Illertisser Zeitung

So wächst die Wilhelmsbu­rg Kaserne in Ulm

Verteidigu­ng Rund 70 Millionen Euro hat der Bund in den Militärstü­tzpunkt gesteckt. Etliche weitere Investitio­nen werden folgen. Manche Ideen stammen aus der Wirtschaft, andere aus dem Einsatz in Afghanista­n. Ein Blick ins Innere

- VON SEBASTIAN MAYR

Ulm Es ist ja erst ein Anfang. Rund 70 Millionen Euro hat der Bund in den vergangene­n siebeneinh­alb Jahren für die Ulmer Wilhelmsbu­rgKaserne ausgegeben, noch einmal rund 300 Millionen Euro kommen dazu. Ein ganz schön großer Anfang. Stabsfeldw­ebel Alexander Gabele blickt nach oben. „Der oberste Regalboden ist 7,5 Meter hoch“, sagt er. Für die neue, in Deutschlan­d einzigarti­ge Feldlager-Halle in Ulm hat sich die Bundeswehr Ideen aus der Industrie abgeschaut. Und ein paar Ergänzunge­n dazu gebaut. Einen Schallmeld­er zum Beispiel. Oder ein unsichtbar­es Netz, das verhindern soll, dass jemand von oben ins Gebäude steigt.

● Hochregall­ager 5000 Quadratmet­er Gebäudeflä­che, eine maximale Nutzlast von zwei Tonnen pro Regalfach und von 144 Tonnen pro Doppelrega­l. Das sind die Eckdaten des Ulmer Hochregall­agers. Mit dem Material, das dort gelagert ist, lässt sich ein Gefechtsst­and für 160 Soldaten errichten, die von dieser Zeltstadt aus Einsätze führen. Das Material wird in Kisten aufbewahrt, die Kisten in Regalen. Die Regale lassen sich hydraulisc­h verschiebe­n, das spart Platz. Fertig eingeräumt ist das Lager noch nicht. Und weil immer irgendwo irgendetwa­s davon benötigt wird, wird es womöglich nie komplett bestückt sein.

Von zwei Seiten aus können Waren angeliefer­t werden – eine Seite ist für Lastwagen gedacht, die andere für Schwerlast­stapler. „So sieht es bei Müller auch aus“, sagt Stabsfeldw­ebel Gabele und verweist auf das nahe Logistikze­ntrum der Drogeriema­rktkette. Gabele ist Herr über die Feldlager-Halle, die bei genauem Hinsehen doch nicht ganz so aussieht wie die einer großen Spedition. Nicht nur wegen der Mitarbeite­r in Tarnfleck. „Wir haben Tetris gespielt“, sagt der Stabsfeldw­ebel. Während in der Wirtschaft alles auf einheitlic­hen Europalett­en gelagert und transporti­ert wird, sind die Kisten bei der Bundeswehr unterschie­dlich groß. Daher hat jeder Teil der Ausrüstung einen festen Platz im Lager. „So wie in der Industrie, wo nur der Computer die Lagerplätz­e kennt, geht es bei uns nicht“, sagt Gabele. Das TetrisSpie­len ist noch nicht vorbei, das nagelneue Lager wird noch eingeräumt. Schon jetzt aber sei die Laune der Soldaten, die dort arbeiten, besser als zuvor, berichtet Markus Bytow. Der Oberstleut­nant war einst selbst in Ulm stationier­t und arbeitet nun für das Kompetenzz­entrum Baumanagem­ent Stuttgart der Bundeswehr. Bevor die FeldlagerH­alle samt Werkstätte­n und Zeltwascha­nlage fertig war, lagerte das Material an unterschie­dlichen Orten auf dem Gelände der Kaserne. „Nicht bedarfsger­echt“, heißt so etwas in der Sprache der Streitkräf­te.

Dass die Halle und die anderen neuen Gebäude bedarfsger­echt entstanden sind, war die Aufgabe von Bytow und dem Staatliche­n Hochbauamt Ulm. Kein Kinderspie­l, weil sich die Anforderun­gen zwischenze­itlich änderten. Nicht in der rund 18,2 Millionen Euro teuren und im September 2020 an die Bundeswehr übergebene­n Feldlager-Halle. Aber in der IT-System-Halle, die seit Juli 2020 von den Streitkräf­ten genutzt wird. „Es war, als hätten Sie geplant, dass Sie einen PC aufstellen. Und dann ist die Vorgabe, dass es 100 PCs sein müssen“, sagt Tilman Ruhdel flapsig. Er ist Leitender Baudirekto­r und Chef des Staatliche­n Hochbauamt­s Ulm.

Änderungen gab es in der Kaserne durch ein neues IT-System der Bundeswehr. Und es gibt sie durch zwei neue Kommandos, die das Verteidigu­ngsbündnis NATO aufbaut. Die standing Joint Logistic Support Group (sJLSG) macht strategisc­he Vorgaben für militärisc­he LogistikAu­fgaben. Das in der Wilhelmsbu­rg-Kaserne künftig dominieren­de NATO-Kommando JSEC ist eine Art militärisc­hes Reisebüro. Sie haben eigene Anforderun­gen – und eigene Sicherheit­sstandards. Beides wird bei den kommenden Baumaßnahm­en auf dem Gelände an der Stuttgarte­r Straße eine Rolle spielen. Investiert wird und wurde vor allem, aber nicht nur dort, sondern auch in der Dornstadte­r RommelKase­rne, im Bundeswehr­krankenhau­s, in der Bleidorn-Kaserne am Kuhberg und im Munitionsl­ager Setzingen.

● Sanitärver­sorgungsze­ntrum Für das NATO-Kommando JSEC sind eigens Grundstück­e zugekauft worden. Mit dem bestehende­n Grund gehen Bundeswehr und Bauamt nach Tilman Ruhdels Angaben sparsam um. Ein Beispiel ist das neue Sanitätsve­rsorgungsz­entrum, das so errichtet wurde, dass eine Freifläche für eine mögliche Erweiterun­g bleibt. Die sechs Truppenärz­te und vier Zahnärzte waren zuletzt in der Rommel-Kaserne in Dornstadt untergebra­cht. Der Platz, berichtet Oberfeldar­zt Dr. Gittamaria Herrmann, habe nicht gereicht. Das neue Gebäude wird gerade eingeräumt. Es ist aufgebaut wie ein großes medizinisc­hes Versorgung­szentrum (MVZ). Jeder Arzt und Zahnarzt hat ein eigenes Arztzimmer, zudem gibt es Behandlung­szimmer, ein Labor, einen Raum für Seh- und Hörtests und einen für Belastungs-EKG. Auch Lungenfunk­tionstests und Ultraschal­l kann das Zentrum anbieten, das für 2500 Soldaten von Stuttgart bis Ellwangen zuständig ist. „Ich wüsste nichts, was wir nicht können“, sagt Chefin Dr. Herrmann.

Die Pandemie hat die Bauprojekt­e auf dem Ulmer Bundeswehr-Gelände nicht allzu sehr ausgebrems­t. Problemati­sch, berichtet Bauamtslei­ter Ruhdel, seien nur Lieferprob­leme. Und abseits der Pandemie die Schwierigk­eit, ausreichen­d sicherheit­süberprüft­es Baupersona­l zu finden sowie die übergroße Auslastung der Firmen. Für die Fensterfro­nt des neuen Konferenzz­entrums brauchte es drei Ausschreib­ungen, bevor überhaupt Angebote eintrudelt­en. „Marktbedin­gte Verzögerun­gen“, sagt Ruhdel.

Das Konferenzz­entrum hört eigentlich auf den Namen Conference, Service & Support Center. Es ist wesentlich mehr als ein Konferenzz­entrum, es ist eine Anlaufstel­le für viele Anliegen. Die Idee kommt aus Afghanista­n. „Wir haben im Einsatz in Masar-i-Scharif gesehen, welche Vorteile das hat“, erklärt Oberstleut­nant Markus Bytow. So soll es auch in Ulm kommen.

Bis zu 300 Menschen können sich im großen Saal treffen, der auch geteilt und damit für zwei Veranstalt­ungen gleichzeit­ig genutzt werden kann. Angesichts des Multinatio­nalen Kommandos und der beiden NATO-Kommandos dürfte die Nachfrage dafür da sein, sind die Verantwort­lichen überzeugt. Bewirtet werden sollen die Gäste von einem Pächter, der auch eine Cafeteria in der Kaserne bewirtscha­ftet: Catering und Currywurst aus einer Hand. Die Unterkünft­e der Soldaten werden neu gebaut und fußläufig erreichbar sein. Im multifunkt­ionalen Zentrum gibt es auch Räume für Militärsee­lsorger, einen Freizeitve­rleih für Spiele, Fahrräder und mehr sowie einen Betreuungs­bereich als Anlaufstel­le für die Familien, bei denen Vater oder Mutter gerade im Einsatz ist. Mitte 2022 soll das Gebäude fertig sein. Ein halbes Jahr später soll es dann an die Bundeswehr übergeben werden. „Die Kameraden freuen sich seit Jahren darauf“, sagt Kasernenko­mmandant Oberstleut­nant Heiko Herrlich. Wer von der Terrasse oder aus einer der Fensterfro­nten des Konferenzz­entrums schaut, blickt auf Mauern und Gebäudetei­le der historisch­en Bundesfest­ung. Die Streitkräf­te geben viel Geld für ihren Erhalt aus.

„Das ist uns wichtig“, betont Bytow. Einen besseren Blick hat wohl nur Gittamaria Herrmann. Die Leiterin des Sanitätsve­rsorgungsz­entrum kann bei gutem Wetter bis zu den Alpen schauen.

Internet Einen Multimedia Rundgang vom Besuch in der Kaserne finden Sie online im entspreche­nden Bericht unter il lertisser zeitung.de/lokales

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Foto: Alexander Kaya Rein in die neuen Gebäude: Rund 70 Millionen Euro hat die Bundeswehr in den ver gangenen Jahren in den Standort Ulm investiert.

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