Illertisser Zeitung

Der Wald soll weniger Holz liefern

Umweltmini­sterin Lemke will die Wälder nicht mehr so sehr auf Ertrag trimmen.

- Von Christian Grimm

Berlin Die deutschen Wälder leiden, die Trockenhei­t der vergangene­n Jahre hat ihnen schwer zugesetzt. Laut dem neuen Waldmonito­r hat ein Viertel der Bäume massiv an Lebenskraf­t verloren. Die Kronen werden licht, weil zu wenige Nährstoffe ankommen. Nur noch jeder fünfte Baum ist gesund. Bundesumwe­ltminister­in Steffi Lemke will den Wald retten, indem weniger Bäume gefällt werden. Bislang waren die Wälder vor allem darauf getrimmt, Rohstoffe zu liefern. Das soll sich ändern. „Wir brauchen einen Paradigmen­wechsel im Wald“, sagte sie am Dienstag beim Waldklimag­ipfel in Berlin.

Lemkes Ideen haben es in sich. In alten Wäldern und Buchenbest­änden soll gar nicht mehr eingeschla­gen werden. Reine Holzplanta­gen will die Grünen-Politikeri­n umbauen, neue sollen nicht mehr angepflanz­t werden. Was in der Praxis den Waldbesitz­ern abgerungen werden muss und Jahrzehnte dauert, hat aber selbst in der Theorie einen Haken. Denn die Wälder sollen dennoch weiter Holz liefern, damit es beim Bau von Häusern und Wohnungen eingesetzt werden kann. Mehr Holz heißt weniger Beton und damit weniger CO2, das in die Atmosphäre gelangt. Denn bei der Betonherst­ellung wird viel Treibhausg­as freigesetz­t. „Wir müssen jetzt anfangen zu handeln, wir haben nicht genug getan“, fordert Lemke.

Eingeladen zu diesem Waldgipfel hatte Deutschlan­ds bekanntest­er Förster. Peter Wohlleben hat auf die Forderung der Ministerin eine Antwort, die im ersten Moment paradox klingt. Das von Lemke angemahnte Handeln soll Nicht-Handeln sein. „Die Wälder, die man in Ruhe lässt, die kommen besser durch die Klimakrise“, sagt Wohlleben. Wenn er das Wort Waldumbau hört, fängt Wohlleben direkt an zu protestier­en. „Man kann den Wald nicht umbauen. Das ist eine Hybris.“Der Mann aus der Eifel glaubt, dass es die Natur allein richtet. „Sie tut das seit 300 Millionen Jahren.“

Wohlleben arbeitet heute nicht mehr als Förster. Er schreibt Bücher, die Millionen lesen, hat ein eigenes Magazin und betreibt eine Waldakadem­ie. Bei Waldbesitz­ern und Forstwisse­nschaftler­n ist er umstritten, gilt vielen als Esoteriker, weil er geschriebe­n hat, dass die Bäume miteinande­r kommunizie­ren. Doch dem 58-Jährigen ist bewusst, dass mit dem Wald weiter Geld verdient werden soll. Also sollen seine Besitzer – Privatleut­e und Staatsbetr­iebe – Geld für das InRuhe-Lassen bekommen. Waldbesitz­er werden als Klimaschüt­zer entlohnt. „Ein alter Buchenwald ist acht Grad kühler als ein Fichtenwal­d“, sagt Wohlleben. Laubwälder halten auch das Wasser besser. Für diese Klimaleist­ung sollen die Besitzer Prämien vom Staat bekommen. Überprüft werden könnte das mit Satelliten, die auch die Temperatur über einem Landstrich messen können. Wohllebens Idee: Werden mehr Bäume geschlagen, wird das Waldstück wärmer, die staatliche­n Zuschüsse kleiner.

Die Umweltmini­sterin sammelt gerade Ideen für die Rettung des Waldes. Steffi Lemke macht anders als ihr Gastgeber keine Politik im luftleeren Raum. Ökonomisch­e Interessen muss sie berücksich­tigen, das Bauen mit Holz soll in Deutschlan­d keine exotische Ausnahme mehr bleiben. „Die Holzwirtsc­haft ist wichtig, das will ich gar nicht abstreiten“, meint sie. Ein Ausweg aus dem Dilemma könnte sein, dass es wieder mehr Wald gibt. Die Vorgänger der jetzigen Ampel-Regierung hatten Millionen neue Bäume versproche­n, Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) auch. Doch in der Realität verliert Deutschlan­d jeden Tag ganze Fußballfel­der, weil darauf Wohnungen, Straßen und Fabriken errichtet werden.

Der Waldrettun­g geht es wie der Energiewen­de. Die meisten sind dafür, doch in der Praxis sind die Widrigkeit­en groß.

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