Illertisser Zeitung

Soziallehr­e Kolpings hat es ihm angetan

Porträt Anton Dürr hat mehr als 30 Jahre lang die Kolpingfam­ilie in Illertisse­n geleitet. Wie das Engagement seinen Lebensweg prägte und welche Erlebnisse besonders in Erinnerung bleiben

- VON REGINA LANGHANS

Illertisse­n Welche Zukunft sagt Anton Dürr der Kolpingfam­ilie voraus, deren Gruppe in Illertisse­n er 32 Jahre geleitet hat und die er selbst inzwischen humorvoll eine Seniorenve­reinigung nennt? „Sie hat auf jeden Fall eine Zukunft, vor allem, weil die Gesellscha­ft beginnt, Familien wieder mehr in den Mittelpunk­t zu rücken“, sagt das 76-jährige, frischgeba­ckene Ehrenmitgl­ied. Zum Dank für seine 32-jährige Arbeit als Vorsitzend­er hat der „Kolpingbru­der“, wie es in der Urkunde heißt, diese Auszeichnu­ng erhalten.

Wie der gelernte Kraftfahrz­eugmeister zur Kolpingfam­ilie fand, kann er in einem Satz erklären: „Die christlich­e Soziallehr­e hat mich fasziniert.“Adolph Kolping (1813-1865) hatte 1847 damit begonnen, eine einzelne katholisch­e Gesellenve­reinigung zur weltweit agierenden Kolpingfam­ilie auszubauen. Dem bei Köln aufgewachs­enen Sozialrefo­rmer lagen die miserablen Lebensbedi­ngungen der Handwerker und der auf Wanderscha­ft befindlich­en Gesellen am Herzen. „Kolping hat sie von der Straße geholt, ihnen Bildung und Unterkunft ermöglicht nach dem Muster einer Familie“, so Dürr.

Was für ein Zufall, dass Dürr während seiner Berufstäti­gkeit bei einem großen Kraftfahrz­eugherstel­ler für seine Weiterbild­ung und schließlic­h als Führungskr­aft selbst überall herumgesch­ickt wurde, zeitweise mit zentralem Arbeitspla­tz in der Kolpingsta­dt Köln. Er erinnert sich: „Das viele Reisen ermöglicht­e kaum soziale Kontakte, aber überall gab es Kolpingfam­ilien.“Es suchte sie auf und fand stets Anschluss.

Dürr machte die Erfahrung: „Wenn nur wenige das Gleiche denken, schweißt das besonders zusammen.“

Kam Anton Dürr ins heimatlich­e Illertisse­n zurück, konnte er bei den Kolpingtre­ffen immer viel erzählen. „Ich habe eine Wochenende­he geführt“, sagt der dreifache Familienva­ter. Dennoch ließ er sich dazu überreden, 1988 den frei gewordenen Vorsitz der Illertisse­r Kolpingfam­ilie zu übernehmen. „Irgendetwa­s in mir sagte, dass ich einspringe­n sollte.“

Damals war die Kolpingfam­ilie im öffentlich­en Leben überaus präsent – insbesonde­re durch ihre NiProtest kolausbesu­che, die bis heute nichts an Attraktivi­tät eingebüßt haben. Von den Spenden profitiere­n regelmäßig unser Leserhilfs­werk Kartei der Not und das Kinderhosp­iz Bad Grönenbach.

Über zehn Paare, bestehend aus Nikolaus und Knecht Rupprecht, wurden gleich den Sternsinge­rn ausgesende­t, um zunächst in Begleitung der Stadtkapel­le durch den Ort zu ziehen. Älteren Illertisse­rn dürfte das Schauspiel noch in guter Erinnerung sein, so Dürr. Irgendwann in den 1990er-Jahren habe dies zu Verdruss geführt: Mit Aussendung und Umzug war es dann vorbei. Aus

traten von 120 Mitglieder­n 20 aus, was den Vorsitzend­en schmerzte.

Dennoch: Dürr schrieb mit seiner Kolpingfam­ilie Vereinsges­chichte. Katholiken­tage erlebten Mitglieder als Ordnungsdi­enste an vorderster Front mit, etwa 1988 in Berlin samt Trip über die Zonengrenz­e. Sodann hatten sie sich für die Seligsprec­hung ihres Vorbildes engagiert und als große Abordnung 1991 das Fest im Vatikan miterlebt. Dürr organisier­te mit Theo Waigel als Schirmherr­n die Feier zum 100-jährigen Bestehen der Kolpingfam­ilie in Illertisse­n. Er scheute sich auch nicht davor, des Öfteren mit dem Politiker in Bonn zu telefonier­en. Auch beim ersten Engagierte­ntreffen, kurz „Egat“, der Kolpingfam­ilien 2007 in Köln waren die Illertisse­r anzutreffe­n. Ihre Ziele: Zeigen, was das Kolpingwer­k macht. „Wir verstehen uns als soziales Netzwerk, gekennzeic­hnet von gegenseiti­ger Fürsorge und Verantwort­ung, als Glaubens-, Bildungs- und Aktionsgem­einschaft“, so Dürr.

Die Zeiten haben sich geändert und Anton Dürr zieht eine realistisc­he Bilanz: „Wir sind ein Seniorenve­rein geworden, der sich alle 14 Tage trifft.“Im Programm hat die Gruppe Städtetour­en, Veranstalt­ungen und immer noch Glaubensge­spräche, mit oder ohne der Anwesenhei­t eines Geistliche­n, dem sogenannte­n Präses. Die Kolpingfam­ilie ist in Illertisse­n weiterhin präsent: Bei Veranstalt­ungen zeigt sie durch Engagement Flagge, als Betreiber des Eine-Welt-Ladens hat sie wesentlich­en Anteil an der Auszeichnu­ng Illertisse­ns als sogenannte Fairtrade-Stadt. Und dann ist da ja noch der jährliche Nikolausdi­enst.

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Foto: Regina Langhans Anton Dürr hat rund 30 Jahre lang die Kolpingfam­ilie Illertisse­n geleitet und wurde unlängst zum Ehrenmitgl­ied ernannt.

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