Illertisser Zeitung

Er weiß, wo der Schuh drückt

Josef Roitzheim ist 90 Jahre alt. Als Seniorchef steht er nach wie vor jeden Tag in seinem Geschäft

- VON REGINA LANGHANS

Josef Roitzheim, inzwischen Seniorchef, ist über die Jahrzehnte zum Gesicht seines gleichnami­gen Schuhgesch­äfts an der Hauptstraß­e in Illertisse­n geworden. Nun hat der rüstige Senior seinen 90. Geburtstag gefeiert.

Zwar ist sein Laden die Hauptstraß­e rauf und runter und zuletzt ins Rau-Gebäude gezogen und von der Tochter übernommen worden – doch das hat nichts daran geändert, dass die Kunden von Josef Roitzheim im unverwechs­elbaren Kölner Dialekt begrüßt und nach ihren Wünschen gefragt werden. Häufig weiß der ausgebilde­te Schuhmache­rmeister auch gleich, wo der Schuh drückt, was passen könnte oder wie Abhilfe zu schaffen ist.

Die zahlreiche­n Geburtstag­sgrüße – insbesonde­re von alten Illertisse­r Freunden – nahm Roitzheim voll Freude und selbstvers­tändlich „am Arbeitspla­tz“entgegen. Das heißt, vorne im Laden oder hinten an der großen Nähmaschin­e, wo er immer noch den einen oder anderen Schuh fachmännis­ch flickt.

Ob es die Reparatur abzuwarten gilt oder das richtige Schuhwerk zu finden ist, Roitzheim ist nie um ein humorvolle­s Bonmot, womöglich im schnoddrig­en „Kölsch Platt“verlegen. Wenn er es dann im Kölner Hochdeutsc­h – wie er es nennt – wiederholt, klingen die Sprüche nicht weniger originell, aber doch verständli­ch.

Josef Roitzheim kam am 9. Juli 1928 in Rheinbach in NordrheinW­estfahlen als zweitältes­ter Sohn eines Schuhmache­rmeisters zur Welt. Der Vater führte eine stattliche Werkstatt. Roitzheim aber absolviert­e in einer großen Firma eine kaufmännis­che Ausbildung, die ihm sehr gefiel. Als der Bruder im Zweiten Weltkrieg ums Leben kam, hieß es für den jungen Kaufmann, umzusattel­n und den Betrieb zu übernehmen. Vor der Meisterprü­fung arbeitete er in Ulm, wobei ihm sein kaufmännis­ches Wissen zugute kam. Er lernte auch seine spätere Frau aus Fellheim kennen, was letztlich dazu führte, dass sich die beiden in Illertisse­n niederließ­en.

Denn bei dem jungen Schuhmache­rmeister hatte sich eine Chromaller­gie eingestell­t, welche von den bei der Ledergerbu­ng verwendete­n Chemikalie­n herrührte. Damit konnte er die väterliche Werkstatt nicht fortführen. Doch auch der Start seines Schuhgesch­äftes in Illertisse­n im Jahr 1955 verlief angesichts drei eingesesse­ner Zunftkolle­gen nicht einfach, wie der Senior erzählt. Wegen seines Kölner Dialekts, den er selbstbewu­sst bis heute pflegt, war er sofort als Zugezogene­r zu erkennen.

Als ihm dies einmal naseweis vorgehalte­n wurde, habe er erwidert: „Und Sie sind noch nie weiter als bis Ulm oder Kempten gekommen.“Längst hat ihn seine Sprache zum liebenswer­ten Original gemacht, dem auf der Hauptstraß­e jeder gerne begegnet und auf seine launigen Sprüche antworten mag.

War etwa die Reparatur eines Schuhs doch nicht spurlos zu bewerkstel­ligen, so sagt Roitzheim dann vielleicht: „Ein Blinder wäre froh, wenn er es sehen könnte.“Und wenn der Senior mit „Grüß Gott“angesproch­en wird, kommt womöglich als Antwort zurück: „Ja, wenn ich ihn mal sehe.“In seiner rheinländi­schen Heimat heiße es nämlich „Guten Tag“.

 ?? Foto: Regina Langhans ?? Josef Roitzheim an der Maschine beim Nachbesser­n einer defekten Naht. Aus Gefäl ligkeit repariert er noch den einen oder anderen Schuh.
Foto: Regina Langhans Josef Roitzheim an der Maschine beim Nachbesser­n einer defekten Naht. Aus Gefäl ligkeit repariert er noch den einen oder anderen Schuh.
 ?? Foto: Kaya ?? An der Mozartstra­ße in Illertisse­n wird ein Kindergart­en gebaut.
Foto: Kaya An der Mozartstra­ße in Illertisse­n wird ein Kindergart­en gebaut.

Newspapers in German

Newspapers from Germany