Warum im Unterallgäu keine Sirenen heulen
Sicherheit Im Katastrophenfall würden im Landkreis die Menschen nicht über Sirenen gewarnt werden. In den nächsten Jahren wird aber nachgebessert.
Landkreis Einmal im Jahr ruft Bayern zum landesweiten Warntag auf. Damit will der Freistaat testen, ob die Sirenen im Katastrophenfall auch funktionieren. Pünktlich um 11 Uhr sollten die also am vergangenen Donnerstag losheulen. Im Unterallgäu verstrichen die Minuten in fast himmlischer Ruhe. Der Grund ist ein einfacher: Im Unterallgäu sind gar keine Sirenen vorhanden, um die Bevölkerung zu warnen. Im Landkreis gibt es keine Störfallbetriebe, die eine solche Warnung mittels Sirene erforderlich machen, teilt das Landratsamt auf Anfrage mit. Deshalb können die Sirenen im Unterallgäu bislang nur den Alarmierungston zur Alarmierung der Feuerwehr ausgeben.
Bis Anfang der 90er-Jahre gab es in Deutschland noch den Warndienst. Im Verteidigungs- und Katastrophenfall wäre die Bevölkerung darüber alarmiert worden. Dann war der Kalte Krieg zu Ende und der Katastrophenschutz spielte keine große Rolle mehr. Nicht überall verschwanden die Sirenen nach dem Kalten Krieg. In den Landkreisen Günzburg, Neu-Ulm und Dillingen blieben sie aus einem Grund: dem Kernkraftwerk Gundremmingen. Bei einem Störfall sollte die Bevölkerung rasch gewarnt werden. Diese Gebiete wurden in den Warnsektor eins eingestuft.
Für das Unterallgäu, das im Warnsektor zwei liegt, gibt es eine solche Pflicht nicht. Bei den Feuerwehren sind Sirenen natürlich noch in Betrieb – um sie geht es beim Katastrophenschutz auch nicht. Kreisbrandmeister Hans-Peter Schneider ist bei der Feuerwehr im Landkreis für die Informationstechnik und den Funk zuständig. Der Mindelheimer sagt, von 130 Feuerwehren verfügten noch 125 über eine Sirene. Über die werde im Brandfall alarmiert.
Da im Unterallgäu hauptsächlich lokale Schadensereignisse zu erwarten sind, so das Landratsamt, „haben wir derzeit die Möglichkeit, mittels Lautsprecher-Fahrzeug zu warnen“. Zudem haben immer mehr Menschen eine Warn-App auf dem Handy. Darüber hinaus können entsprechende Warnmeldungen über das Radio verbreitet werden. Mit der Einführung der digitalen Alarmierung im Unterallgäu wird in Zukunft auch eine Bevölkerungswarnung mittels Sirenen möglich. Die Digitalisierung ist bereits angelaufen, zunächst werden die tragbaren Meldeempfänger umgestellt, dann die Sirenen.
Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe hat überdies 2019 ein Förderprogramm aufgelegt. Damit sollen Sirenen wieder flächendeckend errichtet werden. Die Erkenntnis war gereift, dass es nicht reicht, die Bevölkerung über Apps oder Radio zu warnen. Die neue Generation der Sirenen muss für 73 Stunden auch ohne
Strom betrieben werden können. Denn bei einem Unwetter kann es leicht auch zu einem Stromausfall kommen. Das Programm richtet sich jedoch ausschließlich an Städte und Gemeinden, nicht an Landkreise. Und es wird noch Jahre dauern, bis überall Sirenen installiert beziehungsweise die vorhandenen Sirenen so weit technisch umgestellt sind, dass sie in der Lage sind, die Bevölkerung zu warnen. Hans-Peter Schneider rechnet für das Unterallgäu mit drei Jahren. Gefordert sind die Gemeinden. Sie müssen Förderanträge stellen. Bis diese bearbeitet sind, geht Zeit ins Land. Dann müssen die Sirenen hergestellt und montiert werden. Bedingt durch den Fachkräftemangel gehe das nicht von heute auf morgen, sagt
Schneider. Obendrein dürfte der Fördertopf viel zu gering sein. Allein in Bayern liegt der Bedarf bei 150 Millionen Euro. Dazu fehlen 62 Millionen. Kreisbrandrat Alexander Möbus sagt: „Leider fehlt bei diesem Förderprogramm die Planungssicherheit für die Gemeinden, weil nicht klar ist, wie hoch die Förderung tatsächlich ausfällt.“Würde der Landkreis selbst Sirenen bauen, müsste er sie auch selbst finanzieren.
Eine andere Variante: Künftig ist eine Warnung über das Cell-Broadcast-System möglich: Damit können Behörden allen Handynutzern, die sich gerade in einem bestimmten Gebiet aufhalten, eine Warnung schicken – selbst wenn die Nutzer keine Warn-App auf ihrem Handy haben. Hierzu wurde kürzlich das
Telekommunikationsgesetz geändert und damit der Weg geebnet.
Getestet wurde kürzlich auch die Warn-App Nina. Auch hier klappte nicht alles. Um 11.30 Uhr kam die Entwarnung, sagt Schneider, die Warnung aber erst um 11.35 Uhr. Gut klappe über diese App aber die Wetterwarnung. Da würden die Daten des Deutschen Wetterdienstes zeitnah übermittelt. „Mir fehlt ein einheitliches Warn-Konzept des Bundes. Zum Beispiel ist die Frage, in welchen Fällen die Sirenen zur Bevölkerungswarnung genutzt werden sollen, nicht geklärt“, erklärt Möbus. „Auch die Warnwege sind zum Teil unklar – ich meine damit zum Beispiel die technische Ansteuerung der Sirenen durch die unterschiedlichen Stellen.“