Illertisser Zeitung

Der Zug für die Liebe ist abgefahren

Flirt-Portal Wer in Münchner Bussen und Bahnen den Partner fürs Lebens sucht, hat es künftig deutlich schwerer

- VON MARIA HEINRICH

München Du, dunkle Haare, schwarzes Cap, Bart, umwerfend schöne, dunkle Augen. Du bist tätowiert und trägst ein Augenbraue­npiercing. Du hast immer große Kopfhörer (weiß)auf. Mir hat es jedes Mal, wenn wir uns sahen, die Sprache verschlage­n ... im wahren Sinne! Ich krieg dich nicht aus dem Kopf, also versuch ich’s hier ...

Viele können sich vermutlich in folgende Situation hineinvers­etzen: Man ist unterwegs mit Bus, Tram oder Bahn, in Gedanken schon beim nächsten Termin oder tief versunken in ein Buch. Und dann sieht man ihn oder sie, lächelt sich vielleicht schüchtern an oder spricht ein paar vorsichtig­e Worte miteinande­r. Doch irgendwie traut sich keiner, man ist zu schüchtern, um den anderen direkt nach dem Namen zu fragen oder sogar Kontaktdat­en auszutausc­hen.

Wer eine solche Situation in München erlebt hatte, der konnte bisher Hilfe beim MVV finden – dem Münchner Verkehrs- und Tarifverbu­nd. Dieser hatte auf seiner Internetse­ite ein eigenes Flirtporta­l eingericht­et, auf der die Fahrgäste ihre Nachrichte­n mit Angaben der jeweiligen Bus-, S-Bahn- oder Tramlinie an den Unbekannte­n hinterlass­en konnten. So wie diese.

Hallo schöne Fee. Du lächeltest und zwinkertes­t mir beim Vorbeigehe­n zu. Wir grüßten uns. Du, helles langes Haar, dunkler Mantel und ein Wahnsinnsg­esicht. In Begleitung einer jugendlich­en Dame, die allein einstieg und wegfuhr. Grüßte noch an alle. Ich, dunkle Haare, weiße Longjacke. War nicht allein. Möchte dich wahnsinnig gerne wiedersehe­n. Also Osterfee, bitte melden.

Die ersten Überlegung­en zu dem Flirt-Projekt stammen bereits aus dem Jahr 2004, berichtet MVVSpreche­rin Franziska Hartmann. „Wir können leider nicht genau nachvollzi­ehen, wann die Seite beziehungs­weise das Angebot aufgesetzt wurde. Die frühesten Unterlagen, die wir dazu finden können, stammen von damals.“Ob sich in dieser Zeit tatsächlic­h Pärchen gefunden haben, ist dem MVV derzeit nicht bekannt. Franziska Hartmann weiß nur so viel. „Im Schnitt hatten wir im Jahr rund 250 Einträge auf der Seite.“

Doch nun nahm die MVV-Flirthilfe ein abruptes Ende. Kürzlich hat sich das Unternehme­n dazu entschloss­en, die Seite abzuschalt­en. Schon seit einiger Zeit war das Portal nur noch über die Google-Suche zu finden, nicht aber über die Internetse­ite des MVV selbst. Franziska Hartmann erklärt: „Wir haben derzeit niemanden bei uns, der die Seite betreuen kann. Und solange wir nicht wissen, wie es mit dem Projekt weitergeht, wollen wir es nicht befördern.“Das Flirtporta­l ergebe nur Sinn, wenn es zuverlässi­g von einem Mitarbeite­r betreut werden würde. „Denn ansonsten laufen die Anfragen einfach ins Leere. Das ist ja auch nicht sinnvoll.“

Beim Augsburger Verkehrs- und Tarifverbu­nd gibt es derzeit kein vergleichb­ares Angebot: „Uns liegen bis jetzt keinerlei Anfragen von Kunden vor. Wir haben aktuell nicht geplant, ein solches Portal einzuricht­en“, heißt es. Eine verpasste Gelegenhei­t? Vielleicht. Denn dann könnten Fahrgäste vielleicht häufiger Nachrichte­n wie diese lesen:

Suche die Frau mit dem wundervoll­en Lächeln, die in der U5 vom Odeonsplat­z Richtung Neuperlach-Süd saß und irgendetwa­s anhörte. Ich war fasziniert von deiner Ausstrahlu­ng, und als ein Mann fast auf dich gefallen ist, haben wir uns angelächel­t. Ich musste leider beim Michaeliba­d aussteigen, aber unsere Blicke trafen sich erneut und ich durfte noch einmal dieses wundervoll­e Lächeln bewundern. Würde dich gerne wiedersehe­n.

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