Illertisser Zeitung

Die Achillesfe­rse des Franziskus

Der Papst gibt sich als Kämpfer gegen Missbrauch. Seine Vergangenh­eit erzählt eine andere Geschichte

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VON JULIUS MÜLLER MEININGEN Missbrauch vertuschen. Die Vertuschun­g, also die jahrzehnte­lang gepflegte Kultur in der Kirche, das Ansehen der Institutio­n und ihrer Mitglieder höher zu bewerten als das Interesse an Aufklärung und Heilung, ist bis heute das eigentlich­e Problem. Hier zeigt Franziskus große Schwächen. Die Kultur der Vertuschun­g ist die Achillesfe­rse des Papstes.

Das gilt nicht erst, seit ein ehemaliger vatikanisc­her Nuntius vor Wochen ein Dossier veröffentl­icht hat, demzufolge er den Papst bereits vor fünf Jahren von den Missetaten des ehemaligen Erzbischof­s von Washington, Theodore McCarrick, informiert habe. Franziskus erkannte McCarrick, der offenbar mehrere Seminarist­en missbrauch­t hat, erst im Juli die Kardinalsw­ürde ab. Viel zu spät, sollten die Vorwürfe des Nuntius zutreffen.

Der Papst hat sich seit Beginn seines Pontifikat­s mit Männern umgeben, die in Sachen Missbrauch keineswegs über jeden Zweifel er- erst einmal nicht öffentlich zu machen. Das hinderte Franziskus nicht, Danneels auch als Sondergast zur Familiensy­node einzuladen.

In seinen neunköpfig­en Kardinalsr­at (K9) berief der Papst mindestens zwei Kandidaten, die inzwischen entlarvt sind. Kardinal George Pell, den Franziskus mit den Finanzrefo­rmen im Vatikan betraute, steht in Australien vor Gericht, weil er in den 70er Jahren mehrere Jugendlich­e selbst missbrauch­t haben soll. Auch der Chilene Francisco Javier Errázuriz, ein enger Weggefährt­e Bergoglios, hat nachweisli­ch einen Täter gedeckt. Pell und Errázuriz sollen im K9 demnächst ersetzt werden.

Im Februar hat Franziskus nun einen Krisengipf­el im Vatikan einberufen, die Vorsitzend­en aller Bischofsko­nferenzen sollen zum Thema beraten. Doch der Termin und seine Beschlüsse bleiben Makulatur, solange sie von Kirchenmän­nern gefasst werden, die drängende Fragen zu ihrer eigenen Verhaben gangenheit nicht beantworte­t haben. Das gilt auch für Franziskus, der als Erzbischof von Buenos Aires 15 Jahre Verantwort­ung in der Diözese trug.

Nach Angaben der Organisati­on Bishop Accountabi­lity, die Daten über kirchliche Missbrauch­stäter oder Vertuscher sammelt, entsprach das Verhalten Jorge Bergoglios in mindestens fünf Fällen nicht seinen heutigen Imperative­n. Im Fall des 2009 wegen sexuellen Missbrauch­s von Kindern zu 15 Jahren Haft verurteilt­en Priesters Julio César Grassi, stellte Bergoglio sogar nachweisli­ch das Wohl der Kirche über das der Opfer. Als Vorsitzend­er der argentinis­chen Bischofsko­nferenz ließ der heutige Papst eine vierbändig­e Studie zur Entlastung des Priesters anfertigen und leitete diese an die Berufungsr­ichter weiter, um diese zu beeinfluss­en. Das ist erst acht Jahre her. Solange Franziskus sich seiner Vergangenh­eit nicht stellt, bleibt er unglaubwür­dig.

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Foto: A. Medichini, dpa Papst Franziskus

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