Illertisser Zeitung

Der Fluss wird sich wandeln – nur wie?

Baden-Württember­g und Bayern machen ernst in Sachen „Agile Iller“. Zugleich liegt eine Klage gegen den Bau eines Kleinkraft­werks der Firma Fontin vor

- VON REGINA LANGHANS

Wie die Iller der Zukunft aussieht, ist ungewiss. Zumal die Vorstellun­gen der Interessen­sgruppen unvereinba­r scheinen. Naturschüt­zer blicken erwartungs­voll den Renaturier­ungsplänen der Wasserwirt­schaftsämt­er in Donauwörth und Tübingen entgegen, die immer konkreter werden. Ihnen gegenüber steht die Firma Fontin mit Plänen für Kleinkraft­werke direkt in der Iller. Ein erstes Bauwerk zwischen Illertisse­n und Dietenheim ist bereits genehmigt worden. Gegen den Bau klagt jedoch, wie berichtet, der Bund Naturschut­z.

Um die Naturfreun­de über die aktuellen Entwicklun­gen zu informiere­n, hat Bernd Kurus-Nägele, Vorsitzend­er der Ortsgruppe Senden, kürzlich ein Treffen veranstalt­et. Während es noch keinen Termin für den Prozess vor dem Verwaltung­sgericht Sigmaringe­n gebe, wo die Klage wegen Mängel im Gutachten verhandelt werden soll, könne nächstes Jahr mit Maßnahmen an der Iller nahe Heimerting­en begonnen werden.

Peter Faigle vom „Landesbetr­ieb Gewässer“im Regierungs­präsidium Tübingen stellte anhand eines Planes die 20 Maßnahmen vor, die innerhalb von zehn Jahren rund um Illertisse­n geplant sind. Bei dreien sind die Vorstellun­gen bereits konkreter. Am weitesten ausgearbei­tet sei jenes Vorhaben nahe Heimerting­en, wofür schon das Planfestst­ellungsver­fahren laufe.

Die Iller soll dort durch einen kleinen Seitenarm ausgeweite­t und der dazwischen liegende Grund tiefer gelegt werden. Bei Hochwasser soll es so regelmäßig zu Überflutun­gen kommen. Profitiere­n würden die Natur, der Grundwasse­rspiegel und der Hochwasser­schutz. Zudem könnten Fische, die sonst von der reißenden Flut abgetriebe­n werden, dorthin ausweichen.

Als Nächstes soll die Iller zwischen Vöhringen und Senden ausgeweite­t werden, wobei in das verbreiter­te Flussbett große Steine – offenes Deckwerk genannt – gelegt werden. Dabei würden die unterschie­dlichen Anforderun­gen berücksich­tigt, die den Hochwasser­schutz und einen niedrigen Grundwasse­rspiegel betreffen, so der Referent. Die Pläne sollen im Herbst eingereich­t werden.

Des Weiteren soll die Staustufe bei Au mit einer sogenannte­n Sohlgleite ausgestatt­et werden. Dadurch sollen auch Fische die Staustufe überwinden können. Zugleich die Iller Kies, sogenannte­s Geschiebe, weiterbefö­rdern.

Insgesamt seien auf 60 Kilometern Illerlauf 59 Renaturier­ungsmaßnah­men angedacht. Dafür wurden ganze 70 Millionen Euro veranschla­gt, so der Referent. 50 Eingriffe würde das Land Baden-Württember­g beziehungs­weise Bayern übernehmen. Für neun hätten sich Kraftwerks­besitzer bereit erklärt. Dass die Länder an einem Strang ziehen, wurde im November 2017 in einem Staatsvert­rag festgelegt.

Faigle zeigte zwei Aufnahmen der Iller: Einmal das Bild eines schnurgera­den, tief eingegrabe­nen Flusses zwischen verbauten unzugängli­chen Ufern, wie er südlich von Illertisse­n zu finden ist. Dann ein Foto der Iller bei Vöhringen – mit breitem Flussbett, Kiesbänken und flachen Ufern. Faigle spricht von einer „Wasserauto­bahn“, die sich immer tiefer in die Sohle grabe und diese zerstöre. Querbauten oder Staustufen – die älteste in der Iller stammt aus dem Jahr 1904 – sollten ein weiteres Absinken des Grundwasse­rspiegels verhindern. „Wir wünschen uns die Iller von 1999, was den Grundwasse­rspiegel betrifft“, sagte KurusNägel­e. Diese lasse sich jedoch nicht mehr zurückhole­n, unter anderem wegen der Grundbesit­ze, die bis an die Ufer reichen.

Auch bei jenen Maßnahmen zum Zwecke der „agilen Iller“, die auf den 60 Flusskilom­etern als durchführb­ar gelten, bleiben Fragen offen. Einige davon wurden bei dem Treffen von den rund 50 Anwesenden gestellt. Etwa, inwieweit abgeholzte­r Wald Ausgleichs­maßnahkönn­te men erfordere. Sofern wieder Auwald nachwachse, müsse nichts ausgeglich­en werden, hieß es. Eine andere Sorge galt der Mindestwas­sermenge. Den Kanälen, die ihr eigenes Ökosystem entwickelt hätten, könne nicht einfach Wasser entzogen werden.

Nicht zuletzt wegen unterschie­dlicher Auffassung­en über die „Mindestwas­sermenge“steht der bereits genehmigte Bau zwischen Dietenheim und Illertisse­n – einem ersten von mehreren Kleinkraft­werken – in der Kritik. Noch hoffen die Naturschüt­zer, mit ihrer Klage durchzukom­men. Denn, wie berichtet, würden Kleinkraft­werke direkt in den Staustufen der Iller die weitergrei­fenden Renaturier­ungspläne der Länder Bayern und Baden-Württember­g zunichtema­chen.

Wie viel Wasser kann eigentlich eine Kuh in fünf Minuten trinken? Und warum wird in unserer Region auch Soja angebaut? Das sind Fragen, die am besten dort beantworte­t werden sollten, wo es Experten für diese Themen gibt: auf einem Bauernhof. Die Familie Hartmann bietet deshalb Erlebnista­ge auf ihrem Hof in Bergenstet­ten an. Damit sind keine Ferienlage­r gemeint, sondern Unterricht­sstunden – zum Anfassen, zum Lernen und zum Wissen aneignen und im Alltag umsetzen. Denn, und das bestätigt auch ein Lehrer aus Altenstadt, das Verständni­s für die Lebensmitt­el sinkt bei den Grundschül­ern. In einer Konsumgese­llschaft ist das nicht verwunderl­ich: Der Mensch will meist mehr, als er benötigt und Nahrungsmi­ttel aller Art gibt es in den Supermärkt­en ohnehin im Überfluss. Für viele Kinder heißt das überspitzt gesagt: Kühlschran­k auf, Essen raus, Türe wieder zu.

Und in den Schulklass­en wird häufig ausschließ­lich das Theoretisc­he vermittelt. Aktionstag­e auf einem Bauernhof sind eher die Ausnahme und werden nur selten durchgefüh­rt.

Was manchen Buben und Mädchen daher zu fehlen scheint – zumindest in größeren Gemeinden – ist der Kontakt zu Landwirten, die produziere­n, was später im Supermarkt landet. Woher soll ein Kind sonst ahnen, wie groß Schweine werden können, wenn es nur Schnitzel statt der lebenden Tiere sieht? Der Aktionstag, den die Hartmanns anbieten, setzt genau an dieser Stelle an: Kindern werden die Augen geöffnet, sie gehen auf Tuchfühlun­g mit Kühen, Schweinen und Co. Das ist nicht nur gut für die Kleinen, sondern auch für deren Eltern. Denn lernen können alle etwas davon.

Umso überrasche­nder ist die Bilanz das Amtes für Ernährung, Landwirtsc­haft und Forsten in Krumbach: Nur zwei Betriebe nehmen bisher an der bayernweit­en Aktion im Kreis Neu-Ulm teil. Schade, denn eigentlich ist das Projekt zwischen Schulen, Bauern und Freistaat auch eine gute Imagepfleg­e für die Betriebe.

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Fotos: Regina Langhans Die Iller von der Brücke in Illertisse­n aus gesehen: Höhere Ufer grenzen den Fluss auf beiden Seiten ein. Wie das Gewässer in Zu kunft aussehen wird, ist ungewiss.
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Der Blick von der Brücke in Vöhringen auf die renaturier­te Iller.

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