Kalte Nahwärme: Vöhringen setzt auf neue Heiztechnik
Wohnen Wie sollen die Häuser in den Baugebieten an der Kranichstraße beheizt werden? Nun gibt es eine Antwort
Vöhringen Kalte Nahwärme – was zunächst vollkommen widersprüchlich klingt, soll dafür sorgen, dass die künftigen Bewohner der neuen Baugebiete Kranichstraße Ost und West nicht im Kalten sitzen. Die Stadträte im Bauausschuss haben sich für eine zukunftsweisende Art eines Wärmeversorgungsnetzes entschieden. Denn die kalte Nah- oder Fernwärme bietet einige ökologische Vorteile. Doch wie soll das Ganze überhaupt funktionieren?
Wer bei dem Begriff „kalte Nahwärme“stutzt – keine Sorge, so geht es vielen. Auch in der Vöhringer Stadtverwaltung war so mancher verwundert, als die Stadtwerke Ulm (SWU) das Konzept vorgeschlagen hat. Bürgermeister Michael Neher sagte in der jüngsten Sitzung des Bauausschusses: „Auf den ersten Blick waren wir nicht überzeugt, aber die SWU hat gute Argumente dafür.“Die Stadt hat auch Rücksprache mit dem Institut für Systemische Energieberatung in Landshut gehalten. Auch die Experten dort halten die kalte Nahwärme für die beste Option.
Kalte Nah- oder Fernwärme unterscheidet sich von klassischen Wärmenetzen vor allem in den Übertragungstemperaturen. Die liegen in den typischen Wärmenetzen zum Teil bei mehr als 100 Grad Celsius (ein entsprechender Druck in den Leitungen verhindert, dass das Wasser verdampft). Bei der kalten Nahwärme liegen sie zwischen acht und 30 Grad Celsius. In Vöhringen wird die Übertragungstemperatur wohl bei etwas mehr als zehn Grad liegen – die Temperatur des Grundwassers. Denn Grundlage des neuen Heizsystems der beiden gerade entstehenden Baugebiete Kranichstraße Ost und West ist das Grundwasser, an das man im Illertal relativ gut herankommt.
In einer zentralen Pumpstation wird das Grundwasser gefördert und zu den Häusern geleitet. Jedes davon wird mit einer eigenen Wärmepumpe ausgestattet sein. Die Wärmepumpe funktioniert dabei im Prinzip wie ein umgekehrter Kühlschrank: Sie nimmt aus dem zugeleiteten Grundwasser Energie beziehungsweise Wärme auf, dass ein in der Pumpe zirkulierendes Arbeitsmittel verdampfen lässt. Der Dampf wird komprimiert, wodurch Druck und Temperatur steigen. Damit wird dann das Heizungswasser erwärmt und das Haus beheizt. Sind die Pumpen technisch entsprechend ausgerüstet, funktioniert das Ganze auch in die andere Richtung und man kann das Gebäude kühlen.
Dass theoretisch auch kühlen möglich wäre, ist nur einer der Vorteile, die für die Bauausschussmitglieder für die kalte Nahwärme sprechen. Für die Stadt, die heuer wieder mit einem knappen Haushaltsbudget zurechtkommen muss, sind auch die fälligen Investitionskosten ein wichtiges Argument. Ein Vertreter der SWU hatte noch mehrere bekanntere Möglichkeiten wie ein Blockheizkraftwerk, Pellet- und Holzhackschnitzelheizwerke vorgeschlagen. Alle drei Möglichkeiten hätten die Stadt mehr als 2 Millionen Euro gekostet. Die Investitionskosten für die kalte Nahwärme belaufen sich lediglich auf 1,3 Millionen.
Basis für diese Kostenkalkulation war, dass alle 44 geplanten Gebäude an das Netz angeschlossen werden würden. Es wird nach jetzigem Stand wohl eine Anschlusspflicht für die künftigen Bauherren geben. Ein Grund für den deutlich geringeren Preis als bei den Konkurrenzanlagen sind die Fördermöglichkeiten, die es bei der kalten Nahwärme gibt. Das spiegelt sich laut den Kalkulationen der SWU auch in den Verbraucherpreisen wider: 13,50 Cent pro Kilowattstunde fallen laut diesen Berechnungen bei der kalten Nahwärme an. Die Preise für die übrigen Optionen bewegen sich zwischen 17,48 und 19,51 Cent.
Eine Möglichkeit, die kalte Nahwärme noch ökologischer – gar CO2-neutral – zu gestalten, ist die Wärmepumpe in den jeweiligen Häusern nicht mit Netzstrom, sondern mit PV-Anlagen zu betreiben. Auf Nachfrage von Grünen-Stadtrat Victor Kern räumte Bürgermeister Neher ein, dass es vonseiten der Stadt möglich wäre, in den Kaufverträgen für die Grundstücke entsprechende Klauseln einzubauen. Man müsse aber einen Kompromiss zwischen PV-Anlagen und Dachbegrünung finden, die die Stadt ebenfalls aus ökologischen Gründen forciert.