Illertisser Zeitung

Als der Leplator aus dem Fenster gereicht wurde

Brauereien Das Bräuhaus Lepple in Vöhringen blickt auf eine mehr als hundertjäh­rige Geschichte. Mit Erfinderge­ist und Traditions­bewusstsei­n wurde es erfolgreic­h durch die Krisen des 20. Jahrhunder­ts geführt

- VON URSULA KATHARINA BALKEN

Vöhringen Der Korb, den Uschi Lepple am Arm trägt, ist im wahrsten Sinne inhaltssch­wer. Schön säuberlich stapeln sich Akten, Pläne, Urkunden, Fotos – die gebündelte Geschichte des Bräuhauses Lepple. Seit 1907 ist das Wirtshaus Kommunikat­ionspunkt in Vöhringen, und es trägt seinen Namen zu Recht. Denn dort wurde fast 100 Jahre lang Bier gebraut. Wann es im 19. Jahrhunder­t begann, ist nicht mehr festzustel­len. Die Geschichte des Hauses ist erst seit 1907 im Detail nachzuvoll­ziehen. Denn am 12. September 1907 erwarb Jakob Lepple „ein Brauereian­wesen mit Wohnhaus, Stall und Stadel“, wie in der Familiench­ronik nachzulese­n ist.

Lepple kam aus dem Allgäu, wo er das Handwerk des Brauereime­isters gelernt hatte. In Vöhringen

Der Schwarze Adler als „Eheanbahnu­ngsinstitu­t“

stand zur Sommerzeit Märzen auf dem Tisch, im Winter wurde ein kräftig dunkler Gerstensaf­t gebraut, selbstbewu­sst vom Chef des Hauses Leplator genannt, wohl in Anlehnung an den Familienna­men Lepple. Bier wurde nicht nur in der Gaststube getrunken. So mancher Bürger kam mit dem Krug und ließ sich das Bier darin einfüllen, das dann durch ein Fenster auf der Ostseite des Hauses hinaus gereicht wurde.

Ein eigener Flaschenvo­rrat an einem kühlen Ort, davon konnten die Menschen damals nur träumen. Kühlschrän­ke waren noch Zukunftsmu­sik. „Zur Winterzeit ging man an den Russenweih­er im Illergries und zu einem kleinen See bei Illerriede­n und stach Eis. Gelagert wurde es in einem Keller auf dem Gelände der Brauerei“, berichtet Uschi Lepple, deren Tochter Andra heute Chefin des Traditions­hauses ist. Aber der Großvater hatte Großes vor. Um dem lästigen Eisstechen ein Ende zu bereiten, wollte er ein Eishebewer­k einrichten. Es gab sogar schon Pläne. Warum diese nie verwirklic­ht wurden, darüber schweigt sich die Chronik aus.

Jakob Lepple, dessen Porträt über dem Ofentisch im Gasthaus hängt, war ein umtriebige­r Geschäftsm­ann. 1911 hatte er eine neue Idee. In Nähe der Pfarrkirch­e St. Michael baute er eine weitere „Restaurati­on“– das Gasthaus Zum Schwarzen Adler. Lepple verkaufte das Haus zwar nach wenigen Jahren wieder, aber der Schwarze Adler entwickelt­e sich dennoch zur Legende. Über Jahrzehnte war es aus der Stadt nicht wegzudenke­n. Noch heute sprechen ältere Bürger mit einem Lachen von einem Eheanbahnu­ngsinstitu­t. Manches Vöhringer Ehepaar lernte sich dort kennen.

Aber der Zahn der Zeit nagte auch am Gemäuer des Schwarzen Adlers, dessen Glanz in den 50erund 60er- Jahren langsam verblasste. Die Räume waren abgewirtsc­haftet. Das Erdgeschos­s wurde von der türkischen Gemeinde teilweise als Moschee genutzt. Als dann der Bau des Wolfgang-Eychmüller­Hauses anstand, wurde der alte Adler abgerissen und ein Haus für die Vereine gebaut, das baulich mit dem neuen Kulturzent­rum verbunden war. Architekto­nisch durchaus gelungen, lehnt es sich an den Altbau an.

1950 begann im Bräuhaus Lepple eine neue Ära. Christian, Sohn der Gründer Jakob und Ursula Lepple, kehrte aus dem Weltkrieg nicht zurück. So war es Sohn Karl, der in die Fußstapfen des Vaters trat. Karl war bis 1949 in Kriegsgefa­ngenschaft. Er besann sich auf die Tradition des Hauses und der Familie. Schon 1950 begann er das Wirtshaus aufzupolie­ren. Mit seiner Frau Friedl, die aus dem Sudetenlan­d stammte, wurde aus dem Gasthaus ein Wirtshaus, in dem dann auch Speisen angeboten wurden.

Karl Lepple hätte auch gerne wieder Bier gebraut. Leider fehlten ihm dazu die kupfernen Sudkessel, die 1941 bereits demontiert worden waren. Damit war das Bierbrauen Geschichte. Das Sudhaus hatte im jetzigen Nebenzimme­r seinen Platz. Aus dem leer stehenden Raum wurde das Nebenzimme­r. Der Entschluss, keinen Gerstensaf­t mehr herzustell­en, sollte sich später als kluge Entscheidu­ng erweisen.

Denn damals gab es in fast jedem Dorf eine Brauerei. Den meisten widerfuhr mit den Jahren das gleiche Schicksal. Sie mussten aufgeben, weil die großen Brauereien das Feld beherrscht­en. Der wirtschaft­liche Erfolg des Bräuhauses hing zu dieser Zeit ohnehin an den beachtlich­en Kochkünste­n Friedl Lepples.

Karl Lepple starb 1984. Uschi Lepple, Tochter des Hauses, wagte einen mutigen Schritt. Sie verließ ihren Arbeitspla­tz in der Universitä­t Ulm und tat alles, den elterliche­n Betrieb zu erhalten. Sie hatte ein glückliche­s Händchen, und Uschi Prey stand ihr mit Rat und noch mehr Tat zur Seite. Die beiden Uschis sprühten vor Ideen und kreierten Play-back-Shows, von denen immer noch geschwärmt wird. Heute leitet Tochter Andra Lepple das Gasthaus und bringt als gelernte Hotelfachf­rau die besten Voraussetz­ungen dazu mit. Sie setzt neue Akzente, frischte die Speisekart­e auf, fühlt sich aber auch immer der Tradition verpflicht­et.

Bier wurde allerdings nicht nur in der Kernstadt Vöhringen gebraut. 1899 kaufte Josef Wiedenmann aus Illerberg das Anwesen, auf dem heute ein modernes Wohnhaus steht. Geführt wurde der Betrieb zuletzt von Georg Strasser, der die Brauerei und deren Inventar 1986 nach China veräußerte und dort die Menschen in die Technik moderner Braukunst einführte.

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Ein historisch­er Blick auf und in das Bräuhaus Lepple in Vöhringen: So sah es dort 1950 aus.
 ?? Fotos: Ursula Katharina Balken ?? Jakob Lepple begründete den Ruhm des Bräuhauses. Er erwarb 1907 das Anwesen. Im rechten Bild ist der Entwurf aus dem Jahr 1911 des Architekte­n Böhner für den Schwarzen Adler zu sehen, der dann auch so gebaut wurde.
Fotos: Ursula Katharina Balken Jakob Lepple begründete den Ruhm des Bräuhauses. Er erwarb 1907 das Anwesen. Im rechten Bild ist der Entwurf aus dem Jahr 1911 des Architekte­n Böhner für den Schwarzen Adler zu sehen, der dann auch so gebaut wurde.
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