Hält der Gaspreisdeckel vom Sparen ab?
Der Gasverbrauch in Deutschland steigt. Experten und Politiker fordern Zurückhaltung.
Berlin/Augsburg Zwei Sorgen haben Verbraucher und Unternehmen beim Gas zuletzt umgetrieben: Dass sich viele die exorbitant hohen Preise nicht mehr leisten können und dass Gas im Herbst und Winter knapp werden könnte. Das erste Problem soll der Gaspreisdeckel regeln. Das zweite ist noch nicht gelöst. Zwar sind die Gasspeicher gut gefüllt, aber der Verbrauch der Deutschen ist angesichts des nassen und kalten Wetters bereits jetzt sehr hoch. So hoch, dass Experten und Politiker Alarm schlagen.
So ruft der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, eindringlich zum Energiesparen auf: „Wenn wir es nicht schaffen, in den privaten Haushalten mindestens 20 Prozent Einsparungen zu erzielen, dann werden wir in einem durchschnittlichen Winter nicht ohne Kürzungen bei der Industrie zurechtkommen“, sagte Müller in einem Podcast des baden-württembergischen Finanzministers Danyal Bayaz (Grüne). Zuletzt lag der Verbrauch von Haushalten und Gewerbe laut Bundesnetzagentur 14,5 Prozent über dem Durchschnitt der Jahre 2018 bis 2021. Müller rechnet zudem damit, dass der geplante Gaspreisdeckel fast zwei Jahre lang gelten muss. Die Internationale Energieagentur (IEA) rät auf europäischer Ebene ebenfalls zu Einsparungen beim Gasverbrauch.
Auch der Deutsche Städtetag forderte größere Anstrengungen beim Energiesparen. „Wir alle müssen uns noch mehr einschränken“, sagte Städtetagspräsident Markus Lewe (CDU) der Funke Mediengruppe. Ihm mache Sorgen, wie stark der Gasverbrauch bei privaten Haushalten angestiegen ist. Lewe mahnte Bund und Länder zur Geschlossenheit. Die Gaspreisbremse müsse jetzt „sehr schnell klug konzipiert werden“. Wenn private Haushalte einen Grundbedarf von 80 Prozent des Gasverbrauchs vergünstigt bekämen, bleibe der Sparanreiz
bestehen. Die Ampelkoalition hatte am Donnerstag einen neuen „Abwehrschirm“von bis zu 200 Milliarden Euro und einen Gaspreisdeckel angekündigt, um Verbraucher und Unternehmen zu entlasten. Was das genau bedeutet, ist noch offen. Eine Kommission soll bis Mitte Oktober Vorschläge machen. Nun gibt es vor den BundLänder-Beratungen am Dienstag Befürchtungen, dass der Antrieb zum Sparen wegfällt, wenn der Staat einspringt. Auch Bundesnetzagentur-Chef Müller pocht auf Sparanreize. Ansonsten seien „wir schneller, als uns allen lieb ist, eben in einer Mangelsituation“. Seine Behörde geht wie Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) davon aus, dass zur Vermeidung eines Mangels ein Rückgang des Verbrauchs um mindestens 20 Prozent erforderlich ist.
Der Chef des großen regionalen Energieversorgers Erdgas Schwaben, Markus Last, hält dieses Ziel für zu hoch angesetzt. „Die von Bundeswirtschaftsminister Habeck geforderte Gaseinsparung von 20 Prozent halte ich für ehrgeizig“, sagte Last unserer Redaktion. Rund 15 Prozent seien eher realistisch.
Der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) kritisiert angesichts der Sparaufrufe die Ampelkoalition scharf: „Es grenzt mittlerweile an eine politische Unverschämtheit, den Menschen immer mehr ein schlechtes Gewissen wegen einer warmen Wohnung einzureden, während die Bundesregierung nicht alles tut, um den Energieengpass zu beseitigen“, sagte Aiwanger unserer Redaktion. Längst müssten die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke inklusive neuer Brennstäbe für den nächsten Winter beschlossen oder alle Beschränkungen für Biogasanlagen aufgehoben sein. „Aber die grüne Ideologie will hohe Energiepreise, selbst wenn Menschen frieren und die Wirtschaft einbricht“, so Aiwanger.
Lesen Sie dazu den Kommentar und das Interview mit dem ErdgasSchwaben-Chef in der Wirtschaft.