Münsterkrippe: Noch immer gibt es Kritik
Debatte Die Verantwortlichen laden nun die Gemeindemitglieder zum Dialog ein.
Ulm Eine Krippenfigur, die jahrelang im Ulmer Münster stand, sorgte vor zwei Jahren plötzlich für Schlagzeilen. Der Bildhauer Martin Scheible hatte vor rund 100 Jahren den schwarzen König Melchior mit einer Fratze, wulstigen Lippen und in einer grotesken Körperhaltung erschaffen. Dass das einer karikaturhaften Darstellung schwarzer Menschen entspricht, ist unbestreitbar. Im Zuge der Debatte um Black Live matters entschieden die Verantwortlichen der Münstergemeinde einstimmig, die Figur nicht mehr aufzustellen. Es folgte ein Aufschrei und ein deutschlandweites Medienecho.
Weil es angesichts von CoronaMaßnahmen lange nicht möglich war, lud die Münstergemeinde nun zum Dialog über die umstrittene Figur ein. Rund 50 Interessierte kamen. Der Moderator Christoph Hantel erklärte: „Wir haben uns positioniert und sind interessiert am Gespräch.“Seit 1992 darf die Münstergemeinde die Krippe in ihrer Kirche ausstellen, in drei Jahrzehnten nahm niemand nennenswerten Anstoß an der Gestalt des Melchior. Doch nach dem Tod des Afroamerikaners Georg Floyd durch rassistische Polizeigewalt waren viele Menschen sensibler für das Thema „Rassismus“geworden.
Kirchengemeinderat Thomas Dörr erinnert sich: „Vor diesem Hintergrund stellte sich die Frage, ob eine zur Schaustellung dieser Figur noch zeitgemäß ist.“Die Reaktionen auf diese Entscheidung seien teilweise aggressiv gewesen, sagte Dörr und stellte klar, was der zentrale Gedanke gewesen sei: „Das Evangelium und Rassismus sind unvereinbar.“Rassistisch sei die Darstellung des schwarzen Königs eindeutig, auch wenn das im Weltbild der 1920-er Jahre nicht so gewesen sein mag und auch dem Bildhauer Scheible kein rassistischer Hintergrund vorzuwerfen
Dörr.
Nicht alle Besucher des Gemeinderates brachten Verständnis für die Verantwortlichen auf. Das Ansehen des Künstlers sei durch diese Debatte dauerhaft beschädigt worden. Der Erbe der Krippe, Matthias Mössner, hätte sich vor zwei Jahren eine sachliche Debatte gewünscht, wie er sagte.
Die Krippe sei deshalb in Zukunft nicht mehr ausstellbar, sagte Mössner weiter und erklärte: „Diese Figur mag fremd wirken, sie ist aber nicht rassistisch.“Es sei damals blauäugig und naiv gewesen, nicht mit einem gewaltigen Shitstorm in sei, ergänzte den Medien und Sozialen Netzwerken zu rechnen.“Ein weiterer Besucher erklärte, „mein Herz hat geweint, dass die bundesweite Black Lives matter-Diskussion sich auf Ulm konzentrierte.“
Münsterdekan Ernst-Wilhelm widersprach: „Wir haben uns nicht in die Öffentlichkeit gestellt, sondern auf die Öffentlichkeit reagiert.“Ein moralisches Urteil über vorhergehende Generationen wollte sich Gohl nicht erlauben, wie er sagte, und fügte hinzu: „Hätte Scheible diese Krippe nicht für eine befreundete Familie, sondern für das Münster geschaffen, würde sie auch anders aussehen.“