Stadt Ulm schneidet Hecken und legt Vogelnester frei
Tierschützer sind sauer, die Verwaltung spricht von einem Versehen – und will in Zukunft anders arbeiten
Wenn Tanja Junginger durch den Stifterpark beim Fort Unterer Eselsberg in Ulm geht, sieht sie an den Hecken keine Singvögel mehr. Die Ulmerin ist noch immer wütend und traurig. Am Mittwoch haben städtische Mitarbeiter die Hecken in dem Park gestutzt und dabei nicht auf Nester geachtet. Sie legten Eier von Amseln und wohl auch anderen Singvögeln frei. Dabei verbietet es das Bundesnaturschutzgesetz, in der Zeit vom 1. März bis 30. September Hecken „abzuschneiden, auf den Stock zu setzen oder zu beseitigen“. Nur schonende Zuschnitte sind erlaubt.
Wiltrud Spiecker ist Sprecherin der Ortsgruppe Ulm/Neu-Ulm des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu). Für sie ist klar: „Das war verboten. Nester sind geschützt, egal von welcher Vogelart. Da ist unser Naturschutzgesetz ganz eindeutig.“Die Nester und die darin liegenden Eier sind verloren. Denn die erwachsenen Vögel brüten nicht an direkt einsehbaren Orten. Und die Eier sind für Krähen eine leichte Beute. „Das kann man nicht rechtfertigen. So einen krassen Fall kannte ich bisher nicht“, sagt Spiecker.
Auch Tanja Junginger engagiert sich im Tierschutz. Sie weiß, wovon sie spricht. Jetzt ist die Zeit der zweiten Brut der Vögel, von der viele Bürger nichts wissen. Sie ist der Grund für das Verbot, jetzt Hecken und Büsche zu schneiden. Noch während die Arbeiter im Stifterpark am Werk waren, rief Junginger erst bei Nabu-Sprecherin Wiltrud Spiecker und anschließend bei der Stadtverwaltung an. Doch der zuständige Ansprechpartner war nicht da.
Junginger ging auf die beiden Arbeiter zu. Der eine, schildert sie, habe gar kein deutsch gesprochen. Der andere habe von dem Gesetz und der zweiten Brut überhaupt nichts gewusst und bloß gesagt, er habe den Auftrag bekommen. „Das ist für mich ein Radikalschnitt“, sagt Tanja Junginger. Dabei müsse doch gerade die Stadt ein Vorbild sein. Wer sich nicht an die Regeln hält, dem drohen Bußgelder in Höhe von mehreren Tausend Euro.
Bei der Stadtverwaltung spricht man von einem Versehen. „Das war mit Sicherheit eine Unachtsamkeit“, sagt Franz Münch, Sachgebietsleiter Unterhalt in der Abteilung Grünflächen. Die Mitarbeiter seien eigentlich sensibilisiert. Nun soll es zusätzliche Schulungen geben. Außerdem will die Stadt die Pflege ihrer Anlagen teilweise umstellen. In Zukunft sollen Hecken im Sommer nur dort zurückgeschnitten werden, wo es für die Verkehrssicherheit wichtig ist. Beispielsweise an Wegen, die durch wuchernde Büsche zu schmal werden. Die Hecken im Stifterpark dagegen dienen nur der Zierde. Dort und an ähnlichen Orten sollen die Arbeiter ihre Scheren nur noch in den Wintermonaten ansetzen.