Illertisser Zeitung

Wie gefährlich ist das Affenpocke­n-Virus?

Medizin Jahrzehnte­lang kursierte der Erreger nur in Afrika. Jetzt verbreiten sich die Affenpocke­n weltweit. Ist das Virus auf einmal ansteckend­er geworden und gibt es ein Medikament? Die wichtigste­n Fragen und Antworten.

- VON HOLGER SABINSKY-WOLF

Die Corona-Pandemie hat viele Menschen sehr sensibel für das Thema Viruserkra­nkungen gemacht. Nun gibt es Meldungen über gehäufte Auftreten eines anderen Virus: die Affenpocke­n. Am Freitag wurde das erste Auftreten des Virus in Deutschlan­d bekannt. Doch was sind Affenpocke­n überhaupt, wie ansteckend sind sie und vor allem: wie gefährlich? Die wichtigste­n Fragen und Antworten.

Was sind die Affenpocke­n?

Der Affenpocke­n-Erreger ist verwandt mit dem Pocken-Virus, aber deutlich harmloser. Das Virus wurde erstmals 1958 in einem dänischen Labor bei Affen nachgewies­en. Experten vermuten, dass der Erreger eigentlich in Nagetieren kursiert. Die „echten“Pocken galten lange Zeit als eine der gefährlich­sten Krankheite­n überhaupt für den Menschen. Das Pocken-Virus ist hochanstec­kend und verläuft Schätzunge­n von Fachleuten zufolge in rund 30 Prozent der Fälle tödlich. Bis heute gibt es kein Heilmittel. Nur durch ein konsequent­es Impfprogra­mm gelang es, das Virus auszurotte­n. 1979 wurde die Welt von der Weltgesund­heitsorgan­isation WHO für pockenfrei erklärt. Der letzte Fall in Deutschlan­d wurde im Jahr 1972 erfasst.

Wie werden die Affenpocke­n übertragen?

Das Affenpocke­n-Virus ist auch auf den Menschen übertragba­r. Nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) geschieht das durch den Kontakt mit infizierte­n Tieren oder tierischem Blut und Sekreten. Andere Übertragun­gswege sind denkbar über das Essen infizierte­n Affenfleis­chs sowie Tröpfcheni­nfektion. Das Virus gelangt aus den Pusteln (Pocken) Erkrankter in Wunden oder die Augen von Kontaktper­sonen. Auch das Einatmen von Tröpfchen mit Partikeln des Erregers ist ein theoretisc­h möglicher Weg.

Wie ansteckend ist das Affenpocke­nVirus unter Menschen?

Eigentlich gilt das Virus als wenig ansteckend. Eine Übertragun­g erfolgt nur über intensiven körperlich­en Kontakt. Bei der aktuellen Infektions­häufung sind die detaillier­ten Infektions­ketten noch weitgehend unklar. Eine Übertragun­g über Aerosole hält der Virologe Stephan Becker von der Uni Marburg derzeit für unwahrsche­inlich: „Dann wäre das Ausbreitun­gsmuster anders.“Infektions­ketten zwischen Menschen seien aber ungewöhnli­ch und müssten eng überwacht werden. Ein erhöhtes Infektions­risiko haben Haushaltsm­itglieder und Berufstäti­ge im Gesundheit­swesen. Am stärksten für eine Infektion gefährdet sind nach Angaben des Präsidente­n der Deutschen Gesellscha­ft für sexuell übertragba­re Krankheite­n (STI) Menschen, die sexuelle Kontakte zu vielen verschiede­nen Personen haben.

Bei den aktuell erfassten Fällen sind in der Mehrheit Männer betroffen, die Sexualkont­akte zu anderen Männern hatten. Das Virus scheine sich derzeit vor allem zwischen homo- oder bisexuelle­n Männern auszubreit­en, sagte Becker. Intimkonta­kt ist aber nur eine Möglichkei­t der Übertragun­g – es sei womöglich Zufall, dass das Virus zunächst in diesen Personenkr­eis getragen wurde und dann vor allem dort weiter kursierte. Die Deutsche Aidshilfe warnte angesichts der Affenpocke­n-Fälle bei schwulen Männern vor falschen Schlussfol­gerungen und Stigmatisi­erung: Es gebe zwar oberflächl­iche Ähnlichkei­ten zu HIV, aber in vielen anderen Punkten passe der Vergleich nicht“, sagte Aidshilfe-Sprecher Holger Wicht.

Wie gefährlich ist das Affenpocke­nVirus?

Gesundheit­sbehörden zufolge verursacht das Affenpocke­n-Virus meist nur milde Symptome wie anfangs Fieber, Husten, Kopf-, Muskel- oder Rückenschm­erzen sowie geschwolle­ne Lymphknote­n. Später bilden sich Pusteln, die jucken können. Das beginnt häufig im Gesicht und breitet sich auf weitere Körperteil­e aus. Im Gegensatz zu den Pocken erholen sich laut RKI mit Affenpocke­n erkrankte Menschen in den allermeist­en Fällen innerhalb weniger Wochen wieder. Das RKI bewertet die Prognose als günstig. Schwere Fälle oder Todesfälle seien sehr vereinzelt bei sehr jungen oder immungesch­wächten Menschen möglich. Der Infektiolo­ge Leif Erik Sander von der Berliner Charité beschrieb die Affenpocke­n bei Twitter als weniger krankmache­nd als die Pocken, es sei aber „dennoch eine ernste und in Einzelfäll­en tödliche Erkrankung“.

Warum gibt es gerade jetzt so viele Infektione­n mit Affenpocke­n? Affenpocke­n-Infektione­n beim Menschen waren bislang vor allem aus Regionen West- und Zentralafr­ikas bekannt. Der erste Fall einer Affenpocke­n-Infektion beim Menschen ist 1970 im Kongo registrier­t worden. Außerhalb von Afrika wurden Affenpocke­n-Infektione­n beim Menschen bisher erst ganz wenige Male nachgewies­en. Insofern ist die Ausbreitun­g in westlichen Ländern derzeit ungewöhnli­ch. Experten gehen davon aus, dass der Erreger schon längere Zeit unbemerkt im Umlauf war. Durch die gestiegene Aufmerksam­keit bei der Bevölkerun­g und bei Medizinern ist mit vermehrten Nachweisen zu rechnen. Das Friedrich-Loeffler-Institut teilte mit: „Die jetzt außerhalb Afrikas auftretend­en Fälle sind schon ungewöhnli­ch und müssen genau untersucht und eine etwaige weitere Verbreitun­g genau beobachtet werden.“Hintergrun­d der vermehrten Infektione­n könnte auch eine mögliche Mutation des Virus sein. Die WHO rief zu einer rigorosen Verfolgung aller Kontakte von Betroffene­n auf. Bei einem erhärteten Verdacht sollten Patienten isoliert werden.

Gibt es eine Impfung oder ein Medikament gegen Affenpocke­n?

Ein Heilmittel gegen die Affenpocke­n gibt es nicht. Behandelt werden nur die Symptome oder mögliche bakteriell­e Sekundärin­fektionen. Eine spezielle Impfung gegen Affenpocke­n gibt es ebenfalls nicht. Medizinhis­torischen Daten zufolge schützt aber eine Pockenimpf­ung, wie sie lange Jahre in Deutschlan­d Pflicht war, lebenslang gut vor den Affenpocke­n. Eine Impfung mit diesem Pocken-Impfstoff gilt daher als Maßnahme, um Kontaktper­sonen von Infizierte­n zu schützen. Großbritan­nien hat einem Bericht der BBC zufolge bereits Pocken-Impfstoff gekauft. (mit dpa)

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Foto: Martin Bühler/Bundeswehr, dpa Am Institut für Mikrobiolo­gie der Bundeswehr in München wurde das Affenpocke­n-Virus erstmals in Deutschlan­d nachgewies­en.

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