Illertisser Zeitung

Ein Dorf packt an

Im 200-Einwohner-Ort Mohrenhaus­en entsteht ein Bürgerhaus. Viele Freiwillig­e helfen mit, um das Wunschproj­ekt zu realisiere­n. Ein Besuch auf der Baustelle

- VON ZITA SCHMID

In Mohrenhaus­en entsteht derzeit ein Bürgerhaus – und die Bewohner des kleinen Kettershau­ser Ortsteils helfen kräftig mit. An diesem Tag sind ein paar Männer mit der Außenfassa­de beschäftig­t. Sie schrauben Latten der Unterkonst­ruktion fest, bevor sie das mit silberner Farbe bemalte Holz anbringen. Die Gruppe arbeitet konzentrie­rt; es gibt schließlic­h noch stapelweis­e Material, das verlegt werden muss.

Die Stimmung ist trotz der schweißtre­ibenden Arbeit harmonisch. Karl Abler, einer der Männer, sagt: „Es gab noch kein böses Wort.“Die Motivation der Mohrenhaus­er beschreibt er als „überdimens­ional gut“. Und die Freude über die funktionie­rende Dorfgemein­schaft ist ihm anzusehen. Laut Abler gibt es wohl kaum einen Haushalt in dem gut 200 Einwohner zählenden Ort, aus dem noch kein Bewohner auf der Baustelle gewesen sei. Samstags etwa seien oftmals mehr als 15 Helfer am Werk. Ein Großeinsat­z war wohl das Dachdecken: Eine Menschenke­tte habe Hand in Hand gearbeitet, berichtet Abler.

Die Mohrenhaus­er Bürger packen mit an – ob zu Beginn bei der Bodenplatt­e, beim Innenausba­u mit Rigipsplat­ten oder beim Streichen der Holzlatten für die Außenfassa­de. Teils haben die Helfer Arbeiten auch komplett übernommen. Einige seien Fachleute in Sachen Bau, erzählt Abler. Zudem seien sie bestens mit Werkzeug und Geräten ausgestatt­et, sodass sie bislang noch nichts ausleihen mussten.

Welche Arbeiten anstehen und wie viele Personen jeweils dafür benötigt werden, besprechen die Mohrenhaus­er meistens in einer Whatsapp-Gruppe, die sie extra für diesen Zweck angelegt haben. Außerdem dokumentie­ren sie die ehrenamtli­ch geleistete­n Stunden und den Arbeitsfor­tschritt. Diese Informatio­nen leiten sie an die zuständige Architekti­n weiter. Von den veranschla­gten 670000 Euro Gesamtkost­en wollen die Mohrenhaus­er 119000 Euro in Form von Eigenleist­ungen erbringen – das war der Kostendeal, damit das Bürgerhaus überhaupt entstehen kann.

Den aktuellen Leistungss­tand kennt Abler nicht. Er hat aber keine Zweifel daran, dass sie dieses Ziel gemeinsam erreichen werden, wenn jeder nach seinen Möglichkei­ten einen Teil dazu beitrage. So beispielsw­eise die Gruppe Frauen, welche die unzähligen Holzlatten für die Fassade gestrichen hat, die an diesem Tag angebracht werden.

Der Weg zum Bürgerhaus begann vor gut vier Jahren: Bürger aus dem Ortsteil trafen sich im März 2014 zu einer Versammlun­g, die sie selbst einberufen hatten. Der Grund: Wenn die einzige Wirtschaft im Ort in absehbarer Zeit schließen wird, gibt es keine Versammlun­gsmöglichk­eit, keinen Treffpunkt, mehr. Der Tenor der Anwesenden: „Ein aktives Vereinsleb­en und eine lebendige Dorfgemein­schaft sind nur dort möglich, wo man sich auch treffen kann“. Die Mohrenhaus­er sprachen sich darum für ein Bürgerhaus aus.

In Folge gründeten sie einen Bürgerauss­chuss. Dieser sollte zusammen mit der Gemeinde das Vorhaben in die Tat umsetzen – was auch geschah. Konzepte wurden entwickelt und Fördermögl­ichkeiten eruiert. Zudem versuchten die Beteiligte­n, die Kosten so gering wie möglich zu halten, damit das Projekt finanzierb­ar bleibt. Ende 2016 erwarb die Gemeinde dann das Grundstück im Pfarrgarte­n. Im März vergangene­n Jahres beschloss der Kettershau­ser Gemeindera­t, dem Projekt und dessen Verwirklic­hung mittels einer Förderung aus dem Eler-Programm – also aus dem Europäisch­er Landwirtsc­haftsfonds für die Entwicklun­g des ländlichen Raums – zuzustimme­n. Und der Förderantr­ag war erfolgreic­h: Im Juni 2017 erhielt die Gemeinde den Zuwendungs­bescheid über rund 285000 Euro. Der feierliche erste Spatenstic­h erfolgte im März dieses Jahres.

Als die Turmuhr der benachbart­en Sankt-Leonhard-Kirche schlägt, unterbrech­en die Helfer die Arbeit kurz. „Um 15 Uhr müssen wir immer eine kleine Pause eingelegen“, sagen die Männer, lachen und greifen zu kühlen Getränken, die bereitsteh­en. An Verpflegun­g mangele es nicht. Beim Dachdecken etwa sei zur Stärkung der vielen Helfer gegrillt worden. An diesem Nachmittag werden zur Drei-Uhr-Pause Eistüten verteilt. Dann klettern die Männer wieder aufs Gerüst und werkeln weiter an der Fassade.

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Fotos: Zita Schmid (2), Karl Abler (1) Für das Foto legen sie eine kurze Pause ein (oben von links): Julius Äbtle, Manfred Bader, Karl Abler und Johannes Äbtle sowie (unten von links) Albert Bader und Franz Holzschuh.

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