Der nördlichste Viehscheid des Allgäus
Gerhard Fäßler aus Oberschönegg führt seine Rinder von der „Sommerfrische“auf der Weide zurück in den heimischen Stall. Erstmals ist ein Fest geplant
Menschen säumen die Straßen, um einen Blick auf das geschmückte Kranzrind zu erhaschen. Glocken schellen mit jedem Schritt, den das Vieh geht, „Älpler“in kurzen Lederhosen treiben es mit Stecken an. Der Viehscheid ist ein Sinnbild des Allgäus. Doch nicht nur im Ober- oder Ostallgäu findet das Spektakel statt, sondern – was bisher kaum einer weiß – auch in Oberschönegg. Es ist der wahrscheinlich nördlichste Viehscheid des Allgäus. Mit einem Unterschied: Er führt wegen der Lage der Gemeinde den Berg hinauf, statt hinab.
Landwirt und Zweiter Bürgermeister Gerhard Fäßler steckt hinter dieser Veranstaltung. Bereits in den vergangenen Jahren trieb der 47-Jährige sein Jungvieh am Ende des Sommers von der Weide zurück zum Hof, in den heimischen Stall. Zunächst waren nur Familie und Freunde dabei, später habe das Treiben die Aufmerksamkeit weiterer Dorfbewohner erregt. Zuletzt begleiteten sogar Musikanten den Zug.
„Heuer wollen wir das eher größer aufziehen und ein Fest daraus machen. Das soll jetzt erst einmal ein Versuch sein, wie so etwas bei den Leuten ankommt“, sagt Fäßler. Der kleine, aber feine Viehscheid soll am kommenden Sonntag, 23. September, stattfinden – mit Bewirtung, Musik und Hüpfburg für Kinder.
Insgesamt werden zwischen 30 und 40 Rinder aus der sogenannten Sommerfrische auf den Weiden zurückkehren. Die Herden, geführt von „Hirtenbuben“, werden gegen 10.30 Uhr von drei Richtungen aus in Oberschönegg eintreffen: von Babenhausen, von Stolzenhofen sowie vom Pilzenberg kommend. Treffpunkt ist die Kapelle in der Ortsmitte. Jede Herde wird von einem Kranzrind angeführt, das mit Blumen und anderem Grün sowie einer Glocke geschmückt ist. Von der Kapelle aus bewegt sich der Zug weiter zum Bauernhof der Fäßlers an der Hauptstraße. Dort beginnt das Fest.
Dass sich viele über das Vorhaben freuen, beweist die Mithilfe von Freunden und Bekannten im Ort. Schützenverein wird als Veranstalter des Festes auftreten. Die Altschönegger Dorfmusikanten wollen auf ihren Instrumenten spielen. Die Feuerwehr kümmert sich um die Straßensperrung. Ein Bekannter stellt eine Hüpfburg zur Verfügung. Außerdem erzählt Fäßlers Frau Jutta, dass Dorffrauen den Blumenschmuck „kranzen“und Kuchen backen. Das Ehepaar freut sich über diese Resonanz: „Das ist schon schön“, sagt die 46-Jährige.
Doch nicht nur um die Geselligkeit geht es Gerhard Fäßler bei seinem Viehscheid. Er will auch All- gäuer Traditionen bewahren. „Bei uns in der Gegend stirbt die Weidehaltung ja eher aus“, sagt er. „Für mich gehören die Tiere aber noch eine Periode lang raus.“Und so grast sein Jungvieh ungefähr von Mai bis Oktober auf Wiesen. „Die Tiere sind ganz anders, wenn sie auf der Weide gewesen sind – irgendwie zugänglicher“, sagt der Landwirt. Ein weiterer Vorteil: Die Wiesen befänden sich auf einem Gelände, das er nicht mit Maschinen bearbeiten kann. Die Tiere übernehmen quasi das Mähen.
Einzelne Kühe tragen auch SchelDer len auf der Weide. Ein Grund ist laut Fäßler, dass sie dadurch schneller gefunden werden, sollten sie einmal „bei Nacht und Nebel“ausbüxen. Andererseits ist er der Meinung: „Wir sind noch im Allgäu, da ist das doch typisch.“Fast jeder Oberschönegger finde das Geläut schön. Jene Glocken, die Fäßler den Tieren beim Viehscheid anschnallt, stammen noch von seinem Großvater.
Und einen weiteren Nutzen soll die Veranstaltung haben: Der Erlös soll dem geplanten Bau eines „Hauses der Vereine“zugutekommen.