Frust nach Abschiebung ist groß
Fünf Flüchtlinge aus Schwaben ausgewiesen
Es ist Dienstagmittag, kurz nach zwölf. Susanne BucheleNoone vom Helferkreis Asyl Gersthofen (Landkreis Augsburg) unterhält sich mit einem 28-jährigen Afghanen. Sie sprechen über seine Heimat, die Stadt Gasni, in der vor kurzem mehrere Zivilisten ums Leben kamen. Der junge Mann erzählt ihr, dass er Angst um seine Familie hat. Angst, dass ihr etwas passieren könnte. Was weder er noch die Mitarbeiterin des Helferkreises zu diesem Zeitpunkt wissen: Wenige Stunden später wird er in einem Flugzeug nach Afghanistan sitzen. Als einer von 46 abgeschobenen Asylbewerbern, die von München nach Kabul gebracht werden.
Nur kurz nachdem sich die beiden verabschiedet haben, klingelt Buchele-Noones Telefon. Ein anderer Asylbewerber erzählt ihr, dass der 28-Jährige eben von der Polizei abgeholt wurde. Abends ruft der Mann selbst an. „Susanne, bitte hilf mir“, fleht er. Dass der Mann abgeschoben werden könnte, damit hatte niemand gerechnet. Denn nach Angaben von Buchele-Noone ist seine Klage gegen seinen negativen Asylbescheid noch offen. „Ich finde das ganz tragisch, weil es so willkürlich
25 abgelehnte Asylbewerber lebten in Bayern
ist“, sagt die Flüchtlingshelferin. „Das Verfahren ist offen. Eigentlich müsste Deutschland ihn zurückholen.“Buchele-Noone beschreibt den Mann als höflich und ordentlich. Straffällig sei er ihres Wissens nach nicht gewesen.
Unter den 46 afghanischen Asylbewerbern, die Deutschland am Dienstagabend verlassen mussten, ist auch ein 20 Jahre alter Afghane aus Vöhringen (Landkreis NeuUlm). Nach Angaben einer Sprecherin des Freundeskreises Asyl Vöhringen habe er die Berufsschule besucht und schon sehr gut Deutsch gesprochen. Die Stimmung im Helferkreis ist seit der Abschiebung gedrückt. Gerade bei den Ehrenamtlichen, die afghanische Flüchtlinge betreuen, ist der Frust groß. „Es ist nicht nachvollziehbar, dass auch diejenigen, die sich gut integriert haben, die alles richtig gemacht haben, auch betroffen sind“, sagt Silvia Gugler, eine der Ehrenamtlichen vom Freundeskreis Asyl. Viele Männer hätten furchtbare Angst, abgeschoben zu werden. „Bei vielen rutscht die Motivation jetzt in den Keller. Nachts können viele nicht schlafen, weil sie Angst haben, dass die Polizei sie abholen könnte“, sagt Gugler.
25 der 46 afghanischen Asylbewerber, die von München nach Kabul geflogen wurden, hatten sich zuletzt in Bayern aufgehalten. Fünf von ihnen lebten in Schwaben, und zwar in Augsburg, Gersthofen, Nördlingen, Reimlingen (beides Landkreis Donau-Ries) und Vöhringen.
Die Abschiebungen sind deutschlandweit extrem umstritten, weil sich in Afghanistan der Krieg mit den radikalislamischen Taliban und der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) ausweitet. Erst am Freitag überfielen Taliban die strategisch wichtige ostafghanische Stadt Gasni. Bei den Kämpfen starben laut Verteidigungsministerium bisher rund 100 Sicherheitskräfte, mindestens 30 Zivilisten und 200 Talibankämpfer.