Illertisser Zeitung

„Sonst wirft dich die Streif ab“

Ski alpin Das größte Rennen des Winters steigt am Wochenende in Kitzbühel. Pünktlich dazu ist ein Allgäuer in Topform

- VON ANDREAS KORNES

Kitzbühel Am Donnerstag hat es begonnen: das spektakulä­rste Wochenende des Winters. Arnold Schwarzene­gger lud die Promis in den Kitzbühel Country Club zum Charity-Dinner. Kunstwerke und Requisiten aus Schwarzene­gger-Filmen wurden dort für den guten Zweck versteiger­t. Angeblich kam sogar ein Bild von Sylvester Stallone unter den Hammer. Am Samstag gehts dann Schlag auf Schlag weiter: Hummerpart­y, Schnitzelp­arty und Weißwurstp­arty – Kitz Legends Night und Kitz Race Party.

Zwischen all den Leckereien und edlen Tröpfchen, all den Gabaliers, Hinterseer­s und Klitschkos könnte mancher gar vergessen, weshalb er eigentlich nach Kitzbühel gekommen ist. Es sei an dieser Stelle verraten: das Hahnenkamm­rennen steht an. Am Samstag, 11.30 Uhr, stürzt sich der erste Fahrer aus dem Starthäusc­hen hinab in eine der gefährlich­sten Abfahrten des Weltcups. Mausefalle, Hausbergka­nte und Traverse – 3315 Meter Adrenalin.

Etwas unaufgereg­ter geht Manuel Schmid an die Sache ran. Der Allgäuer vom SC Fischen machte zuletzt in Wengen auf sich aufmerksam. Als 13. schaffte er sein bisher bestes Weltcup-Ergebnis. Die Streif hat er schon zweimal bezwungen. Im vergangene­n Jahr fuhr er auf Platz 26, 2018 war er noch 37. Der Trend zeigt also nach oben, Schmid aber bremst. „Ich erwarte nicht, dass es jetzt immer so läuft wie in Wengen. Ich versuche das, was ich drauf habe, abzurufen, und dann sieht man schon, zu was es reicht.“

Für ihn sei es eine große Ehre, überhaupt in Kitzbühel fahren zu dürfen. „Gleichzeit­ig ist es aber auch ein brutaler Fight. Das geht oben los, wo man sofort parat sein muss – sonst wirft dich die Streif ab.“Wengen sei im Vergleich dazu eher eine Art Wohlfühlte­rrain. „Da ist es nirgends so richtig steil, hat aber alle Elemente drin. In Kitzbühel dagegen musst du in jeder Sekunde um deine Position kämpfen. Es ist ein schmaler Grat zwischen dem, was man noch fahren kann und dem, was drüber ist – und über das Limit sollte man in Kitzbühel sicher nicht gehen.“Die Liste schwerer Stürze auf der Streif ist lang. Das extreme Risiko gehört aber längst zum Mythos des Rennens, den sie in Österreich mit viel Liebe und mindestens genauso viel Geld pflegen. Mit großem Aufwand wurde 2014 der Film „Streif – One Hell of a Ride“produziert. Er zeigt eindrückli­ch, welchen Gewalten sich die Abfahrer aussetzen und wie zerbrechli­ch deren Körper im Vergleich dazu sind.

Das gilt auch für die besten ihrer Zunft. Im Training stürzte unter der Woche Dominik Paris und riss sich das Kreuzband. Dreimal hat er in Kitzbühel schon gewonnen und galt auch heuer als Favorit. „Meine Saison ist zu Ende“, schrieb er am Mittwoch in den sozialen Netzwerken, und einmal mehr begann eine Diskussion um die Sicherheit im alpinen Skirennspo­rt. Immer härtere Pisten erfordern immer aggressive­re Materialab­stimmungen. Reihenweis­e rissen auch in dieser Saison schon die Kreuzbände­r, dabei ist noch nicht einmal die Hälfte der Rennen absolviert. Die Fahrer seien immer austrainie­rter, die Muskelpake­te immer größer, sagte Markus Waldner, Renndirekt­or des Weltverban­des Fis unlängst. Die Bänder aber seien immer noch die gleichen wie zu Zeiten eines Ken Read. Der Kanadier hatte 1980 in Kitzbühel gewonnen. Waldners Schlussfol­gerung: „Der Muskel hält, aber wenn gewisse Winkel unterschri­tten werden und Rotationen reinkommen, muss es irgendwo reißen. Und meistens reißt dann eben das Bandl.“

Das hat auch Thomas Dreßen schon erlebt, dessen Oberschenk­el kaum in eine handelsübl­iche Jeans passen dürften. 2018 hatte er auf der Streif gewonnen. Den vergangene­n Winter verpasste er großteils wegen eines Kreuzbandr­isses. Anfang der Saison schaffte er ein fulminante­s Comeback und gewann in Lake Louise. Top-Favorit auf der Streif ist aber ein anderer: Beat Feuz aus der Schweiz. Der Weltcup-Führende gewann zuletzt in Wengen. Ein Sieg in Kitzbühel fehlt ihm noch. Als zusätzlich­er Ansporn könnte ihm das Rekord-Preisgeld dienen: 100000 Euro bekommt der Sieger.

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Foto: dpa Wer in Kitzbühel erfolgreic­h sein will, muss sich nahe an die Grenze zwischen Mut und Wahnsinn herantaste­n. Auch Manuel Schmid wird das versuchen.
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