Erntehelfer dringend gesucht
Versorgung Die Anreise vieler Saisonarbeiter war längst geplant und organisiert, da durchkreuzen Ausgangsbeschränkungen alle Pläne. Die Landwirte erleben in dieser Zeit dennoch viel Hilfsbereitschaft
Landkreis Die Sonne scheint auf die Gewächstunnel der Erdbeeren, die Pflanzen beginnen schon zu blühen. Für den Obstbauer Johannes Gutmann aus Nersingen lief die diesjährige Saison bisher gut an, wie er sagt. Auch Anreise und Unterkunft der Erntehelfer aus Rumänien seien schon organisiert gewesen. Schließlich sind die ersten Früchte bereits Ende April zur Ernte bereit. Doch dann brachte die Corona-Krise auch für die Saisonarbeiter die verhängnisvollen Reisebeschränkungen mit sich. „Wir haben noch gehofft, dass es für Erntehelfer eine Ausnahme gibt“, sagt Gutmann. Doch vor wenigen Tagen kam die amtliche Bestätigung, dass selbst für Erntehelfer ein Reiseverbot gelte. Auch sei die Angst und Ungewissheit der Menschen in Osteuropa gegenüber den Zuständen in Deutschland zu spüren, erzählt Gutmann, der mit seinen Mitarbeitern auch jetzt in Kontakt steht: „Viele Leute dort glauben, dass es hier massenhafte Todesfälle gibt.“Jetzt blickt der Landwirt in eine ungewisse Zukunft. Schließlich müssen die Beeren in Handarbeit geerntet werden.
Die Arbeit auf den Plantagen erfordere Erfahrung und Gespür, das sich die bewährten Helfer über viele Jahre angeeignet hätten, erklärt der Landwirt. Umso größer ist die Freude auf dem Gutmannhof, dass in diesen schweren Zeiten die Familie und zahlreiche Freunde zusammenhalten und Hilfe anbieten. Auch über die sozialen Netzwerke hat sich Gutmann an Menschen gewandt, die derzeit Arbeit suchen: „Wir freuen uns über jeden Anruf.“Wer helfen will, findet den Kontakt auf Gutmanns Website.
Eigentlich hatte auch der Langenauer Spargelbauer Christian Häge für die diesjährige Ernte schon auf Krisenmodus geschalten. Während Betrieb auf die Mitarbeit der Erntehelfer aus Osteuropa dringend angewiesen ist, sorgten die Meldungen über geschlossene Landesgrenzen für immer mehr Beunruhigung auf dem Biohof. Doch kam die vorläufige Wende durch die Internetplattform des Maschinenrings, der sich an hilfsbereite Menschen wendet. Seitdem steht das Telefon auf dem Spargelhof fast nicht mehr still, wie Häge sagt. „Bald im halbstündlichen Takt rufen Leute bei mir an, die auf dem Feld mit anpacken wollen.“Die Hilfsbereitschaft und der Zusammenarbeit aus der Bevölkerung hätte er unterschätzt, wie er einräumt. Bei aller Freude bleibt der Landwirt gleichzeitig realistisch: Wer dann tatsächlich zur Ernte ersein scheint, wird sich noch herausstellen“, sagt er. Schließlich ist die Arbeit auf dem Spargelfeld körperlich sehr anstrengend: „Die gebückte Haltung ist für die meisten Menschen ungewohnt und verursacht besonders in den ersten Arbeitstagen ziemliche Schmerzen.“
Doch auch wenn die anfängliche Welle der Hilfsbereitschaft abebben sollte, bleibt Häge gelassen: „Dann bewirtschaften wir nur die Hälfte des Ackers.“Der nicht geerntete Spargel würde in diesem Fall Ende April oder Anfang Mai austreiben und blühen, wie es sonst erst nach der Ernte im Juni der Fall ist. Derweil
Angst und Ungewissheit bei den Menschen in Osteuropa
bleibt der Absatz an die Gastronomie ein unsicherer Faktor in der Kalkulation der Landwirte: Gut die Hälfte der Ernte geht an Restaurants und Kantinen.
Die kalten Temperaturen, die derzeit herrschen, verschaffen den Landwirten etwas Luft. Erst wenn der Boden warm wird, wächst das Gemüse zur Erntereife heran. Gelassen bleibt Häge auch deshalb, weil die Nachfrage nach heimischen Kartoffeln im Moment spürbar steigt. „Ich habe das Gefühl, dass in schweren Zeiten die Kunden wieder den Wert der heimischen Landwirtschaft entdecken und dementsprechend einkaufen“, sagt er. Sowohl für Häge als auch für seinen Kollegen, den Obstbauern Gutmann, ist der Familienbetrieb doch viel mehr als nur eine Einnahmequelle. „Wir stecken viel Herzblut in unsere Arbeit, die wir jetzt nicht aufgeben wollen“, sagt Gutmann.
Der Familienbetrieb ist mehr als nur eine Einnahmequelle