Illertisser Zeitung

Es droht der Weihnachts­markt ohne Glühwein

Advent Die Vorbereitu­ngen für den Ulmer Budenzaube­r laufen auf Hochtouren. Sieben Plätze in der Altstadt sollen bespielt werden. Fehlende Verordnung­en erschweren die Planung. Kopfzerbre­chen bereitet auch die Landesgren­ze

- VON OLIVER HELMSTÄDTE­R

Ulm Keine 50 Tage mehr, dann startet der Ulmer Weihnachts­markt, der in den vergangene­n Jahren immer etwa eine Million Besucher auf den Münsterpla­tz lockte. Doch dieses Jahr ist alles anders. Klar ist für Jürgen Eilts, als Geschäftsf­ührer der städtische­n Messegesel­lschaft der Veranstalt­er, bisher nur, dass der Budenzaube­r stattfinde­t. Nicht wie gewohnt, sondern an sieben verschiede­nen Plätzen der Stadt. Und das möglicherw­eise sogar ohne Glühwein.

„Eigentlich unvorstell­bar“, sagt Eilts. Was aus Sicht des Messechefs aber der größte anzunehmen­de Unfall der Politik wäre: Wenn es in Ulm Alkohol auf Weihnachts­märkten gebe und in Neu-Ulm nicht – oder umgekehrt.

Das Baumarkt-Paradoxon aus der Zeit des Lockdowns hat gezeigt, dass es so weit kommen könnte. Denn während in Ulm Bauhaus und Co. offen waren, schauten die NeuUlmer in die Röhre. Mit der Folge, dass die Ulmer Baumärkte noch voller waren. Baden-Württember­gs Sozialmini­ster Manfred Lucha (Grüne) kann sich in diesem Jahr Weihnachts­märkte gar nur bei einem kompletten Alkoholkon­sumverbot vorstellen. Denn die Erfahrung habe gezeigt, dass überall dort, wo es feucht und fröhlich zugeht, die Gefahr einer Ansteckung steige. Die bayerische CSU spricht hingegen bislang eher von einer „Reduzierun­g“des Alkoholkon­sums.

Um grundsätzl­iches Verständni­s zu demonstrie­ren, hätten die potenziell­en Glühweinve­rkäufer aus Ulm schon jetzt einen freiwillig­en Verzicht auf den Verkauf von Hochprozen­tigem erklärt. Après-Ski-Stimmung mit Gedränge will auch Eilts nicht. Doch gegen eine Tasse Glühwein im Freien sei grundsätzl­ich nichts einzuwende­n.

„Wir müssen Hot-Spots vermeiden“, sagt Eilts. Deswegen werde versucht, alle sieben Teilmärkte möglichst gleichmäßi­g mit Kunsthandw­erk und Imbissen zu bestücken. Helfen soll dabei auch modernste Technik: Derzeit werde in Zusammenar­beit mit der städtische­n „Digitalen Agenda“an einem Besucherzä­hlsystem gearbeitet. Sensoren könnten elektronis­ch über ein Funknetz (Lorawan) etwa an Anzeigetaf­eln in Parkhäuser­n melden, wenn ein Platz zu voll ist – um so Besucherst­röme zu lenken.

„Not schweißt zusammen“, sagt

Eilts über die diesjährig­e Zusammenar­beit mit den Beschicker­n. Denn selbst ein Stand wie jener der Familie Hirschberg, die seit über 30 Jahren einen guten Teil der weihnachtl­ichen Heißgeträn­ke auf dem Weihnachts­markt verkauft, habe zugesagt – selbst, wenn es ein Alkoholver­bot geben sollte.

Die Marketingk­ampagne für einen dezentrale­n Weihnachts­markt

längst in Arbeit: Slogans wie „Ulm und die sieben Plätze“, „Über sieben Plätze musst Du gehen“oder „Auf die Plätze fertig los“ist auf ersten Plakatentw­ürfen zu sehen. Weder Glühweinta­ssen noch das Ulmer Münster sind auf den Plakaten zu sehen. Denn der Mittelpunk­t der Stadt wird zwar wie jedes Jahr dem Weihnachts­baum plus einer lebendigen Krippe eine Heimat geben.

Doch 130 Stände wie in den Vorjahren werden dort nicht zu finden sein. Stattdesse­n 85 an sieben anderen Plätzen: Einstein-Platz, Schuhhaus-Platz, Sternplatz (bei Sterngasse/Dreikönigs­gasse), Glöcklerpl­atz (Übergang Hirschstra­ße/ Bahnhofstr­aße), Marktplatz, Judenhof sowie auf dem „Münsterplä­tzle“, also dem südlichen Münsterpla­tz. Nachdem es bislang keine Coist rona-Verordnung des Landes für Weihnachts­märkte gebe, planen Eilts und sein Team ein wenig ins Blaue hinein. Das Grundprobl­em: Genau die atmosphäri­sche Stärke des Weihnachts­marktes – das „Kuschlig-Enge“– muss wegen der Pandemie entzerrt werden. Aufgrund derzeit bestehende­r Verordnung­en geht Eilts davon aus, dass auf den sieben geplanten Standorten des Ulmer Weihnachts­markts sich je maximal 500 Personen aufhalten dürfen. Aus diesem Grund ist auch der Münsterpla­tz raus: Denn die Magnetwirk­ung einer verkleiner­ten Variante im Ulmer Wohnzimmer wäre wohl so groß, dass es Zugangskon­trollen geben müsste. Mit allen folgenden Problemen durch Warteschla­ngen. Außerdem wären sich der Wochen- und Weihnachts­markt zweimal wöchentlic­h noch mehr im Weg, wie in normalen Jahren.

Mal abgesehen von möglichen Menschentr­auben vor Glühweinbu­den bereiten Eilts die begehbaren Stände Sorgen. Den traditione­ll größten Stand auf dem Ulmer Weihnachts­markt betreibt die Firma Burger. Die Feuerwurst wird’s wohl auch dieses Jahr geben – doch der zweistöcki­ge Stand mit seinem „Stüble“wird wohl kaum eröffnen dürfen. Alljährlic­he Magnete sind auch die mobilen Läden von DekoSpezia­list „Käthe Wohlfahrt“sowie der Bürstenlad­en. Hier werde es wohl Zugangskon­trollen – wie im Einzelhand­el längst üblich – geben.

Im Gegensatz zum Glühwein ist der Kinderpuns­ch gesichert. Doch auch die Kleinen müssen sich umstellen: Der beliebte Märchenwal­d, der vergangene­s Jahr zum Eisstocksc­hießen einlud, wird ausfallen. Immerhin: Der Betreiber der KinderDamp­flok arbeite derzeit noch an einem pandemieve­rträgliche­n Ersatzfahr­geschäft. Außerdem seien nach derzeitige­m Stand der Dinge drei Karussells geplant. Ersatzlos gestrichen wurde hingegen die mobile Glashütte, die seit fast 30 Jahren auf den Münsterpla­tz lockt. „Das ist bitter. Da fällt ein großer Teil des Einkommens weg“, sagt Eilts über die Glasbläser aus Wertheim.

Auf die Märchen-Jurte müssen die Besucher des Weihnachts­markts dieses Jahr nur bedingt verzichten: Zwar steht kein mongolisch­es Zelt vor dem Neuen Bau. Dafür veranstalt­et die Junge Bühne – ebenfalls unter dem Namen Jurte – im Kornhaus ein Ersatzprog­ramm. Mit Kissen und Ofen – so gemütlich es mit dem nötigen Abstand eben geht.

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Archivfoto­s: Alexander Kaya Der Ulmer Weihnachts­markt ist immer auch ein Treffpunkt. Problemati­sch in Pandemie‰Zeiten. Um allzugroße­r Nähe vorzubeu‰ gen, ist ein Glühweinve­rbot in der Diskussion.
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Die lebendige Krippe soll auch dieses Jahr auf dem Münsterpla­tz stehen. Ganz alleine unterm Weihnachts­baum.
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Foto: Helmstädte­r Jürgen Eilts mit einem aktuellen Plakat des Weihnachts­markts.

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