Woher kommt die hohe Zahl der Covid-Toten?
Pandemie Nach wie vor sterben weiter täglich viele Menschen, die sich mit Corona infiziert haben. Doch diese Aussage des Robert-Koch-Instituts ist mit großer Vorsicht zu bewerten. Unterdessen rüstet sich der Freistaat für den Herbst.
München Sicher ist es so, dass die schrecklichen Kriegsereignisse in der Ukraine in den vergangenen Wochen das Thema Covid in den Hintergrund gedrängt haben. Aber dennoch sterben weiterhin täglich Menschen an oder mit der Viruserkrankung. Am Freitag vermeldete das Robert-Koch-Institut (RKI) 151 zusätzliche Todesfälle – vom Vortag. Doch wie passt das zusammen mit den allgemein sinkenden Inzidenzen?
Für den Corona-Experten Prof. Clemens Wendtner von der München Klinik Schwabing (er behandelte vor über zwei Jahren den ersten deutschen Covid-Patienten) steht das nicht zwingend in Widerspruch. „Wir haben bei uns kaum noch Patienten, die an Covid sterben. Das war in den früheren Phasen der Pandemie deutlich anders“, sagt der Infektiologe und Onkologe gegenüber unserer Redaktion. „Sie tragen zwar den Stempel Corona, weil sie positiv getestet wurden.“Aber als Todesursache sehe er in der Praxis in erster Linie viel schwerwiegendere Begleiterkrankungen, wie etwa Krebs. „Der jüngste Todesfall mit Covid bei uns war ein Patient mit einem Bauchspeicheldrüsenkrebs.“Viele seien überdies hochbetagt. „Aber das Alles wird in
Experte warnt vor „Alarmismus“
den Statistiken des RKI gar nicht erfasst. Es heißt dann nur, der Verstorbene hatte Covid. Doch das ist eine unbefriedigende Unschärfe.“Die dringend beseitigt werden müsse. „Wir wünschen uns hier ein Nachschärfen des RKI.“
Viele Patientinnen und Patienten, die in seiner Klinik wegen Covid behandelt würden, seien durchaus geimpft. „Das klingt fast wie ein Paradoxon.“Und tatsächlich höre man immer wieder, dass Menschen daraus schließen, dass die Impfung ja gar nichts bringe. „Das ist natürlich nicht richtig“, sagt Chefarzt Clemens Wendtner.
Die Impfung schütze definitiv mit einer hohen Wahrscheinlichkeit vor schweren Verläufen. Überdies gebe es immer noch keine wirklichen Durchbrüche beim Thema Medikamente, die eingesetzt werden, wenn jemand bereits an Covid erkrankt ist. Zwar habe die Pharmaindustrie sogenannte neutralisierende monoklonale Antikörper entwickelt. Doch durch die sich ständig verändernden Corona-Varianten seien diese nicht immer passgenau. Was die Arbeit des Mediziners erschwere. Für den Herbst rechnet der Infektiologe wieder mit einem Anstieg der Fallzahlen, wobei es ihm wichtig ist, keinen „Alarmismus“zu verbreiten. Dass die Fallzahlen bei Covid saisonal schwanken, sei ja inzwischen jedem klar. Es gebe derzeit keine Hinweise für gefährliche Neuentwicklungen, wie sie etwa durch eine Kombination aus Delta und Omikron befürchtet wird. Es zeige sich eher, dass sich eine neue Omikronvariante ausbreite, die ein bisschen infektiöser ist als die bisherige. Aber nicht gefährlicher. „Die Betten in den Kliniken werden ab
Herbst aber sicher trotzdem gefüllt.“Denn nach wie vor seien ja 20 Prozent der Bevölkerung ungeimpft. Diese werde es auf kurz über lang treffen.
Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) hat unterdessen ein Fünf-Punkte-Programm entwickelt, mit dem er auf den Corona-Herbst reagieren möchte. Dazu zählen der Ausbau von Corona-Früherkennung und -Überwachung, das weitere Vorantreiben von Impfungen, das Weiterführen eines Testkonzepts, die Stärkung der Klinik- und Pflegekapazitäten und schließlich eine dauerhafte Stärkung der Gesundheitsämter. „Im Falle einer neuen Pandemie-Welle muss es den bestmöglichen Schutz geben“, betonte Holetschek am
Freitag anlässlich der Vorstellung seines Corona-Konzepts.
„Es ist verständlich, wenn Bürgerinnen und Bürger sich angesichts der sinkenden Infektionszahlen auf mehr Normalität und eine Verschnaufpause in diesem Sommer freuen“, sagte Holetschek und betonte: „Unsere Vorsorge für den Herbst soll diese Freude nicht trüben, sondern im Gegenteil unterstützen.“Bayern setze auf einen Dreiklang von Freiheit, Eigenverantwortung und Solidarität.
Sein Ministerium habe in den vergangenen Wochen intensiv mit Experten aus Wissenschaft und Praxis sowie mit Oberbürgermeistern und Landräten darüber beraten, welche Schritte erforderlich seien, um den Freistaat für den Herbst zu rüsten.
Diese setze man nun schrittweise um. „Zugleich treiben wir die Abstimmung erforderlicher Maßnahmen mit den anderen Bundesländern und mit der Bundesregierung weiter voran.“Nötig sei ein klarer Rechtsrahmen des Bundes für Schutzmaßnahmen.
Konkret plant Holetschek, dass unter Leitung des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) ein effizientes Frühwarnsystem eingerichtet wird. Das Projekt zur Sequenzierung von Coronavirus-Varianten solle ausgeweitet werden, ebenso das Netz ausgewählter Arztpraxen, die die Verbreitung von Atemwegsinfektionen beobachten.
Und auch das Abwassermonitoring zum Corona-Nachweis soll ausgebaut werden. Denn: Bereits kurz nach der Infektion ist das Virus in menschlichen Ausscheidungen nachweisbar.„Mit diesen drei Modulen haben wir ein breit aufgestelltes System zur Prognose des Infektionsgeschehens.“
Die Impfzentren sollen beibehalten werden und bei Bedarf rasch hochgefahren werden können. „Denn klar ist: Impfungen sind weiterhin der beste Schutz vor schweren Krankheitsverläufen“, sagte Holetschek. Rechtzeitig vor dem Herbst wolle man auch nochmals für die Impfung werben. Das Pande
Minister Holetschek stellt Fünf-Punkte-Plan vor
miezentrallager zur Versorgung mit Schutzausrüstung und medizinischen Geräten soll weiter aufrechterhalten bleiben.
Vom Bund fordert Holetschek, dass die Corona-Testverordnung „sinnvoll“verlängert wird. Zudem solle der Bund kostenfreie Bürgertests „zumindest für unsere Jüngsten und Ältesten über den Juni hinaus weiterhin ermöglichen“. Auch müsse sichergestellt sein, dass sich bei einer neuen Pandemiewelle die Menschen bei Symptomen rasch und niederschwellig testen lassen könnten. Die Krankenhaus- und Pflegekapazitäten will Holetschek stärken – und das System der sogenannten Krankenhauskoordinatoren künftig auch unabhängig von der Ausrufung des Katastrophenfalls fortführen. Außerdem will er die Arbeit der den Gesundheitsämtern zur Verfügung gestellten Contact-Tracing-Kräfte bis mindestens Mitte 2023 verlängern. (mit dpa)