Nürnberger sind als „Nikolaus-Touristen“in Illertissen
Tradition Theo, Valentin und Vitus sind extra für den Besuch von Nikolaus und Ruprecht zu Besuch gekommen.
Illertissen Alle Jahre wieder – nein, nicht das Lied vom Christuskind, sondern der Besuch bei Oma Romy Jenuwein in Illertissen. Der war jetzt wieder fällig für den neunjährigen Theo und die sechs Jahre alten Zwillinge Valentin und Vitus Fiedler aus Nürnberg. Warum sie regelmäßig um den 6. Dezember zu Besuch kommen, hat einen bestimmten Grund: Sankt Nikolaus und Knecht Ruprecht könnten dann nämlich bei der Oma vorbeischauen. Die Gabenbringer scheinen das Schwabenland und die Region Illertissen zu favorisieren.
Daher also die Oma-Besuche stets um diese Zeit in der Hoffnung, einen Vertreter des Heiligen samt Begleiter zu treffen und etwas geschenkt zu bekommen. Bis auf vergangenes Jahr sei der Plan auch immer aufgegangen. „Da hat er wegen Corona nicht persönlich kommen können“, weiß Theo Fiedler. Umso größer war also die Spannung, ob es Nikolaus und Ruprecht heuer schaffen könnten.
Und tatsächlich hat es geklappt, nach allen Regeln der Corona-Vorschriften. Passend zum Glockengeläut von St. Martin zur Abendmesse bogen Sankt Nikolaus und Knecht Ruprecht um die Ecke. Schellengebimmel kündigte ihr Kommen an, dann klingelten sie an der Haustüre der Jenuweins. „Der Nikolaus ist da“, brauchten sie nur zu rufen, und schon wurde die Türe aufgerissen.
Im Wohnzimmer wurde es dann richtig aufregend: Theo als Ältester durfte den goldenen Stab des Bischofs halten, damit dieser aus seinem goldenen Buch vorlesen konnte, was von „braven“Kindern so erwartet werde: „Das Zimmer aufräumen, beim Zubettgehen sich nicht zu lange mahnen lassen oder auch auf eine gesunde Ernährung achten“, so erzählten die drei hinterher noch tief beeindruckt. Denn der Heilige hatte offenbar ziemlich den Nagel auf den Kopf getroffen.
Mit der Nervenanspannung war es jedoch noch nicht vorbei, denn Knecht Ruprecht bat die Buben vor die Haustüre. Diesmal wollte er seinen Gabensack im Freien öffnen. Etwas überrascht, aber doch selbstsicher trugen sie das traditionelle Nikolauslied „Lasst uns froh und munter sein“vor. Erst dann verteilte der Nikolaushelfer seine kleinen Päckchen. Die Kinder strahlten. Was die Gesundheit angehe, beeilte sich Valentin zu sagen, treibe er ganz viel Sport. Und Zwillingsbruder Vitus hob hervor, dass er gesunden Fische esse, etwa Seeteufel, und nicht wie die anderen „nur“Fischstäbchen.
Meta Jenuwein, der Mutter der drei Buben, ist es wichtig, dass ihre Kinder die Nikolaustradition ähnlich schön erleben können wie sie selbst in ihrer Kindheit in Illertissen. Im jetzigen Zuhause der Familie mit Ehemann Stefan Fiedler im protestantischen Nürnberg gebe es keine Nikolausbesuche von Haus zu Haus. Stattdessen sei in Nürnberg schon im Advent das Christkind unterwegs, und auch der heilige Martin würde Kleinigkeiten bringen. Jenuwein erklärt: „Formen der Gabenverteilung für brave Kinder in der Adventszeit gibt es natürlich, aber wir fahren nach Illertissen, um Sankt Nikolaus und Knecht Ruprecht zu treffen.“
Die Rolle habe sich im Laufe ihrer 40-jährigen „Berufserfahrung“nicht geändert, sagen Ottmar Rädler, der Nikolaus, und Franz Eigner, im Gewand des Knecht Ruprecht. Und sie betonen, dass ihnen die leuchtenden Kinderaugen immer wieder Freude machten. Glücklicherweise sei es heute etwas anders als zu früheren Zeiten. „Früher sind Kinder schon mal unters Sofa geschlüpft oder weinten. Obwohl wir nicht kamen, um Angst einzujagen“, so Rädler, der auch Vorsitzender des Kolpingvereins ist. Dann hätten sie als Erstes beruhigende Worte finden müssen. Ähnlich verhalte es sich beim Knecht Ruprecht. Franz Eigner erklärt: „Deswegen hat der Bischofsbegleiter heute keine lange Rute, sondern kurze Zweige in der Hand, um vielleicht etwas herumzufuchteln und so den Worten des Bischofs mehr Nachdruck zu verleihen.“
Die Organisation der KolpingNikoläuse, die in Illertissen seit gut 70 Jahren Dienst tun, koordiniert auch heuer Karl-Josef Werner. Wichtig ist ihm da der Hinweis, dass eingenommene Spenden insbesondere Kindern zugutekommen, indem soziale Einrichtungen bedacht werden. Unter anderem die Kartei der Not, das Leserhilfswerk unserer Zeitung.