Wird Beschäftigten in der Pflege zu viel zugemutet?
Bei einer Debatte des CSU-Ortsverbands in Vöhringen geht es um die Zukunft des Berufs
Deutschland wird älter. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts wächst die Gruppe der über 60-Jährigen kontinuierlich an und damit auch der Bedarf an Pflegekräften. Davon allerdings gibt es zu wenige. Grund für den CSU-Ortsverband, die Situation in einer Diskussionsrunde im Caritaszentrum zu thematisieren. Gekommen waren unter anderem Vertreter aus der Politik und von Pflegeeinrichtungen.
Bezirksrat Herbert Pressl (CSU) kritisierte etwa, dass der demografischen Entwicklung viel zu lange nicht ausreichend Aufmerksamkeit gewidmet worden sei. Der Fachkräftemangel und der in Zukunft steigende Bedarf an Personal in der Pflege lasse nur eine Lösung zu: Man müsse den Pflegeberuf attraktiver gestalten. Darin war er sich mit dem Augsburger Landrat und Vorsitzenden der CSU-Fraktion im Bezirkstag, Martin Sailer, einig. Sailer sprach von einem gesellschaftspolitischen Problem, das er als Herausforderung für die kommenden Jahre betrachtet. So werde sich der Anteil der über 80-Jährigen verdoppeln und damit der Pflegebe- darf wachsen. Der Bezirk Schwaben gebe 740 Millionen Euro – das sind 95 Prozent des Gesamthaushaltsvolumens – für soziale Sicherung und soziale Leistungen aus. Sailer verwies auf die verschiedenen Angebotsstrukturen. Die stationäre Pflege sei gut vertreten, was fehle, seien Kurzzeitpflegeplätze.
In der Aussprache machte Dominik Rommel, Geschäftsführer des Caritasvereins Illertissen, klar, wie schwierig es sei, mit den staatlich zugewiesenen Mitteln zurechtzukommen. Als Beispiel führte er das Essensgeld pro Bewohner für die Einrichtung an. Es gebe fünf Euro pro Person, davon werden das Frühstück, Mittagessen, der Kaffee am Nachmittag und das Abendessen bestritten. Da sei schon eine harte Kalkulation angesagt. Die Debatten mit Vertretern des Bezirks gestalteten sich als äußerst schwierig. In diesem Zusammenhang kritisierte Bezirksrat Pressl, dass bei diesen Verhandlungen die politischen Vertreter außen vor bleiben müssten. Das müsse sich ändern.
Dass die Personaldecke immer dünner wird, beklagte Friedrich Spang, Leiter des Vöhringer Caritas- zentrums. „Manchmal hat man ein schlechtes Gewissen, was man den Beschäftigten in der Pflege alles zumuten muss.“Ein anderer Kritikpunkt kam von einer Besucherin, die es als Hohn empfand, dass nachgewiesene Mehrkosten in den Betreuungseinrichtungen nicht erstattet würden. Dem will Landrat Sailer nachgehen, wie er versprach.
Ein anderer Teilnehmer monierte, dass erst jetzt von Pflegenotstand gesprochen werde, viel zu spät habe man das Thema entdeckt. Das wiederum wollte Sailer nicht so stehen lassen. Am 1. Januar 1995 wurde die Pflegeversicherung eingeführt. Mit dem Thema würde man sich also schon länger beschäftigen.
Ein weiteres Anliegen der beiden Sozialpolitiker war, den Prüfungsabschluss ausländischer Mitarbeiter in der Pflege anzuerkennen. Denn gerade aus östlichen Ländern kommende Frauen brächten eine gute Qualifikation mit.
Dass Personalmangel so gravierend sein könne, dass es in Deutschland aus diesem Grund Häuser mit leer stehenden Zimmern gebe, sei ein Unding, erklärte ein Teilnehmer. Das könne doch nur den Schluss zulassen, dass man mehr für die Fachkräfte tun müsse. Dominik Rommel lobte das Engagement der Flüchtlinge, die Arbeit in den Caritaszentren gefunden haben. Dass über ihnen immer die Angst vor der Abschiebung schwebe, bezeichnete Rommel als untragbaren Zustand.
Landrat Thorsten Freudenberger (CSU) sprach das Thema digitale Pflege an. An einer Digitalisierung komme man nicht mehr vorbei. Allerdings forderte er mit Nachdruck, das Leben der zu Pflegenden sollte analog und menschlich bleiben. CSU-Ortsvorsitzender Markus Prestele sah sich am Schluss in der Initiative bestätigt, das Thema Pflege in den Fokus zu rücken. Trotz interessanter Diskussion war der Saal im Vöhringer Zentrum zur Hälfte leer geblieben.