Als „Tutti Frutti“die Nation und mich erschütterte
TV-Geschichte Härrrlisch! Hätte Horst Schlämmer, stellvertretender Chefredakteur des Grevenbroicher Tagblatts, gesagt und sich auf die Schenkel geklopft. Das Hape-Kerkeling-Geschöpf hätte „Kirsche!“oder „Erdbeere!“gegrölt. Hätte seinen Spaß gehabt.
Ganz wie die „realen“Zuschauer, als der noch junge Privatsender RTL plus 1990 das Cin-Cin-Ballett in
„Tutti Frutti“antanzen und sich ausziehen ließ. Jede Tänzerin ein Früchtchen – wie man sich 1990 eben Erotik im Fernsehen vorstellte. Dank „Tutti Frutti“bekam TV-Deutschland nackte Brüste zu sehen!
Wobei die Freude über die Halbnackten, deren Brustwarzen mehr oder minder von Glitzer-Aufklebern bedeckt waren, damals nicht schlämmermäßig schenkelklopfend daherkam. Zumindest erinnere ich mich daran, dass meine Eltern und ihre Freunde vor 30 Jahren – die erste Ausgabe der (w)irren Stripshow lief am 21. Januar 1990 – eher verschämt bis belustigt darüber sprachen. Ich lauschte ihnen als kleiner Junge ebenso verschämt wie heimlich, schnappte irgendwas von Erdbeere und Länderpunkten auf und ahnte: Hier muss Großes geschehen.
Später sah ich dann, heimlich, was es mit den Südfrüchten auf sich hatte. Ich sah nackte Brüste und einen Hugo Egon Balder, stets im schwarzen Anzug, an einem weißen Flügel – und war verwirrt. Manches sollten kleine Jungs einfach nicht sehen. Jedenfalls ahnte ich nun, warum „Tutti Frutti“von offensichtlich nicht gerade wenigen als ein riesiger TV-Skandal empfunden wurde. (Wer Freude am Cin-Cin-Ballett hatte, gab das ja öffentlich nicht zu.) Mich beschäftigte gleichwohl mehr die Frage, was es mit diesen Länderpunkten auf sich habe. Wer mir die „Spielregeln“erklären kann, melde sich gerne bei mir ...
Für RTL plus jedenfalls war „Tutti Frutti“negativimageprägend. Den Ruf als Schmuddelsender hat RTL nie ablegen können. „Tutti Frutti“– nach dem Vorbild der italienischen Show „Colpo Grosso“– bot eine Ahnung vom Fernsehen der Zukunft. 1993 wurde das Format eingestellt. Aus heutiger Sicht war es eine völlig harmlose Show, ein anarchischer Spaß aus der Sturmund-Drang-Zeit des deutschen Privatfernsehens. (Oder war die Show tatsächlich frauenfeindlich?) Heute – wo den Nackten in Fernsehen und Internet nicht zu entkommen ist – würde „Tutti Frutti“vermutlich im Vorabendprogramm gesendet.