Von Comic-Helden und wucherndem Dschungel
Rundgang Kunst kann schwarz-weiß sein oder so bunt wie die Natur – und manchmal zeigt sie sich in Gestalt eines golden glänzenden Lucky Luke. Ein Streifzug durch Ulms Galerien und Ausstellungen
Ulm Manchmal muss man die Augen weit offen halten, sonst entgeht einem die Kunst entlang der Straßen. Bei einem Spaziergang durch Ulm könnte man so auch beinahe übersehen, wie die Kunst einem plötzlich direkt entgegenblickt – aus einem Schaufenster heraus, mit großen Hundeaugen.
Künstlergilde Ulm Porträts von bunten Hunden und auch Kühen, manche dekoriert mit Blütenkränzen, hängen in den Schaufenstern der Künstlergilde Ulm. Es sind Charakterstudien mit Dackelblick – egal um welche Hunderasse es sich handelt. Die Malerin Sabine Brandenburg lebt in Ehingen, seit 2014 widmet sie sich der Malerei. Auch einen weiblichen Akt sowie ein Frauenporträt mit intensivem Blick stellt Brandenburg im Schaufenster des Künstlervereins aus. Diese Malereien hält sie in schwarzer und bläulich-grauer Nachtstimmung. Ein Dutzend ihrer Bilder lassen sich im Schaufenster der Künstlergilde betrachten – dann führt der Weg zur nächsten Kunststätte bis in den Windschatten des grauen Ulmer Münsters. Hinein geht es in ein rotes, altehrwürdiges Haus und in einen Saal, in dem bunte, schillernde, schlichtweg poppige Kunst von den Wänden strahlt.
Kunstverein Ulm Heiner Meyer hat sich mit „Superheroes“den Helden seiner Kindheit gewidmet – und diese sind allesamt gezeichnet, gemalt und aus dem Fernsehen bekannt. Comic-Figuren sind seine Helden. Jeder kennt diese Figuren: Eine kleine Bilderserie reiht Spiderman neben Fix und Fox auf, dicht bei Homer Simpson und Lucky Luke. Doch Meyers Kunst will mehr sein als reiner Kitsch oder die ästhetische Verfeinerung des Lustigen Taschenbuchs. „Diese Bilder wecken Erinnerungen, aus denen sich der Betrachter seine eigene Geschichte konstruieren kann. Genau darin liegt der Witz“, erklärt Marion KlempHöpfner, die Vorsitzende des Kunstvereins.
Meyer, 1953 in Braunschweig geboren, gehört der zweiten Generation Pop Art an. Gekonnt klaut er Elemente seiner Vorbilder und verwendet sie nach eigenem Geschmack und Stil. Die Pünktchen-Elemente stiehlt er von Roy Lichtenstein und Andy Warhols legendäre Suppendosen versteckt er im Hintergrund seiner Wimmelbilder. Was er sonst darin vermengt: Markenlogos, Pin-ups der 60er-Jahre, Bugs Bunny, die Schauspielerin Audrey Hepburn. Jedes größere Bild ist ein Panorama dieser Zeit, in der Popkultur entstand, ein ironisches Bild ihres Konsums und ihrer Ikonen. Höpfner erklärt: „Meyer ist einer der wichtigsten
Vertreter der deutschen Pop Art – vor allem, weil er im Gegensatz zu den Amerikanern Geschichten erzählt.“Meyer kannte Rauschenberg. Er war aber auch mehrere Jahre in Spanien Assistent von Salvador Dali. Und ähnlich wie der spanische Meister mit dem Spitzbart, formt Meyer auch Skulpturen. Eine Minnie Maus posiert auf einem Podest, eine Bronze, die – aufgehübscht durch eine Legierung – silbern strahlt, während Mickey Maus den Zeigefinger zum Himmel streckt.
In den Räumen von Höpfners Verein, der schon seit 1887 besteht, ist die Ausstellung „Superheroes“noch bis zum 8. März zu besichtigen. Doch nun geht es raus aus der Comicwelt und hin zur Donau über plätschernde Kanäle, in eine Ausstellung, in der die Natur in die Kultur einbricht.
Galerie Tobias Schrade Marina Sailer malt traumartige Szenen. Säulenhallen, Bibliotheken und Ballsäle lässt sie auf ihren Öl- und Aquarellbildern von Wasser fluten. Orte der Kultur und Struktur werden überwuchert von prächtigen Farben und Pflanzen. Der Dschungel erobert sich die Menschenwelt, Kolibris und Tauben flattern durch die Szene. Fast schon kühl und in Gedanken versunken wirken dagegen Silvia Siemes’ Skulpturen, die den Raum zwischen den Bildern einnehmen. „Siemes’ Figuren wirken auf mich sehr beseelt“, sagt Martina Strilic, die Leiterin der Galerie Tobias Schrade. Diese Menschenskulpturen aus Terrakotta knien oder sitzen auf dem Boden, sie winkeln dabei ihre Arme und Beine an. Manche Figuren warten in der Hocke auf irgendetwas oder irgendjemand und ihre Hand scheint sachte über die eigene Stirn zu streifen. Eine Denkergruppe aus Keramik. „Bleiben, warten“– so heißt die Skulpturen-Reihe der Künstlerin, die schon zum fünften Mal gemeinsam mit Marina Sailer ausstellt. Aber weiter geht es nun in wenigen Schritten zur nächsten Galerie im Fischerviertel. Dort zeigt sich, dass die Farbe Weiß nicht gleich Weiß ist und Schwarz nicht eintönig, form- oder strukturlos.
BeGe-Galerie „Wir hatten sie schon alle hier, die großen Künstler. Niki zum Beispiel“, sagt Bernd Geserick, der Chef und Namensgeber der BeGe-Galerie, und meint damit die Französin Niki de Saint Phalle. Deren pralle, bunte Nana-Figuren sucht man bei Geserick aber vergeblich. „Schwarzweiß-Weißschwarz“heißt das Thema seiner neuen Ausstellung. Einer Arbeit aus Teer von
Bernar Venet zeigt den Reiz des Dunklen: Drei Schritte Distanz zum Bild und der Betrachter sieht ein schwarzes Rechteck. Zwei Schritte nach vorne und Strukturen werden sichtbar. Das Dunkel durchziehen feine Risse und Strukturen. Plastisch erscheint das Schwarz-Weiß-Thema in Thomas Röthels Skulpturen: Stahlstücke erhitzt er auf bis zu 1000 Grad und formt dann die schwarzen Klötze. Jedes Werk sei eine Einzelanfertigung, ein Original, sagt Geserick. Auf einem Tisch liegt auch ein dicker Bildband von Helmut Newton mit Schwarz-Weiß-Fotografien. So ein Buch im Original koste inzwischen tausende Euro, sagt Geserick.
Der Galerist bestückt seit etwa 35 Jahren diese Räume in Ulm mit Kunst. Sein nächstes Ziel: die Art Karlsruhe. Die Kunst aus Ulm soll auch dort gesehen werden.