Tesla wertvoller als Volkswagen
Börse Die Wall Street taxiert den Autobauer auf 100 Milliarden Dollar. VW-Chef Diess sagt: „Die Zeit klassischer Autohersteller ist vorbei“
New York Es ist eine Wette auf die Zukunft des Autos: Am Mittwoch knackte der Elektroautobauer Tesla an der Wall Street die Marke von 100 Milliarden US-Dollar – und zog damit im Hinblick auf den Börsenwert am weltgrößten Autohersteller Volkswagen vorbei. Schon seit Anfang des Jahres ist Tesla mehr wert als die beiden US-Branchenriesen General Motors und Ford zusammen. So eindrucksvoll dies auf den ersten Blick sein mag: Die Börsenbewertung ist oft stark von der wirtschaftlichen Lage einer Firma entkoppelt.
Branchenbeobachter Frank Schwope betont, dass der starke Tesla-Kurs eine Momentaufnahme sei. „100 Milliarden sind schon eine starke Hausnummer“, räumt der Analyst der NordLB ein. Aber Tesla war bisher über weite Strecken unprofitabel, die kostspielige Einführung neuer Modelle riss Löcher in die Bilanz. Im dritten Quartal 2019 machte Tesla zwar Gewinn. Mit Blick auf die Schwierigkeiten, die Tesla in der Produktion für den
Massenmarkt habe, sei der zwischenzeitliche Börsenwert „wohl etwas überzogen“, so Schwope.
Wertvollster Autobauer an der Börse ist Toyota mit mehr als 200 Milliarden Dollar. Allerdings kann die Forderung nach Augenmaß auch in umgekehrter Richtung greifen: Nur weil Tesla noch nicht dauerhaft ertragreich ist und in Teilen von einem Finanzmarkt-Hype getragen wird, bedeutet das nicht, dass Konkurrenten die Amerikaner auf die leichte Schulter nehmen dürfen.
VW-Chef Herbert Diess hat Musk mehrfach Respekt gezollt. Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos sagte er: „Wir glauben, dass Tesla eine sehr wichtige Rolle im Wandel der Autoindustrie spielt, weil sie ein Wegbereiter sind.“Kürzlich redete Diess auch seinen Managern ins Gewissen. Mitte Januar sagte er vor Führungskräften: „Der Sturm geht jetzt erst los. Die Zeit klassischer Automobilhersteller ist vorbei.“Auch VW soll zu einem „digitalen Tech-Konzern“geformt werden.
Im vergangenen Jahr konnte Tesla die Auslieferungen um 50 Prozent auf 367500 Fahrzeuge steigern. Mit der geplanten Fabrik bei Berlin rückt Tesla den deutschen Platzhirschen in deren Heimat auf die Pelle. Musk kann auch persönlich vom hohen Kurs profitieren. Hält sich der Börsenwert sechs Monate lang über der Marke von 100 Milliarden Dollar, kann er auf eine mehr als 300 Millionen Dollar schwere Tranche aus seinem Vergütungs-Fahrplan hoffen. Jan Petermann, dpa