Die nächste Herausforderung wartet
Wirtschaft Die Genossenschafts-, Volks- und Raiffeisenbanken im Unterallgäu und in Memmingen haben im vergangenen Jahr in allen Kundenbereichen zugelegt.
Unterallgäu Wäre die Wirtschaft im Unterallgäu und der Stadt Memmingen ein Mensch, könnte man ihr ein hervorragendes Immunsystem attestieren. Denn wie Anton Jall, der Vorsitzende des Genossenschaftskreisverbandes Unterallgäu, in der Jahrespressekonferenz in Erkheim erläuterte, hat sich Corona nur sehr vereinzelt auf die Betriebe in der Region ausgewirkt. Entsprechend gut stehen auch die Genossenschaftsbank Unterallgäu und die fünf Volks- und Raiffeisenbanken in dem Verbund da. Für dieses Jahr sind die Bankvorstände zwar ebenfalls optimistisch, sehen aber auch große Herausforderungen.
So sei gegenwärtig nicht absehbar, wie sich der Krieg in der Ukraine auf die Wirtschaft in der Region auswirken wird. Nach einer ersten Analyse hätten zwar etliche Firmen Geschäftsbeziehungen nach Russland, „ich sehe da aber kein einschneidendes Problem auf uns zukommen“, sagte Jall – allerdings unter dem Vorbehalt, dass die weitere Entwicklung schlicht nicht vorhersehbar sei.
Er geht davon aus, dass im Zuge der Sanktionen gegen Russland das Thema Energie zunehmend an Bedeutung gewinnen wird. „Das treibt uns schon um“, so Jall. Eine Wiederbelebung der „Projektentwicklungsgesellschaft Windkraft Unterallgäu“hält er gleichwohl für ausgeschlossen. Sie war 2013 vom Landkreis, der damaligen Sparkasse Memmingen-Lindau-Mindelheim, der Genossenschaftsbank Unterallgäu, vier Volks- und Raiffeisenbanken und der Baywa r. e. Wind GmbH gegründet worden, um die Energiewende zusammen mit den Bürgern zu gestalten. Die Einführung der 10H-Regel 2015 bedeutete dann aber das Ende der Projektentwicklungsgesellschaft, in die nicht nur viel Zeit, sondern auch rund 47.000 Euro geflossen waren. Sie sei durch politische Entscheidungen zum Erliegen gekommen, so Jall. Ein zweites Mal wolle sich kein Beteiligter diesem Risiko aussetzen.
Um den Menschen aus der Ukraine zu helfen, die im Unterallgäu Schutz suchen, will der Kreisverband für jedes der rund 61.750 Mitglieder 50 Cent spenden, also fast 31.000 Euro. Bereits im vergangenen Jahr haben die sechs Banken zahlreiche Vereine und soziale Einrichtungen mit mehr als 334.000 Euro unterstützt, das sind fast 13 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Möglich machte das eine Geschäftsentwicklung, mit der die Bankvorstände sehr zufrieden sind: Die Bilanzsumme stieg 2021 um 5,5 Prozent auf rund 4,1 Milliarden Euro. Das zeigt laut Jan Wanner, Vorstand der VR-Bank Memmingen, dass die Menschen weiterhin sparen. Aufgrund der nach wie vor üblichen Negativzinsen stelle das die Banken aber auch vor Herausforderungen.
Das Kreditvolumen kletterte sogar um fast 12 Prozent auf 2,6 Milliarden Euro. Das ist laut Walter Eberhard, dem Vorstandsvorsitzenden der Raiffeisenbank Pfaffenhausen, insbesondere auf die enorm hohe Nachfrage nach Immobilien zurückzuführen: „Unsere Kunden suchen händeringend Immobilien.“Die Möglichkeit zum Homeoffice habe diesen Wunsch befeuert: Wer nicht täglich pendeln muss, zieht gerne von der Stadt aufs günstigere Land oder sucht sich eine größere Bleibe, um ein Büro unterzubringen.
Auch Firmen und Landwirte investieren weiterhin kräftig und tragen so zur guten Eigenkapitalausstattung der sechs Banken bei. Diese haben nicht zuletzt durch Corona einen Digitalisierungsschub erlebt: Laut Helmut Graf, dem Vorstandsvorsitzenden der Raiffeisenbank Schwaben Mitte, erledigen inzwischen 80 Prozent der Kundinnen und Kunden ihre Bankgeschäfte online. Die jeweilige Homepage sei deshalb die „bestfrequentierte Filiale“, so Eberhard, der damit auch die drei Filialschließungen im vergangenen Jahr begründet: Im Raum Memmingen wurden die Geschäftsstellen in Illerbeuren und Boos geschlossen und in der Filiale in der Memminger Bodenseestraße soll es künftig nur noch einen Geldautomaten, aber keine Beratung mehr geben. Ebenfalls Geschichte ist die Filiale in Loppenhausen. Weitere Schließungen seien gegenwärtig aber nicht geplant.
Ein großes Thema für die Anlegerinnen und Anleger ist die Inflation. Er habe noch nie so viel Gold verkauft wie im vergangenen Jahr, sagte Graf, der mit einer weiterhin hohen Nachfrage rechnet. Diese sei auch bei den Schließfächern ungebrochen. Die langen Schlangen vor russischen Banken vor Augen, setzten auch in der Region viele Sparerinnen und Sparer verstärkt auf Bargeld, hat Jall beobachtet. Sein Kollege Eberhard rät mit Blick auf Kriminelle aber dringend davon ab, es zuhause zu verstecken. Auch ein eigener Safe sei im Falle eines bewaffneten Überfalls nicht sicher und deshalb ein Schließfach die bessere Alternative.
Die Bankvorstände hoffen, dass die Kundinnen und Kunden bald auch wieder Zinsen für ihr Erspartes bekommen. „Notwendig wäre ein Ende der Negativzinspolitik schon lange“, sagte Jall, der der Europäischen Zentralbank in diesem Zusammenhang verbotene Staatsfinanzierung vorwirft.