Der Fluss wird sich wandeln – nur wie?
Baden-Württemberg und Bayern machen ernst in Sachen „Agile Iller“. Zugleich liegt eine Klage gegen den Bau eines Kleinkraftwerks der Firma Fontin vor
Wie die Iller der Zukunft aussieht, ist ungewiss. Zumal die Vorstellungen der Interessensgruppen unvereinbar scheinen. Naturschützer blicken erwartungsvoll den Renaturierungsplänen der Wasserwirtschaftsämter in Donauwörth und Tübingen entgegen, die immer konkreter werden. Ihnen gegenüber steht die Firma Fontin mit Plänen für Kleinkraftwerke direkt in der Iller. Ein erstes Bauwerk zwischen Illertissen und Dietenheim ist bereits genehmigt worden. Gegen den Bau klagt jedoch, wie berichtet, der Bund Naturschutz.
Um die Naturfreunde über die aktuellen Entwicklungen zu informieren, hat Bernd Kurus-Nägele, Vorsitzender der Ortsgruppe Senden, kürzlich ein Treffen veranstaltet. Während es noch keinen Termin für den Prozess vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen gebe, wo die Klage wegen Mängel im Gutachten verhandelt werden soll, könne nächstes Jahr mit Maßnahmen an der Iller nahe Heimertingen begonnen werden.
Peter Faigle vom „Landesbetrieb Gewässer“im Regierungspräsidium Tübingen stellte anhand eines Planes die 20 Maßnahmen vor, die innerhalb von zehn Jahren rund um Illertissen geplant sind. Bei dreien sind die Vorstellungen bereits konkreter. Am weitesten ausgearbeitet sei jenes Vorhaben nahe Heimertingen, wofür schon das Planfeststellungsverfahren laufe.
Die Iller soll dort durch einen kleinen Seitenarm ausgeweitet und der dazwischen liegende Grund tiefer gelegt werden. Bei Hochwasser soll es so regelmäßig zu Überflutungen kommen. Profitieren würden die Natur, der Grundwasserspiegel und der Hochwasserschutz. Zudem könnten Fische, die sonst von der reißenden Flut abgetrieben werden, dorthin ausweichen.
Als Nächstes soll die Iller zwischen Vöhringen und Senden ausgeweitet werden, wobei in das verbreiterte Flussbett große Steine – offenes Deckwerk genannt – gelegt werden. Dabei würden die unterschiedlichen Anforderungen berücksichtigt, die den Hochwasserschutz und einen niedrigen Grundwasserspiegel betreffen, so der Referent. Die Pläne sollen im Herbst eingereicht werden.
Des Weiteren soll die Staustufe bei Au mit einer sogenannten Sohlgleite ausgestattet werden. Dadurch sollen auch Fische die Staustufe überwinden können. Zugleich die Iller Kies, sogenanntes Geschiebe, weiterbefördern.
Insgesamt seien auf 60 Kilometern Illerlauf 59 Renaturierungsmaßnahmen angedacht. Dafür wurden ganze 70 Millionen Euro veranschlagt, so der Referent. 50 Eingriffe würde das Land Baden-Württemberg beziehungsweise Bayern übernehmen. Für neun hätten sich Kraftwerksbesitzer bereit erklärt. Dass die Länder an einem Strang ziehen, wurde im November 2017 in einem Staatsvertrag festgelegt.
Faigle zeigte zwei Aufnahmen der Iller: Einmal das Bild eines schnurgeraden, tief eingegrabenen Flusses zwischen verbauten unzugänglichen Ufern, wie er südlich von Illertissen zu finden ist. Dann ein Foto der Iller bei Vöhringen – mit breitem Flussbett, Kiesbänken und flachen Ufern. Faigle spricht von einer „Wasserautobahn“, die sich immer tiefer in die Sohle grabe und diese zerstöre. Querbauten oder Staustufen – die älteste in der Iller stammt aus dem Jahr 1904 – sollten ein weiteres Absinken des Grundwasserspiegels verhindern. „Wir wünschen uns die Iller von 1999, was den Grundwasserspiegel betrifft“, sagte KurusNägele. Diese lasse sich jedoch nicht mehr zurückholen, unter anderem wegen der Grundbesitze, die bis an die Ufer reichen.
Auch bei jenen Maßnahmen zum Zwecke der „agilen Iller“, die auf den 60 Flusskilometern als durchführbar gelten, bleiben Fragen offen. Einige davon wurden bei dem Treffen von den rund 50 Anwesenden gestellt. Etwa, inwieweit abgeholzter Wald Ausgleichsmaßnahkönnte men erfordere. Sofern wieder Auwald nachwachse, müsse nichts ausgeglichen werden, hieß es. Eine andere Sorge galt der Mindestwassermenge. Den Kanälen, die ihr eigenes Ökosystem entwickelt hätten, könne nicht einfach Wasser entzogen werden.
Nicht zuletzt wegen unterschiedlicher Auffassungen über die „Mindestwassermenge“steht der bereits genehmigte Bau zwischen Dietenheim und Illertissen – einem ersten von mehreren Kleinkraftwerken – in der Kritik. Noch hoffen die Naturschützer, mit ihrer Klage durchzukommen. Denn, wie berichtet, würden Kleinkraftwerke direkt in den Staustufen der Iller die weitergreifenden Renaturierungspläne der Länder Bayern und Baden-Württemberg zunichtemachen.
Wie viel Wasser kann eigentlich eine Kuh in fünf Minuten trinken? Und warum wird in unserer Region auch Soja angebaut? Das sind Fragen, die am besten dort beantwortet werden sollten, wo es Experten für diese Themen gibt: auf einem Bauernhof. Die Familie Hartmann bietet deshalb Erlebnistage auf ihrem Hof in Bergenstetten an. Damit sind keine Ferienlager gemeint, sondern Unterrichtsstunden – zum Anfassen, zum Lernen und zum Wissen aneignen und im Alltag umsetzen. Denn, und das bestätigt auch ein Lehrer aus Altenstadt, das Verständnis für die Lebensmittel sinkt bei den Grundschülern. In einer Konsumgesellschaft ist das nicht verwunderlich: Der Mensch will meist mehr, als er benötigt und Nahrungsmittel aller Art gibt es in den Supermärkten ohnehin im Überfluss. Für viele Kinder heißt das überspitzt gesagt: Kühlschrank auf, Essen raus, Türe wieder zu.
Und in den Schulklassen wird häufig ausschließlich das Theoretische vermittelt. Aktionstage auf einem Bauernhof sind eher die Ausnahme und werden nur selten durchgeführt.
Was manchen Buben und Mädchen daher zu fehlen scheint – zumindest in größeren Gemeinden – ist der Kontakt zu Landwirten, die produzieren, was später im Supermarkt landet. Woher soll ein Kind sonst ahnen, wie groß Schweine werden können, wenn es nur Schnitzel statt der lebenden Tiere sieht? Der Aktionstag, den die Hartmanns anbieten, setzt genau an dieser Stelle an: Kindern werden die Augen geöffnet, sie gehen auf Tuchfühlung mit Kühen, Schweinen und Co. Das ist nicht nur gut für die Kleinen, sondern auch für deren Eltern. Denn lernen können alle etwas davon.
Umso überraschender ist die Bilanz das Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Krumbach: Nur zwei Betriebe nehmen bisher an der bayernweiten Aktion im Kreis Neu-Ulm teil. Schade, denn eigentlich ist das Projekt zwischen Schulen, Bauern und Freistaat auch eine gute Imagepflege für die Betriebe.