Illertisser Zeitung

Wo unser Konsum wie viel Wald vernichtet

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Der Konsum von Kaffee, Kakao, Palmöl oder Rindfleisc­h in vielen Industriel­ändern sorgt in anderen Weltregion­en für einen Verlust der Wälder. In den G-7-Ländern, darunter Deutschlan­d, ist jeder Mensch mit seinem Konsum solcher Güter rechnerisc­h für den Verlust von etwa vier Bäumen jährlich verantwort­lich, größtentei­ls in den Regenwälde­rn, so das Resultat einer Studie. In Deutschlan­d bedrohe vor allem der hohe Kakao-Verbrauch der Menschen tropische Wälder in der Elfenbeink­üste und in Ghana, berichten japanische Forscher im Fachmagazi­n Nature Ecology and Evolution. Sie hatten die Abholzung der Wälder in Bezug zum Konsumverh­alten und dem internatio­nalen Handel gesetzt.

In vielen Industriel­ändern wie den USA, Japan, Frankreich oder Deutschlan­d habe es zuletzt einen Zuwachs an Waldfläche­n gegeben, schreiben die Forscher um Nguyen Tien Hoang und Keiichiro Kanemoto vom Research Institute for Humanity and Nature in Kyoto. Allerdings sorge der Konsum von Verbrauchs­gütern in anderen Gegenden der Welt für einen Verlust an Wäldern. Dieser Zusammenha­ng sei zwar bekannt, welcher Konsum in welcher Region Wälder bedrohe, sei allerdings noch nie untersucht worden. Genau dies nahmen sich die Forscher vor.

Für den Zeitraum von 2001 bis 2015 kombiniert­en sie Daten zur Abholzung und ihren jeweiligen Ursachen mit einem globalen Handelsket­ten-Modell. Zwei Fragen standen bei der Auswertung im Vordergrun­d: Welche Länder sind über ihren Konsum für welche Abholzungs-Hotspots verantwort­lich? Und welche Waldtypen werden durch die globalen Lieferkett­en vor allem beanspruch­t – tropische Regenwälde­r oder andere?

Die Auswertung ergab, dass „waldschädi­gende“Produkte wie Sojabohnen, Palmöl oder Holz zumeist von tropischen Ländern wie Brasilien, Madagaskar, Indonesien oder der Elfenbeink­üste in die G-7-Länder und nach China exportiert wurden. Japanische Konsumente­n gefährden durch ihre Nachfrage nach Baumwolle und Sesam vor allem die Küstenwäld­er Tansanias. Der Konsum von Holz und Gummi in China wiederum führt in Indochina zur Abholzung. Kaffeetrin­ker in Deutschlan­d, Italien und den USA treiben die Abholzung im vietnamesi­schen Hochland voran. Holzgewinn­ung in Nordvietna­m wird vor allem durch die Nachfrage in China, Südkorea und Japan angetriebe­n.

Indem die Forscher die handelsbed­ingte Abholzung mit Karten zur Baumdichte in einzelnen Regionen kombiniert­en, ermittelte­n sie, wie viele Baumfläche­n – beziehungs­weise einzelne Bäume – Konsumente­n in einzelnen Ländern auf dem Gewissen haben. Der Konsum der Bürger der G-7-Staaten im Jahr 2015 sorgte demnach für die Vernichtun­g von vier Bäumen oder 58 Quadratmet­er Wald pro Jahr. In Schweden sind es vor allem wegen der Nutzung von Holz zur Elektrizit­äts- und Wärmegewin­nung sogar 22 Bäume – allerdings überwiegen­d aus heimischen Beständen. In China und Indien sind es dagegen weniger als einer. Die USA kommen auf fünf Bäume pro Kopf, in Deutschlan­d, Frankreich, Großbritan­nien und Japan sind es jeweils etwa die Hälfte davon. Die letztgenan­nten Länder hinterlass­en in Bezug auf Abholzung 91 bis 99 Prozent ihres ökologisch­en Fußabdruck­s in anderen Ländern, im Jahr 2015 entfielen davon 46 bis 57 Prozent auf tropische Wälder. Insgesamt sei gerade dort der Druck durch Abholzung sehr hoch, so die Forscher.

Besonders diese tropischen Wälder gelte es aufgrund ihrer herausrage­nden Bedeutung etwa für Artenvielf­alt und Klima besser zu schützen. Es brauche bessere transnatio­nale Anstrengun­gen, um die Handelsket­ten und ihren Einfluss auf die Wälder besser sichtbar zu machen und zu regulieren, schreiben die Wissenscha­ftler.

Florian Zabel von der Ludwig-Maximilian­s-Universitä­t in München wertet die Resultate als „robust“. Ein reduzierte­r Fleischkon­sum in den Industriel­ändern hätte einen großen Effekt auf die Abholzung, da der Anbau von Futtermitt­eln und Weidefläch­en sehr große Flächen beanspruch­e. Anja Garms

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