Der Tiefflieger schoss sofort los
Wolfgang Beckert, Landsberg
Ich bin am 15.08.39 geboren. Mein Vater wurde zwei Wochen später eingezogen und kam dann nach Kriegsende verletzt nach Hause. Meine Mutter und ich wohnten Anfang Mai 45 in München-Ramersdorf. Nachdem die Bombenangriffe immer heftiger wurden und auch unser Haus getroffen wurde, sind wir nach Dorfen (Anzing) geflüchtet und haben in einer Baracke Unterschlupf gefunden.
Aber hier waren die Tiefflieger auf Jagd und haben auf alles geschossen, was sich bewegt hat (Menschen und Tiere). Bei einem der Angriffe sind wir gerade noch in die Baracke gekommen und ich habe mich unter dem Bett versteckt.
Wir sind dann kurz vor Kriegsende nach Oberaudorf/Inntal zu meiner Tante gezogen. Hier waren auch noch die Verwandten aus Norddeutschland. Bei den Luftangriffen haben sich Kinder und Eltern in den Keller geflüchtet. Einige haben geweint, andere haben gebetet.
Direkt neben uns war der Stadel und die Scheune vom Bauern Huber. Einmal hat es furchtbar gekracht: Die Scheune und der Stadel haben gebrannt. Wir haben dann noch versucht zu löschen. Aber vergeblich.
Zwei Erlebnisse, an die ich mich heute noch ganz genau erinnern kann: Erstens: Uns gegenüber war der Bäcker Obermeier. Als ich einmal Semmeln holte, kam direkt von vorne ein Tiefflieger aus Richtung Kiefersfelden, der sofort geschossen hat. Ich konnte mich nur noch mit einem Sprung in das Haus vom Obermeier retten.
Zweitens: In der Nähe der Schule mussten noch Volkssturmleute einen Panzergraben ausheben. Einer der Leute weigerte sich mit dem Hinweis: Der Krieg ist doch schon vorbei und die Panzer kommen schon über den Brenner. Er wurde von einem Soldaten erschossen!
Dann war es so weit: Einmarsch der amerikanischen Panzer. Uns Kinder warfen die Panzersoldaten (die Mehrzahl waren Neger, wir kannten damals keinen anderen Ausdruck für die dunkelhäutigen Menschen) Kekse und Schokolade zu. Auch sie waren sichtlich froh, dass der Krieg vorbei war. Bei uns im Haus waren einige Soldaten kurzfristig stationiert. Wir Kinder haben daher unser erstes Eis gegessen und die Erwachsenen ihren ersten Bohnenkaffee getrunken. Wir gingen dann wieder in unser zum Teil beschädigtes Haus nach München zurück und die Aufräumarbeiten begannen.