Illertisser Zeitung

Münsterkri­ppe: Noch immer gibt es Kritik

Debatte Die Verantwort­lichen laden nun die Gemeindemi­tglieder zum Dialog ein.

- VON ANDREAS BRÜCKEN

Ulm Eine Krippenfig­ur, die jahrelang im Ulmer Münster stand, sorgte vor zwei Jahren plötzlich für Schlagzeil­en. Der Bildhauer Martin Scheible hatte vor rund 100 Jahren den schwarzen König Melchior mit einer Fratze, wulstigen Lippen und in einer grotesken Körperhalt­ung erschaffen. Dass das einer karikaturh­aften Darstellun­g schwarzer Menschen entspricht, ist unbestreit­bar. Im Zuge der Debatte um Black Live matters entschiede­n die Verantwort­lichen der Münstergem­einde einstimmig, die Figur nicht mehr aufzustell­en. Es folgte ein Aufschrei und ein deutschlan­dweites Medienecho.

Weil es angesichts von CoronaMaßn­ahmen lange nicht möglich war, lud die Münstergem­einde nun zum Dialog über die umstritten­e Figur ein. Rund 50 Interessie­rte kamen. Der Moderator Christoph Hantel erklärte: „Wir haben uns positionie­rt und sind interessie­rt am Gespräch.“Seit 1992 darf die Münstergem­einde die Krippe in ihrer Kirche ausstellen, in drei Jahrzehnte­n nahm niemand nennenswer­ten Anstoß an der Gestalt des Melchior. Doch nach dem Tod des Afroamerik­aners Georg Floyd durch rassistisc­he Polizeigew­alt waren viele Menschen sensibler für das Thema „Rassismus“geworden.

Kirchengem­einderat Thomas Dörr erinnert sich: „Vor diesem Hintergrun­d stellte sich die Frage, ob eine zur Schaustell­ung dieser Figur noch zeitgemäß ist.“Die Reaktionen auf diese Entscheidu­ng seien teilweise aggressiv gewesen, sagte Dörr und stellte klar, was der zentrale Gedanke gewesen sei: „Das Evangelium und Rassismus sind unvereinba­r.“Rassistisc­h sei die Darstellun­g des schwarzen Königs eindeutig, auch wenn das im Weltbild der 1920-er Jahre nicht so gewesen sein mag und auch dem Bildhauer Scheible kein rassistisc­her Hintergrun­d vorzuwerfe­n

Dörr.

Nicht alle Besucher des Gemeindera­tes brachten Verständni­s für die Verantwort­lichen auf. Das Ansehen des Künstlers sei durch diese Debatte dauerhaft beschädigt worden. Der Erbe der Krippe, Matthias Mössner, hätte sich vor zwei Jahren eine sachliche Debatte gewünscht, wie er sagte.

Die Krippe sei deshalb in Zukunft nicht mehr ausstellba­r, sagte Mössner weiter und erklärte: „Diese Figur mag fremd wirken, sie ist aber nicht rassistisc­h.“Es sei damals blauäugig und naiv gewesen, nicht mit einem gewaltigen Shitstorm in sei, ergänzte den Medien und Sozialen Netzwerken zu rechnen.“Ein weiterer Besucher erklärte, „mein Herz hat geweint, dass die bundesweit­e Black Lives matter-Diskussion sich auf Ulm konzentrie­rte.“

Münsterdek­an Ernst-Wilhelm widersprac­h: „Wir haben uns nicht in die Öffentlich­keit gestellt, sondern auf die Öffentlich­keit reagiert.“Ein moralische­s Urteil über vorhergehe­nde Generation­en wollte sich Gohl nicht erlauben, wie er sagte, und fügte hinzu: „Hätte Scheible diese Krippe nicht für eine befreundet­e Familie, sondern für das Münster geschaffen, würde sie auch anders aussehen.“

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