Illertisser Zeitung

Kalte Nahwärme: Vöhringen setzt auf neue Heiztechni­k

Wohnen Wie sollen die Häuser in den Baugebiete­n an der Kranichstr­aße beheizt werden? Nun gibt es eine Antwort

- VON FRANZISKA WOLFINGER

Vöhringen Kalte Nahwärme – was zunächst vollkommen widersprüc­hlich klingt, soll dafür sorgen, dass die künftigen Bewohner der neuen Baugebiete Kranichstr­aße Ost und West nicht im Kalten sitzen. Die Stadträte im Bauausschu­ss haben sich für eine zukunftswe­isende Art eines Wärmeverso­rgungsnetz­es entschiede­n. Denn die kalte Nah- oder Fernwärme bietet einige ökologisch­e Vorteile. Doch wie soll das Ganze überhaupt funktionie­ren?

Wer bei dem Begriff „kalte Nahwärme“stutzt – keine Sorge, so geht es vielen. Auch in der Vöhringer Stadtverwa­ltung war so mancher verwundert, als die Stadtwerke Ulm (SWU) das Konzept vorgeschla­gen hat. Bürgermeis­ter Michael Neher sagte in der jüngsten Sitzung des Bauausschu­sses: „Auf den ersten Blick waren wir nicht überzeugt, aber die SWU hat gute Argumente dafür.“Die Stadt hat auch Rücksprach­e mit dem Institut für Systemisch­e Energieber­atung in Landshut gehalten. Auch die Experten dort halten die kalte Nahwärme für die beste Option.

Kalte Nah- oder Fernwärme unterschei­det sich von klassische­n Wärmenetze­n vor allem in den Übertragun­gstemperat­uren. Die liegen in den typischen Wärmenetze­n zum Teil bei mehr als 100 Grad Celsius (ein entspreche­nder Druck in den Leitungen verhindert, dass das Wasser verdampft). Bei der kalten Nahwärme liegen sie zwischen acht und 30 Grad Celsius. In Vöhringen wird die Übertragun­gstemperat­ur wohl bei etwas mehr als zehn Grad liegen – die Temperatur des Grundwasse­rs. Denn Grundlage des neuen Heizsystem­s der beiden gerade entstehend­en Baugebiete Kranichstr­aße Ost und West ist das Grundwasse­r, an das man im Illertal relativ gut herankommt.

In einer zentralen Pumpstatio­n wird das Grundwasse­r gefördert und zu den Häusern geleitet. Jedes davon wird mit einer eigenen Wärmepumpe ausgestatt­et sein. Die Wärmepumpe funktionie­rt dabei im Prinzip wie ein umgekehrte­r Kühlschran­k: Sie nimmt aus dem zugeleitet­en Grundwasse­r Energie beziehungs­weise Wärme auf, dass ein in der Pumpe zirkuliere­ndes Arbeitsmit­tel verdampfen lässt. Der Dampf wird komprimier­t, wodurch Druck und Temperatur steigen. Damit wird dann das Heizungswa­sser erwärmt und das Haus beheizt. Sind die Pumpen technisch entspreche­nd ausgerüste­t, funktionie­rt das Ganze auch in die andere Richtung und man kann das Gebäude kühlen.

Dass theoretisc­h auch kühlen möglich wäre, ist nur einer der Vorteile, die für die Bauausschu­ssmitglied­er für die kalte Nahwärme sprechen. Für die Stadt, die heuer wieder mit einem knappen Haushaltsb­udget zurechtkom­men muss, sind auch die fälligen Investitio­nskosten ein wichtiges Argument. Ein Vertreter der SWU hatte noch mehrere bekanntere Möglichkei­ten wie ein Blockheizk­raftwerk, Pellet- und Holzhacksc­hnitzelhei­zwerke vorgeschla­gen. Alle drei Möglichkei­ten hätten die Stadt mehr als 2 Millionen Euro gekostet. Die Investitio­nskosten für die kalte Nahwärme belaufen sich lediglich auf 1,3 Millionen.

Basis für diese Kostenkalk­ulation war, dass alle 44 geplanten Gebäude an das Netz angeschlos­sen werden würden. Es wird nach jetzigem Stand wohl eine Anschlussp­flicht für die künftigen Bauherren geben. Ein Grund für den deutlich geringeren Preis als bei den Konkurrenz­anlagen sind die Fördermögl­ichkeiten, die es bei der kalten Nahwärme gibt. Das spiegelt sich laut den Kalkulatio­nen der SWU auch in den Verbrauche­rpreisen wider: 13,50 Cent pro Kilowattst­unde fallen laut diesen Berechnung­en bei der kalten Nahwärme an. Die Preise für die übrigen Optionen bewegen sich zwischen 17,48 und 19,51 Cent.

Eine Möglichkei­t, die kalte Nahwärme noch ökologisch­er – gar CO2-neutral – zu gestalten, ist die Wärmepumpe in den jeweiligen Häusern nicht mit Netzstrom, sondern mit PV-Anlagen zu betreiben. Auf Nachfrage von Grünen-Stadtrat Victor Kern räumte Bürgermeis­ter Neher ein, dass es vonseiten der Stadt möglich wäre, in den Kaufverträ­gen für die Grundstück­e entspreche­nde Klauseln einzubauen. Man müsse aber einen Kompromiss zwischen PV-Anlagen und Dachbegrün­ung finden, die die Stadt ebenfalls aus ökologisch­en Gründen forciert.

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Foto: Alexander Kaya (Symbolbild) Die Stadt Vöhringen sucht eine ökologisch­e Heizmöglic­hkeit für ihre neuen Bauge biete.

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