Kirchenglocken – hörbar wie nie
Sonntagmorgen, 9.30 Uhr. Brummi sitzt beim Frühstück. Er hat die Fenster geöffnet, um die erfrischende Frühlingsluft hereinzulassen und das fröhliche Zwitschern der Vögel zu hören. Plötzlich dringen neue Geräusche von draußen an sein Ohr: Fast gleichzeitig beginnen die Glocken zweier Kirchen aus der Nachbarschaft zu bimmeln. Glocken von menschenleeren Gotteshäusern.
Brummi hält inne, setzt behutsam seine Kaffeetasse ab. Die Glocken, die er oft gar nicht hört oder als – vor allem in diesen CoronaZeiten – nicht sehr gläubiger Mensch ignoriert, die ihn mitunter sogar stören, haben plötzlich einen wundervollen Klang. Brummi lässt sein Käsebrötchen liegen und lauscht. Lauscht, bis die Glocken verklingen. Bei ihm kommt das herrliche Gefühl auf, dieser Glockenklang verbinde die Menschen jetzt auf seine Weise. Unsichtbar, aber spürbar. Anders als der viel beschworene Zusammenhalt in diesen schweren Zeiten, viel besser als die gegenseitige Hilfe, die es mancherorts sicher gibt, von der Brummi, seine Angehörigen sowie Freunde und Bekannte bisher wenig oder nichts gesehen geschweige denn wirklich selbst empfangen hätten. Man muss wohl erst am Coronavirus erkrankt sein, um Aufmerksamkeit und Hilfsbereitschaft zu erleben. Umso wohltuender sind diese sonntäglichen Glocken, die Brummi angesichts der vielen Probleme auf der Welt und bei sich selbst etwas vergessen lassen, dass er nur noch ein Seelchen, aber keine Seele mehr spüren kann. Das Läuten der Glocken ist das Schönste, was Brummi in den vergangenen Corona-Wochen gehört hat. Es hatte etwas Göttliches, obwohl durch Menschenhand hervorgerufen, etwas Lebendiges in dieser ziemlich toten Zeit. Denn dem wunderbaren italienischen Beispiel folgend, laut und mit einer trotzigen Fröhlichkeit aus dem Fenster oder vom Balkon zu musizieren, ist halt nicht der Deutschen Sache.