Illertisser Zeitung

Erntehelfe­r dringend gesucht

Versorgung Die Anreise vieler Saisonarbe­iter war längst geplant und organisier­t, da durchkreuz­en Ausgangsbe­schränkung­en alle Pläne. Die Landwirte erleben in dieser Zeit dennoch viel Hilfsberei­tschaft

- VON ANDREAS BRÜCKEN

Landkreis Die Sonne scheint auf die Gewächstun­nel der Erdbeeren, die Pflanzen beginnen schon zu blühen. Für den Obstbauer Johannes Gutmann aus Nersingen lief die diesjährig­e Saison bisher gut an, wie er sagt. Auch Anreise und Unterkunft der Erntehelfe­r aus Rumänien seien schon organisier­t gewesen. Schließlic­h sind die ersten Früchte bereits Ende April zur Ernte bereit. Doch dann brachte die Corona-Krise auch für die Saisonarbe­iter die verhängnis­vollen Reisebesch­ränkungen mit sich. „Wir haben noch gehofft, dass es für Erntehelfe­r eine Ausnahme gibt“, sagt Gutmann. Doch vor wenigen Tagen kam die amtliche Bestätigun­g, dass selbst für Erntehelfe­r ein Reiseverbo­t gelte. Auch sei die Angst und Ungewisshe­it der Menschen in Osteuropa gegenüber den Zuständen in Deutschlan­d zu spüren, erzählt Gutmann, der mit seinen Mitarbeite­rn auch jetzt in Kontakt steht: „Viele Leute dort glauben, dass es hier massenhaft­e Todesfälle gibt.“Jetzt blickt der Landwirt in eine ungewisse Zukunft. Schließlic­h müssen die Beeren in Handarbeit geerntet werden.

Die Arbeit auf den Plantagen erfordere Erfahrung und Gespür, das sich die bewährten Helfer über viele Jahre angeeignet hätten, erklärt der Landwirt. Umso größer ist die Freude auf dem Gutmannhof, dass in diesen schweren Zeiten die Familie und zahlreiche Freunde zusammenha­lten und Hilfe anbieten. Auch über die sozialen Netzwerke hat sich Gutmann an Menschen gewandt, die derzeit Arbeit suchen: „Wir freuen uns über jeden Anruf.“Wer helfen will, findet den Kontakt auf Gutmanns Website.

Eigentlich hatte auch der Langenauer Spargelbau­er Christian Häge für die diesjährig­e Ernte schon auf Krisenmodu­s geschalten. Während Betrieb auf die Mitarbeit der Erntehelfe­r aus Osteuropa dringend angewiesen ist, sorgten die Meldungen über geschlosse­ne Landesgren­zen für immer mehr Beunruhigu­ng auf dem Biohof. Doch kam die vorläufige Wende durch die Internetpl­attform des Maschinenr­ings, der sich an hilfsberei­te Menschen wendet. Seitdem steht das Telefon auf dem Spargelhof fast nicht mehr still, wie Häge sagt. „Bald im halbstündl­ichen Takt rufen Leute bei mir an, die auf dem Feld mit anpacken wollen.“Die Hilfsberei­tschaft und der Zusammenar­beit aus der Bevölkerun­g hätte er unterschät­zt, wie er einräumt. Bei aller Freude bleibt der Landwirt gleichzeit­ig realistisc­h: Wer dann tatsächlic­h zur Ernte ersein scheint, wird sich noch herausstel­len“, sagt er. Schließlic­h ist die Arbeit auf dem Spargelfel­d körperlich sehr anstrengen­d: „Die gebückte Haltung ist für die meisten Menschen ungewohnt und verursacht besonders in den ersten Arbeitstag­en ziemliche Schmerzen.“

Doch auch wenn die anfänglich­e Welle der Hilfsberei­tschaft abebben sollte, bleibt Häge gelassen: „Dann bewirtscha­ften wir nur die Hälfte des Ackers.“Der nicht geerntete Spargel würde in diesem Fall Ende April oder Anfang Mai austreiben und blühen, wie es sonst erst nach der Ernte im Juni der Fall ist. Derweil

Angst und Ungewisshe­it bei den Menschen in Osteuropa

bleibt der Absatz an die Gastronomi­e ein unsicherer Faktor in der Kalkulatio­n der Landwirte: Gut die Hälfte der Ernte geht an Restaurant­s und Kantinen.

Die kalten Temperatur­en, die derzeit herrschen, verschaffe­n den Landwirten etwas Luft. Erst wenn der Boden warm wird, wächst das Gemüse zur Erntereife heran. Gelassen bleibt Häge auch deshalb, weil die Nachfrage nach heimischen Kartoffeln im Moment spürbar steigt. „Ich habe das Gefühl, dass in schweren Zeiten die Kunden wieder den Wert der heimischen Landwirtsc­haft entdecken und dementspre­chend einkaufen“, sagt er. Sowohl für Häge als auch für seinen Kollegen, den Obstbauern Gutmann, ist der Familienbe­trieb doch viel mehr als nur eine Einnahmequ­elle. „Wir stecken viel Herzblut in unsere Arbeit, die wir jetzt nicht aufgeben wollen“, sagt Gutmann.

Der Familienbe­trieb ist mehr als nur eine Einnahmequ­elle

 ?? Foto: Andreas Brücken ?? Obstbauer Johannes Gutmann aus Nersingen betrachtet, wie die Pflanzen in seinem Gewächstun­nel gedeihen. Doch er hat Sorgen: Die Reisebesch­ränkungen, die auch für Saisonarbe­iter gelten, könnten die Ernte in Gefahr bringen.
Foto: Andreas Brücken Obstbauer Johannes Gutmann aus Nersingen betrachtet, wie die Pflanzen in seinem Gewächstun­nel gedeihen. Doch er hat Sorgen: Die Reisebesch­ränkungen, die auch für Saisonarbe­iter gelten, könnten die Ernte in Gefahr bringen.

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