Mit Rock ’n’ Roll gegen die Krise
Musik Die Happy, eine der bekanntesten Bands der Region, legt ihr neuntes Studioalbum vor. Der Neu-Ulmer Gründer Thorsten Mewes über neue Songs, Künstler und Corona
Ulm/Neu-Ulm Sie leben schon seit Jahren nicht mehr an der Donau. Die Marke „Ulmer Band“bekommt die immer noch tief mit der Region verwurzelte Combo Die Happy aber nicht los. Nun legt die Gruppe um den gebürtigen Neu-Ulmer Thorsten „Wurmi“Mewes, Bandgründer und Gitarrist, und Frontfrau Marta Jandová nach sechs Jahren ein neues Album vor. Und die 1993 in Ulm gegründeten Rocker legen so hart los wie lange nicht mehr. „Ja, es ist ziemlich rau geworden“, sagt Mewes. Der titelgebende Song ’Guess What’ „purzelte bei einer Session einfach so“aus der Band raus. Und wurde so zum Leitmotiv eines kraftstrotzenden Albums, das anders sein will: Denn wenn die tschechische Powerfrau Jandová, die aktuellen Charts sehe, werde ihr schlecht.
Die Happy produzierte ihr neuntes Album völlig unabhängig. „Alles ist in Eigenregie entstanden, wobei wir alle auch mit diversen anderen Dingen beschäftigt waren und kaum Zeit für gemeinsame SongwritingSessions hatten“, betont Mewes. Deswegen habe die Band die vergangenen beiden Touren genutzt, um Ideen zu sammeln und diese bei ausgiebigen Sound-Checks auszuprobieren. „Ein Song sei sogar während eines Konzerts in der Bochumer Matrix entstanden, als Marta spontan zur Gitarre griff und ins Mikro brüllte ’Die My Baby, ´cause you fucked me up and no one let’s me down’ “, (sinngemäß: „Stirb mein Schatz, denn du hast mich kaputt gemacht – und niemand darf mich enttäuschen). „Keine Ahnung, welcher Teufel sie dabei geritten hat“erzählt Mewes. Die Mittvierziger klingen nun so frisch wie bei ihrem ersten Hit „Supersonic Speed“, der heute noch die Zugabe auf fast jedem ihrer inzwischen weit mehr als 1000 absolvierten Konzerte darstellt.
Die Veröffentlichung des Albums am 10. April fällt genau in die Corona-Krise. Zu erkennen auch am Video von „Here I am“. Das besteht aus Szenen aus heimischen Wohnzimmern, weil der gebuchte Videodreh coronabedingt abgesagt werden musste. Marta nimmt die Gurke als Mikro, und Staubsauger werden zu Gitarren. Wie überhaupt das Virus das Leben von Mewes, der nicht nur Gitarrist, sondern freiberuflicher Tour- und Produktionsleiter ist, komplett durcheinanderwirbelt.
Durch den Wegfall der Vollplaybacktheater-Tour („VPT“) im Frühjahr sei schon einmal ein Drittel seines Jahresverdiensts ausgefallen. „Zum Glück arbeitet meine Frau in der Autobranche und hat noch Einkünfte“, sagt der 47-jährige Vater eines neunjährigen Sohnes.
Denn auch als Produktionsmitarbeiter bei Andreas Bourani, in dessen Band die Die-Happy-Mitglieder Ralph Rieker (Bass) und Jürgen Stiehle (Schlagzeug) spielen, ruht sämtliche Arbeit.
Gleiches gilt für seine Mitarbeit bei Alexa Feser und Frieda Gold. Und eine hohe fünfstellige Summe wurde in die Produktion der neuen Die-Happy-Scheibe gesteckt. Hohe Kosten, keine Einnahmen und kein Ausgang.
„So langsam krieg ich Lagerkoller.“Denn schon bevor die Ausgangsbeschränkungen verhängt wurden, lag Mewes mit einer „echten Männergrippe“, wie er sagt, flach. So bleibt viel Zeit, mit der Verwandtschaft in Westerstetten bei Ulm zu telefonieren: Hier leben seine Eltern und sein Bruder Holger, die nebenher den Fanshop der Band betreiben. Rund um Ulm ist der Thorsten der „Wurmi“. Woher der Spitzname kommt? „Ich hatte früher sehr schlaksige Beine.“Über die Röhrenjeans getragene Tennissocken taten ein Übriges. Auch wenn „Wurmi“seit Jahren in Hamburg-Elmsbüttel wohnt, habe er enge Beziehungen nach Ulm. „Ich telefoniere jeden Tag mit meinen Eltern.“Seine alte Heimat habe er erst aus der Ferne so richtig zu schätzen gewusst: „Toll. Geil. Was für eine Stadt“– Gedanken, die dem Neu-Ulmer erst so richtig bei seinen Lebensstationen Thun (Schweiz), Berlin und Hamburg in Bezug auf Ulm in den Kopf gekommen seien.
Wenn Corona bis Ende des Jahres hoffentlich längst auf dem Rückzug ist, wollen Die Happy in Ulm ihr neues Album live vorstellen: am Freitag, 13. November, im Roxy. „Das ist so etwas wie unser Wohnzimmer“, sagt Mewes, der dort vor acht Jahren per Doppel-Auftritt das 1000. Konzert von Die Happy zelebrierte. Und vielleicht bleibt auch Zeit für seine Lieblingskneipe, das Brettle.
Der gebuchte Videodreh musste abgesagt werden
Album