Wie retten wir die Welt, Herr von Siemens?
Interview Der Autor und Reisende ist der Ur-Ur-Urenkel des Firmengründers. Er sympathisiert mit jungen Klimaschützern und machte eine besondere Erfahrung, als er die Geschäftspolitik des Konzerns einmal vehement kritisierte
Carl von Siemens steht in der Schlange vor dem Café Einstein-Stammhaus in Berlin. Er wartet geduldig auf einen Tisch für das Interview. Es ist einer der seligen Tage kurz vor den Ausgangsbeschränkungen im Zuge der Corona-Krise, als Menschen sich noch normal begegnen konnten. Der Ur-Ur-Urenkel des Siemens-Gründers Werner von Siemens ist zurück von einer IndienReise. Vielleicht ergibt sich daraus ein neues Buch. Der Journalist und Schriftsteller beschreibt in seinem letzten Werk „Der Tempel der magischen Tiere“seine Reisen zu Ureinwohnern, Geistern und Schamanen, darunter zu Aborigines in Australien, ein Land, das Siemens Ärger eingebracht hat. Schließlich kritisieren Klimaschützer, dass der Konzern an der Lieferung von Signalanlagen für Züge, die dort von einer neuen Mine Kohle abtransportieren sollen, festhält. 2015 Position gegen Projekte dieser Art bezogen.
Wie kam das bei Siemens an?
Von Siemens: Das weiß ich nicht, weil ich nicht bei Siemens arbeite. Ich fand es aber enttäuschend, dass Siemens-Chef Joe Kaeser bei der Hauptversammlung 2016 auf eine Frage von Greenpeace geantwortet hat, sich auch weiter an StaudammProjekten in Amazonien zu beteiligen, wenn Kunden das verlangen.
Von Siemens:
Firmen kritisiert wird. Oder man glaubt, das System anzugreifen, wenn man Siemens angreift. Das ist in etwa so, als ob man dem FC Bayern schaden will, indem man in einem Hinterhof eine Strohpuppe mit Seppelhut verbrennt. Das funktioniert nicht. Als Träger des Namens Siemens wünsche ich mir auf jeden Fall, dass der Konzern die Reputationsrisiken solcher Projekte in Zukunft realistischer einschätzt. Bei einem falschen Projekt ist auch ein Unterlieferant Teil des Problems und nicht Teil seiner Lösung. die Zerstörung natürlicher Lebensräume aufzuhalten?
Sind sie dazu in der Lage?
Von Siemens: Die Demokratien haben einen großen Konkurrenten – und der heißt China. Das autoritär regierte Land versucht seine Bürger mit einem System von Sozialpunkten umzuerziehen: Bestimmtes Verhalten wird durch Punkte belohnt, anderes durch Abzug bestraft. Mithilfe von Künstlicher Intelligenz und Überwachung könnte in der Zukunft auch das Umweltverhalten von Menschen gesteuert werden. So wäre denkbar, dass Menschen, die zu viel CO2 verbrauchen, weniger Rente bekommen, ihnen der Pass abgenommen wird, oder sie nicht mehr reisen dürfen.
Von Siemens: Ich glaube an die Kraft des Beispiels. Deutschland kann mehr exportieren als Verbrennungsmotoren, Schützenpanzer und Signalanlagen. Da ist Luft nach oben. Wir könnten zum Beispiel Lösungen für die Umweltkrise exportieren. Wenn Deutschland die Energiewende erfolgreich stemmt, strahlt das als Beispiel auch auf andere Länder aus. Andererseits: Wenn wir als hoch industrialisiertes, politisch stabiles Land keine Antworten hinbekommen – wer dann?
Können wir von Naturvölkern wie den Aborigines lernen, wenn wir die Welt besser machen wollen?
Von Siemens: Ich habe gelernt, dass wir neue Lehrer brauchen, wenn wir die Welt besser machen wollen. Die alten Lehrer bringen uns nicht weiter, weil sie auf die ökologische Krise keine Antwort finden.