Airbus-Chef schreibt Brandbrief
Hintergrund Guillaume Faury wendet sich direkt an die Beschäftigten des Konzerns. Der Franzose zeichnet ein dramatisches Bild des europäischen Flugzeugbauers und stimmt die Belegschaften auf härtere Zeiten ein
Toulouse Guillaume Faury ist ein besonnener Mensch. Der Airbus-Chef neigt als Ingenieur nicht dazu, Dinge zuzuspitzen. Doch in außergewöhnlichen Zeiten hat sich die Tonlage des 52-Jährigen dramatisch verändert. In seinem Schreiben an alle rund 135000 Mitarbeiter des deutsch-französisch-spanischen Konzerns, das unserer Redaktion vorliegt, heißt es: „In der Tat überlegen bereits viele Regierungen, wie sie die von ihnen eingerichteten Restriktionen aufheben können – so wie auch Unternehmen über die unmittelbare Krise hinaus auf die Welt von morgen blicken.“Doch leider werde die Luftfahrtindustrie sehr viel schwächer und verletzlicher in dieser neuen Welt ankommen.
Faury – das wird in dem Brief deutlich – arbeitet nun mit seinem Team intensiv daran, „das Ausmaß des Schadens zu begrenzen“. Die wirtschaftliche Lage stellt sich demnach für das Unternehmen als sehr ernst dar. Denn der Airbus-Konzern, der in unserer Region direkt und indirekt an den Standorten in Manching bei Ingolstadt und Augsburg insgesamt knapp 16000 Frauen und Männer beschäftigt, musste auf die Fertigungsbremse drücken. So liegen die Produktionsraten 30 bis 35 Prozent unter den bisherigen Plänen. Faury lässt deshalb die Mitarbeiter unverblümt wissen: „Mit anderen Worten, in nur wenigen Wochen haben wir rund ein Drittel unseres Geschäfts verloren. Ja, ein Drittel.“Und der Manager fügt hinzu: „Ehrlich gesagt ist dies nicht einmal das schlimmste Szenario, mit dem wir konfrontiert sein könnten.“
Faury stimmt die Mitarbeiter also auf noch schwierigere Zeiten für das Unternehmen als heute ein. Bisher müssen sich erst tausende AirbusBeschäftigte mit Kurzarbeit anfreunden. In Frankreich sind davon rund 3000 Frauen und Männer in einer ersten Welle betroffen. Auch deutsche Standorte bleiben nicht verschont. Noch nennt das Unternehmen hier keine konkreten Zahlen. Was aber interessant ist: Faury räumt ein, dass der Konzern Mitarbeiter in einigen Ländern gebeten habe, bis Mitte Mai bis zu zehn Tage An keiner Stelle des Briefs ist jedoch konkret von einem geplanten Abbau von Arbeitsplätzen die Rede, auch wenn das Schreiben in Beschäftigtenkreisen schon so interpretiert wird, dass Faury die Mitarbeiter auf drohende Stellenstreichungen einstimmen wolle. So schreibt er, aber nur allgemein: „Möglicherweise müssen wir jetzt jedoch noch weitreichendere Maßnahmen vorbereiten. Dies liegt an der Größe dieser Krise und ihrer wahrscheinlichen Dauer. Wir müssen daher alle Optionen in Betracht ziehen.“Der Manager richtet einen Appell an die Beschäftigten: „Wenn wir nicht jetzt agieren, ist das Überleben von Airbus fraglich.“
Das massive Zurückfahren der Produktion wirkt sich natürlich negativ auf den Konzern aus. Faury wirkt besorgt. „Wir sehen uns einem gravierenden und unmittelbaren Ungleichgewicht zwischen unseren Einnahmen und Kosten gegenüber.“Dann fällt der dramatisch klingende Satz: „Der Abfluss an Liquidität erfolgt in einem so hohen Tempo, dass dies die Existenz unseres Unternehmens gefährden könnDonauwörth, te. Deshalb habe sich Airbus schnell bemüht, zusätzliche Kreditlinien von rund 15 Milliarden Euro zu sichern. Dazu notiert Faury: „Sie geben uns die Flexibilität und Zeit, Anpassungen an unserem Geschäft und unserer Größe vorzunehmen.“Doch Kredite allein – auch das ist die Botschaft an die Beschäftigten – reichen für den Flugzeugbauer nicht allein, um die Krise zu überwinden. Der Airbus-Chef verspricht auch, „umgehend zu handeln und die Ausgaben zu reduzieren, um so letztendlich Herr über unser Schicksal zu werden“.
Faury gewährt auch einen Einblick in die unmittelbaren Auswirkungen der Pandemie auf die Gesundheit der Mitarbeiter. Er wirkt tief betroffen. Demnach sind hunderte Airbus-Beschäftigte positiv auf das Virus getestet worden. Und er schreibt: „Mit tiefer Trauer muss ich Sie leider darüber informieren, dass einige unserer Kolleginnen und Kollegen infolge des Virus verstorben sind.“Der Manager nennt jedoch keine Zahlen. Inmitten der Finsternis gebe es aber Licht, sei die Zahl der bestätigten Infektionen infreizunehmen. nerhalb des Unternehmens in der vergangenen Woche doch gesunken. So endet der Brief des AirbusChefs – wie so oft in diesen Wochen – mit der Hoffnung: „Bleiben Sie gesund.“Doch Ungewissheit ist die ständige Begleitperson in der Corona-Zeit. Sie macht es auch dem Manager schwer, die Lage richtig einzuschätzen. Der Franzose fragt sich: „Wird es eine kurze und tiefe Krise mit einer schnellen Erholung sein? Oder wird es länger dauern und schmerzhafter sein, wenn die ursprüngliche Nachfrage erst in fünf oder zehn Jahren wieder erreicht wird?“Schmerzhaft sind die wirtschaftlichen Auswirkungen für das lange erfolgsverwöhnte Unternehmen mit einem Rekordauftragsbuch schon heute, denn immer mehr in Not geratene Airlines klopfen an und fragen nach, ob Aufträge verschoben werden können.
Da aber Flug- oder Leasinggesellschaften bei der Annahme eines Auftrags durch Airbus im Schnitt nur rund 20 Prozent des Kaufpreises entrichten müssen, kommt die heftige Krise des Luftverkehrs dem Flugzeugbauer teuer zu stehen.