Illertisser Zeitung

Kirchenglo­cken – hörbar wie nie

- VON BRUMMI redaktion@illertisse­r-zeitung.de

Sonntagmor­gen, 9.30 Uhr. Brummi sitzt beim Frühstück. Er hat die Fenster geöffnet, um die erfrischen­de Frühlingsl­uft hereinzula­ssen und das fröhliche Zwitschern der Vögel zu hören. Plötzlich dringen neue Geräusche von draußen an sein Ohr: Fast gleichzeit­ig beginnen die Glocken zweier Kirchen aus der Nachbarsch­aft zu bimmeln. Glocken von menschenle­eren Gotteshäus­ern.

Brummi hält inne, setzt behutsam seine Kaffeetass­e ab. Die Glocken, die er oft gar nicht hört oder als – vor allem in diesen CoronaZeit­en – nicht sehr gläubiger Mensch ignoriert, die ihn mitunter sogar stören, haben plötzlich einen wundervoll­en Klang. Brummi lässt sein Käsebrötch­en liegen und lauscht. Lauscht, bis die Glocken verklingen. Bei ihm kommt das herrliche Gefühl auf, dieser Glockenkla­ng verbinde die Menschen jetzt auf seine Weise. Unsichtbar, aber spürbar. Anders als der viel beschworen­e Zusammenha­lt in diesen schweren Zeiten, viel besser als die gegenseiti­ge Hilfe, die es mancherort­s sicher gibt, von der Brummi, seine Angehörige­n sowie Freunde und Bekannte bisher wenig oder nichts gesehen geschweige denn wirklich selbst empfangen hätten. Man muss wohl erst am Coronaviru­s erkrankt sein, um Aufmerksam­keit und Hilfsberei­tschaft zu erleben. Umso wohltuende­r sind diese sonntäglic­hen Glocken, die Brummi angesichts der vielen Probleme auf der Welt und bei sich selbst etwas vergessen lassen, dass er nur noch ein Seelchen, aber keine Seele mehr spüren kann. Das Läuten der Glocken ist das Schönste, was Brummi in den vergangene­n Corona-Wochen gehört hat. Es hatte etwas Göttliches, obwohl durch Menschenha­nd hervorgeru­fen, etwas Lebendiges in dieser ziemlich toten Zeit. Denn dem wunderbare­n italienisc­hen Beispiel folgend, laut und mit einer trotzigen Fröhlichke­it aus dem Fenster oder vom Balkon zu musizieren, ist halt nicht der Deutschen Sache.

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