wird eine Servicekraft gefragt, wann und ob denn wieder mit der kaffeeähnlichen Flüssigkeit zu rechnen sei, die dieses Gerät ja durchaus im Stande sein soll zuzubereiten. „No coffee.“Vielleicht gibt es ja einen anderen Automaten? „No coffee.“
Weil nörgelnde deutsche Journalisten neben Mundgeruch und Kater zu den unliebsamsten Erscheinungen am Morgen zählen, werden schließlich doch noch weitere Angestellte gerufen. Die erst mal nichts machen. Bis einem der Gedanke kommt, einen anderen Automaten hinzustellen. Er macht das alleine. Sechs schauen zu. Er schließt ihn auch alleine an. Sechs schauen zu. Der Kaffee läuft.
Genauso wie der Lada Kalina der Reporter. Ein letztes Mal noch nach Watutinki. Katastrophenjournalismus. Schauen, wie das deutsche Lager abgebaut wird. Zurück im Hotel, am Hintereingang rein, vorbei am „Rezeptionisten“, der