Illertissens Museumsfrühling startet mit Sonderschau
Geschichte Eine Ausstellung mit Egerländer Exponaten soll bis in den Herbst zu sehen sein. Was dort geboten ist
Illertissen Der „Kaffeetüpfl“, der Egerländer „Bock“oder die „Huasnoantoutara“: Hinter jedem Objekt der Sonderausstellung im Vöhlinschloss Illertissen verbirgt sich eine Geschichte. Zusammengenommen dokumentieren sie die Vertreibung der Egerländer aus ihrer alten Heimat in die neue, welche für viele die Stadt Illertissen wurde. Am Samstag, 27. März, wird im Zuge der Öffnung des Heimat- und Bienenmuseums im Schloss erstmals die Sonderschau im Ausstellungsraum zu besuchen sein.
Für die Schau haben Emilie Asam, Kulturwartin der Eghalanda Gmoi, und die ihr von der Stadt zur Seite gestellte Kunsthistorikerin Franziska Hanöffner das Beste aus den 4000 Exponaten des Egerländer Museums ausgesucht, bevor dessen weitere Schätze vorübergehend ins Depot im ehemaligen Lechwerkehaus wanderten.
Die Idee dazu hatte Melanie Magazin, Kulturreferentin der Stadt. Die bisher genutzten Adler-Räume wurden leer gemacht, weil dem denkmalgeschützten Gebäude eine auf zwei Jahre angesetzte Sanierung bevorsteht. Magazin fand es schade, dass die Exponate so lange unbeachtet vor sich hinschlummern sollten. „Das Wissen darum könnte in Vergessenheit geraten, und der Ausstellungsraum im Schloss ist derzeit frei.“Zudem würden dann einmal alle drei Illertisser Museen unter einem Dach vereint sein. Die Schau könne bis zu Beginn der Krippensaison bestehen bleiben.
Die Sonderausstellung trägt den Titel „Zwischen Heimat, Vertreibung und Neuanfang – von einer (nicht)vergessenen Kulturregion“und ist dem Thema Vertreibung gewidmet. Die Besucher können anhand von Infotafeln die Exponate damit in Zusammenhang bringen. Aus dem Inhalt des Rundwegs:
● Geschichte: Einen Einstieg bilden Fotos, Dokumente sowie geschichtliche Einblicke zur Vertreibung von drei Millionen Deutschen nach
Ende des Zweiten Weltkriegs aus dem Sudetenland. Der Fokus liegt auf dem Egerland, unter anderem Elbogen/Loket. Illertissen verbindet mit der heute tschechischen Stadt inzwischen eine lebendige Städtepartnerschaft.
● Handwerk: Einen Schwerpunkt in der Ausstellung bildet das Handwerk. So steht das Klöppelstöckle für eine einzigartige Kunst, die im Egerland schon im 16. Jahrhundert bekannt und ab 1766 als freies, unzünftiges Gewerbe ausgeübt wurde. Auch das Nähen von Lederhandschuhen war ein typischer Berufszweig im Egerland. Für diese Arbeit gab es extra Handschuhnähmaschinen.
● Trachten: Die Egerländer Tracht war überall ein bisschen anders, etwa als Karlsbader oder als Marienbader Tracht. Dazu wurde zwischen Werk- und Sonntag unterschieden. Typisch sind Bluse, Mieder und der Rock der Frauen. Hinzu kommen Schultertuch und eine mit Perlen verzierte Haube. Bei den Männern gehört ebenfalls eine Kopfbedeckung dazu, im Alltag das Vetternkappl aus grünem Samt oder der festlichere Flodara, ein Hut aus Filz und mit Tuchumkleidung. „Batzerl“heißen die Strümpfe der Männer. Außerdem ist bei den Männern der „Huasnoantoutara“unverzichtbar, wie der achteckige Schmuckknopf an den Hosenträgern heißt. Bis heute ist er das Erkennungsmerkmal der Egerländer. Eine der Trachtenpuppen hat eine weiße Armbinde – wie sie Deutsche nach Kriegsende tragen mussten.
● Instrumentenbau: Auch der Instrumentenbau – gespielt wurde auf dem Bock, wie der Egerländer Dudelsack heißt, auf Zither und Geige – entwickelte sich zu einem wichtigen Industriefaktor. Graslitz/Kraslice wurde dank der Firma Koestler berühmt für Blech- und Holzblasinstrumente und Schönbach/Luby galt als die „Geigenmacherstadt“. Bis heute sind Musiker wie der gebürtige Egerländer Ernst Mosch (1925 – 1999) in Originaltracht weithin bekannt.
● Vertreibung: Mehr als eine Holztruhe für das Allernötigste war den Menschen bei der Vertreibung nicht gestattet. Die Egerländer haben sich Verstecke einfallen lassen, um trotz Verboten Wertsachen mitzunehmen.
● Neuanfang: Nach der Ankunft in Bayern mussten die Vertriebenen anfangs bei anderen Familien wohnen. Sie wurden nicht überall gerne gesehen. Eine Küchenzeile mit einer Liwanzenpfanne (zum Backen der Egerländer Spezialität) oder ein Kaffeetüpfl (Egerländisch für Kaffeetasse) zählten zu den „geretteten“Schätzen aus der alten Heimat.
Beim abschließenden Blick in die aufgebaute Schau zeigt sich Franziska Hanöffner glücklich über die gemeinsam getroffene Auswahl: Sie findet die Sammlung auch deswegen so besonders, weil vieles auf Familiengeschichten verweist oder Schicksale, wie etwa der ebenfalls ausgestellte Kinderwagen. Beim Spiel wurde er zwischen den Feldern hinund hergeschoben und überquerte dabei jeweils die neu gezogene Grenze. Klar, dass im Wagen nicht nur die Puppe lag, sondern auch Wichtiges, was auf die andere Landesseite gebracht werden sollte.
Welche Regelung zur Öffnung der Museen aktuell wegen der Pandemie gilt, wird auf der Homepage des Landratsamts Neu-Ulm bekannt gegeben.