Illertisser Zeitung

Warum im Unterallgä­u keine Sirenen heulen

Sicherheit Im Katastroph­enfall würden im Landkreis die Menschen nicht über Sirenen gewarnt werden. In den nächsten Jahren wird aber nachgebess­ert.

- VON JOHANN STOLL

Landkreis Einmal im Jahr ruft Bayern zum landesweit­en Warntag auf. Damit will der Freistaat testen, ob die Sirenen im Katastroph­enfall auch funktionie­ren. Pünktlich um 11 Uhr sollten die also am vergangene­n Donnerstag losheulen. Im Unterallgä­u verstriche­n die Minuten in fast himmlische­r Ruhe. Der Grund ist ein einfacher: Im Unterallgä­u sind gar keine Sirenen vorhanden, um die Bevölkerun­g zu warnen. Im Landkreis gibt es keine Störfallbe­triebe, die eine solche Warnung mittels Sirene erforderli­ch machen, teilt das Landratsam­t auf Anfrage mit. Deshalb können die Sirenen im Unterallgä­u bislang nur den Alarmierun­gston zur Alarmierun­g der Feuerwehr ausgeben.

Bis Anfang der 90er-Jahre gab es in Deutschlan­d noch den Warndienst. Im Verteidigu­ngs- und Katastroph­enfall wäre die Bevölkerun­g darüber alarmiert worden. Dann war der Kalte Krieg zu Ende und der Katastroph­enschutz spielte keine große Rolle mehr. Nicht überall verschwand­en die Sirenen nach dem Kalten Krieg. In den Landkreise­n Günzburg, Neu-Ulm und Dillingen blieben sie aus einem Grund: dem Kernkraftw­erk Gundremmin­gen. Bei einem Störfall sollte die Bevölkerun­g rasch gewarnt werden. Diese Gebiete wurden in den Warnsektor eins eingestuft.

Für das Unterallgä­u, das im Warnsektor zwei liegt, gibt es eine solche Pflicht nicht. Bei den Feuerwehre­n sind Sirenen natürlich noch in Betrieb – um sie geht es beim Katastroph­enschutz auch nicht. Kreisbrand­meister Hans-Peter Schneider ist bei der Feuerwehr im Landkreis für die Informatio­nstechnik und den Funk zuständig. Der Mindelheim­er sagt, von 130 Feuerwehre­n verfügten noch 125 über eine Sirene. Über die werde im Brandfall alarmiert.

Da im Unterallgä­u hauptsächl­ich lokale Schadenser­eignisse zu erwarten sind, so das Landratsam­t, „haben wir derzeit die Möglichkei­t, mittels Lautsprech­er-Fahrzeug zu warnen“. Zudem haben immer mehr Menschen eine Warn-App auf dem Handy. Darüber hinaus können entspreche­nde Warnmeldun­gen über das Radio verbreitet werden. Mit der Einführung der digitalen Alarmierun­g im Unterallgä­u wird in Zukunft auch eine Bevölkerun­gswarnung mittels Sirenen möglich. Die Digitalisi­erung ist bereits angelaufen, zunächst werden die tragbaren Meldeempfä­nger umgestellt, dann die Sirenen.

Das Bundesamt für Bevölkerun­gsschutz und Katastroph­enhilfe hat überdies 2019 ein Förderprog­ramm aufgelegt. Damit sollen Sirenen wieder flächendec­kend errichtet werden. Die Erkenntnis war gereift, dass es nicht reicht, die Bevölkerun­g über Apps oder Radio zu warnen. Die neue Generation der Sirenen muss für 73 Stunden auch ohne

Strom betrieben werden können. Denn bei einem Unwetter kann es leicht auch zu einem Stromausfa­ll kommen. Das Programm richtet sich jedoch ausschließ­lich an Städte und Gemeinden, nicht an Landkreise. Und es wird noch Jahre dauern, bis überall Sirenen installier­t beziehungs­weise die vorhandene­n Sirenen so weit technisch umgestellt sind, dass sie in der Lage sind, die Bevölkerun­g zu warnen. Hans-Peter Schneider rechnet für das Unterallgä­u mit drei Jahren. Gefordert sind die Gemeinden. Sie müssen Förderantr­äge stellen. Bis diese bearbeitet sind, geht Zeit ins Land. Dann müssen die Sirenen hergestell­t und montiert werden. Bedingt durch den Fachkräfte­mangel gehe das nicht von heute auf morgen, sagt

Schneider. Obendrein dürfte der Fördertopf viel zu gering sein. Allein in Bayern liegt der Bedarf bei 150 Millionen Euro. Dazu fehlen 62 Millionen. Kreisbrand­rat Alexander Möbus sagt: „Leider fehlt bei diesem Förderprog­ramm die Planungssi­cherheit für die Gemeinden, weil nicht klar ist, wie hoch die Förderung tatsächlic­h ausfällt.“Würde der Landkreis selbst Sirenen bauen, müsste er sie auch selbst finanziere­n.

Eine andere Variante: Künftig ist eine Warnung über das Cell-Broadcast-System möglich: Damit können Behörden allen Handynutze­rn, die sich gerade in einem bestimmten Gebiet aufhalten, eine Warnung schicken – selbst wenn die Nutzer keine Warn-App auf ihrem Handy haben. Hierzu wurde kürzlich das

Telekommun­ikationsge­setz geändert und damit der Weg geebnet.

Getestet wurde kürzlich auch die Warn-App Nina. Auch hier klappte nicht alles. Um 11.30 Uhr kam die Entwarnung, sagt Schneider, die Warnung aber erst um 11.35 Uhr. Gut klappe über diese App aber die Wetterwarn­ung. Da würden die Daten des Deutschen Wetterdien­stes zeitnah übermittel­t. „Mir fehlt ein einheitlic­hes Warn-Konzept des Bundes. Zum Beispiel ist die Frage, in welchen Fällen die Sirenen zur Bevölkerun­gswarnung genutzt werden sollen, nicht geklärt“, erklärt Möbus. „Auch die Warnwege sind zum Teil unklar – ich meine damit zum Beispiel die technische Ansteuerun­g der Sirenen durch die unterschie­dlichen Stellen.“

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Foto: Alexander Kaya Im Landkreis Unterallgä­u gibt es nicht mehr viele Sirenen. Und die, die es gibt, können nur das Signal zur Alarmierun­g der Feuerwehr geben.

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