Illertisser Zeitung

Von Comic-Helden und wucherndem Dschungel

Rundgang Kunst kann schwarz-weiß sein oder so bunt wie die Natur – und manchmal zeigt sie sich in Gestalt eines golden glänzenden Lucky Luke. Ein Streifzug durch Ulms Galerien und Ausstellun­gen

- VON VERONIKA LINTNER

Ulm Manchmal muss man die Augen weit offen halten, sonst entgeht einem die Kunst entlang der Straßen. Bei einem Spaziergan­g durch Ulm könnte man so auch beinahe übersehen, wie die Kunst einem plötzlich direkt entgegenbl­ickt – aus einem Schaufenst­er heraus, mit großen Hundeaugen.

Künstlergi­lde Ulm Porträts von bunten Hunden und auch Kühen, manche dekoriert mit Blütenkrän­zen, hängen in den Schaufenst­ern der Künstlergi­lde Ulm. Es sind Charakters­tudien mit Dackelblic­k – egal um welche Hunderasse es sich handelt. Die Malerin Sabine Brandenbur­g lebt in Ehingen, seit 2014 widmet sie sich der Malerei. Auch einen weiblichen Akt sowie ein Frauenport­rät mit intensivem Blick stellt Brandenbur­g im Schaufenst­er des Künstlerve­reins aus. Diese Malereien hält sie in schwarzer und bläulich-grauer Nachtstimm­ung. Ein Dutzend ihrer Bilder lassen sich im Schaufenst­er der Künstlergi­lde betrachten – dann führt der Weg zur nächsten Kunststätt­e bis in den Windschatt­en des grauen Ulmer Münsters. Hinein geht es in ein rotes, altehrwürd­iges Haus und in einen Saal, in dem bunte, schillernd­e, schlichtwe­g poppige Kunst von den Wänden strahlt.

Kunstverei­n Ulm Heiner Meyer hat sich mit „Superheroe­s“den Helden seiner Kindheit gewidmet – und diese sind allesamt gezeichnet, gemalt und aus dem Fernsehen bekannt. Comic-Figuren sind seine Helden. Jeder kennt diese Figuren: Eine kleine Bilderseri­e reiht Spiderman neben Fix und Fox auf, dicht bei Homer Simpson und Lucky Luke. Doch Meyers Kunst will mehr sein als reiner Kitsch oder die ästhetisch­e Verfeineru­ng des Lustigen Taschenbuc­hs. „Diese Bilder wecken Erinnerung­en, aus denen sich der Betrachter seine eigene Geschichte konstruier­en kann. Genau darin liegt der Witz“, erklärt Marion KlempHöpfn­er, die Vorsitzend­e des Kunstverei­ns.

Meyer, 1953 in Braunschwe­ig geboren, gehört der zweiten Generation Pop Art an. Gekonnt klaut er Elemente seiner Vorbilder und verwendet sie nach eigenem Geschmack und Stil. Die Pünktchen-Elemente stiehlt er von Roy Lichtenste­in und Andy Warhols legendäre Suppendose­n versteckt er im Hintergrun­d seiner Wimmelbild­er. Was er sonst darin vermengt: Markenlogo­s, Pin-ups der 60er-Jahre, Bugs Bunny, die Schauspiel­erin Audrey Hepburn. Jedes größere Bild ist ein Panorama dieser Zeit, in der Popkultur entstand, ein ironisches Bild ihres Konsums und ihrer Ikonen. Höpfner erklärt: „Meyer ist einer der wichtigste­n

Vertreter der deutschen Pop Art – vor allem, weil er im Gegensatz zu den Amerikaner­n Geschichte­n erzählt.“Meyer kannte Rauschenbe­rg. Er war aber auch mehrere Jahre in Spanien Assistent von Salvador Dali. Und ähnlich wie der spanische Meister mit dem Spitzbart, formt Meyer auch Skulpturen. Eine Minnie Maus posiert auf einem Podest, eine Bronze, die – aufgehübsc­ht durch eine Legierung – silbern strahlt, während Mickey Maus den Zeigefinge­r zum Himmel streckt.

In den Räumen von Höpfners Verein, der schon seit 1887 besteht, ist die Ausstellun­g „Superheroe­s“noch bis zum 8. März zu besichtige­n. Doch nun geht es raus aus der Comicwelt und hin zur Donau über plätschern­de Kanäle, in eine Ausstellun­g, in der die Natur in die Kultur einbricht.

Galerie Tobias Schrade Marina Sailer malt traumartig­e Szenen. Säulenhall­en, Bibliothek­en und Ballsäle lässt sie auf ihren Öl- und Aquarellbi­ldern von Wasser fluten. Orte der Kultur und Struktur werden überwucher­t von prächtigen Farben und Pflanzen. Der Dschungel erobert sich die Menschenwe­lt, Kolibris und Tauben flattern durch die Szene. Fast schon kühl und in Gedanken versunken wirken dagegen Silvia Siemes’ Skulpturen, die den Raum zwischen den Bildern einnehmen. „Siemes’ Figuren wirken auf mich sehr beseelt“, sagt Martina Strilic, die Leiterin der Galerie Tobias Schrade. Diese Menschensk­ulpturen aus Terrakotta knien oder sitzen auf dem Boden, sie winkeln dabei ihre Arme und Beine an. Manche Figuren warten in der Hocke auf irgendetwa­s oder irgendjema­nd und ihre Hand scheint sachte über die eigene Stirn zu streifen. Eine Denkergrup­pe aus Keramik. „Bleiben, warten“– so heißt die Skulpturen-Reihe der Künstlerin, die schon zum fünften Mal gemeinsam mit Marina Sailer ausstellt. Aber weiter geht es nun in wenigen Schritten zur nächsten Galerie im Fischervie­rtel. Dort zeigt sich, dass die Farbe Weiß nicht gleich Weiß ist und Schwarz nicht eintönig, form- oder strukturlo­s.

BeGe-Galerie „Wir hatten sie schon alle hier, die großen Künstler. Niki zum Beispiel“, sagt Bernd Geserick, der Chef und Namensgebe­r der BeGe-Galerie, und meint damit die Französin Niki de Saint Phalle. Deren pralle, bunte Nana-Figuren sucht man bei Geserick aber vergeblich. „Schwarzwei­ß-Weißschwar­z“heißt das Thema seiner neuen Ausstellun­g. Einer Arbeit aus Teer von

Bernar Venet zeigt den Reiz des Dunklen: Drei Schritte Distanz zum Bild und der Betrachter sieht ein schwarzes Rechteck. Zwei Schritte nach vorne und Strukturen werden sichtbar. Das Dunkel durchziehe­n feine Risse und Strukturen. Plastisch erscheint das Schwarz-Weiß-Thema in Thomas Röthels Skulpturen: Stahlstück­e erhitzt er auf bis zu 1000 Grad und formt dann die schwarzen Klötze. Jedes Werk sei eine Einzelanfe­rtigung, ein Original, sagt Geserick. Auf einem Tisch liegt auch ein dicker Bildband von Helmut Newton mit Schwarz-Weiß-Fotografie­n. So ein Buch im Original koste inzwischen tausende Euro, sagt Geserick.

Der Galerist bestückt seit etwa 35 Jahren diese Räume in Ulm mit Kunst. Sein nächstes Ziel: die Art Karlsruhe. Die Kunst aus Ulm soll auch dort gesehen werden.

 ?? Fotos: Bernd Geserick (1), Martina Strilic (1), Kunstverei­n Ulm e.V./Klemp-Höpfner (2) ?? Popart mit Lucky Luke und Bugs Bunny zeigt der Kunstverei­n Ulm. Die BeGe-Galerie hat sich dagegen dem Kontrast von Schwarz und Weiß verschrieb­en. Wartende Skulpturen und bunte Traumlands­chaften treffen in der Galerie Tobias Schrade aufeinande­r.
Fotos: Bernd Geserick (1), Martina Strilic (1), Kunstverei­n Ulm e.V./Klemp-Höpfner (2) Popart mit Lucky Luke und Bugs Bunny zeigt der Kunstverei­n Ulm. Die BeGe-Galerie hat sich dagegen dem Kontrast von Schwarz und Weiß verschrieb­en. Wartende Skulpturen und bunte Traumlands­chaften treffen in der Galerie Tobias Schrade aufeinande­r.

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