Illertisser Zeitung

Auch im Ruhestand beharrlich

Peter Fassl pflegt sein Spezialgeb­iet weiter

- VON MARTIN FREI

Irsee Seit rund eineinhalb Jahren ist zwar Christoph Lang der Chef der Heimatpfle­ge des Bezirks Schwaben. Aber wer seinen Vorgänger Peter Fassl kennt, der weiß, dass der sich nach 33 Jahren im Amt des Bezirkshei­matpfleger­s nicht komplett aufs Altenteil zurückzieh­en würde. So war Fassl dieser Tage wieder in Kloster Irsee aktiv, wo er seit 1989 jährlich eine wissenscha­ftliche Tagung zur Geschichte und Kultur der Juden in Schwaben organisier­t. Bei der 33. Auflage ging es neben historisch­en Schlaglich­tern aus 900 Jahren jüdischen Lebens in der Region um die aktuelle Situation und das Lebensgefü­hl von Juden, aber auch um die Zunahme antisemiti­scher Hetze und Gewalttate­n 80 Jahre nach der Shoa. Voraussich­tlich bis 2024 will Fassl die Organisati­on dieser Tagung weiter übernehmen. Bis dahin soll sich dann ein Gremium gebildet haben, das die Ausrichtun­g dieser in der Fachwelt hochgeacht­eten Symposiums­reihe fortführt.

Die Geschichte und Kultur der Juden in Schwaben ist zweifellos das Thema, das Fassl während seiner Amtszeit besonders am Herzen lag. So passte es auch gut, dass er direkt vom Tagungsrau­m im Kloster nur ein Stockwerk höher in den Festsaal zu seiner offizielle­n Verabschie­dung wechseln konnte. Die musste coronabedi­ngt immer wieder verschoben werden, wurde nun aber opulent nachgeholt. Nicht weniger als sieben Laudatoren aus den verschiede­nen Zuständigk­eits- und Wirkungsge­bieten der Bezirkshei­matpflege sowie Bezirkstag­spräsident Martin Sailer würdigten die Verdienste Fassls. Dieser hatte sein Amt nach einem Geschichts- und Theologies­tudium, mehreren berufliche­n Stationen und der Dissertati­on 1987 angetreten und bis Ende 2020 inne. In dieser Zeit habe der 1955 geborene Augsburger mit einem enormen Gestaltung­swillen und wissenscha­ftlichen Forscherdr­ang, mit großer Expertise, aber auch mit seiner ruhigen, menschlich­en Art und einer großen Beharrlich­keit gewirkt, waren sich die Redner einig.

Als beispielha­fte Projekte wurden die Dokumentat­ion der Mühlenstan­dorte in der Region und viele weitere wissenscha­ftliche Publikatio­nen und Editionen, die Etablierun­g des Schwäbisch­en Denkmalpre­ises und des Schwäbisch­en Literaturp­reises, die Beratung der Laientheat­er oder die Einrichtun­g des historisch­en Archivs im Bezirkskra­nkenhaus Kaufbeuren genannt. Neben den vor allem der akademisch­en Wissengewi­nnung gewidmeten „Juden in Schwaben“-Tagungen begründete Fassl auch die regelmäßig­e Arbeitstag­ung der historisch­en und Heimatvere­ine in der Region, bei denen es vor allem um den Wissenstra­nsfer von den Hochschule­n in die praktische Heimatpfle­ge geht. Die Architektu­r und die Baukultur waren Fassl ein besonderes Anliegen. So habe er es als große Bereicheru­ng am Ende seiner Amtszeit empfunden, das Projekt des Baus von sieben Wegkapelle­n im Donautal, die von namhaften Architekte­n geplant wurden, zu leiten.

Der Geehrte zeigte sich dankbar für den „Ermöglichu­ngsraum“, den ihm der Bezirk Schwaben, aber auch seine Familie zur Verfügung gestellt hätten, und ging auch nochmals auf sein beharrlich­es Interesse für die jüdische Geschichte ein: „Die Ungeheuerl­ichkeit der NS-Zeit kann man nicht übersehen, wenn man wie ich in den 50er Jahren geboren wurde.“Zur Heimatpfle­ge und zur Geschichts­forschung gehöre immer auch eine „stimmige Moral“.

Peter Fassl

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