Stille im Bauch
Die Zahl der Totgeburten in Deutschland nimmt seit Jahren zu. Die Gründe dafür sind vielfältig. Eine Frau aus Wangen im Allgäu erzählt, wie sie den Schicksalsschlag verkraftete.
bundesweiten „Initiative Regenbogen Glücklose Schwangerschaften“. Und wirbt für mehr Offenheit. „Sterben und Trauer sind schon immer ein Tabuthema gewesen. Steht der Tod am Anfang des Lebens, gilt das umso mehr.“Für die Betroffenen wiegen Distanz und Schweigen von Bekannten, Kollegen und auch Freunden jedoch schwer. „Weil der Verlust ohnehin mit Gefühlen des Versagens und der Schuld einhergehen kann.“Inzwischen hat immerhin ein Umdenken eingesetzt, durch die Beisetzung der Totgeborenen, durch die Pflege von Trauerritualen, durch wissenschaftliche Erkenntnisse und eine offensive Öffentlichkeitsarbeit. „Für eine Enttabuisierung müssen wir aber noch sehr viel mehr tun“, sagt Salzmann.
Ein aufgeschlossener und verständnisvoller Umgang mit dem Thema würde auch den Betroffenen die Bewältigung der eigenen Not erleichtern, bestätigt Professor Reister. „Wichtig ist, dass die Frauen den Kontakt zu ihrem toten Kind aufnehmen. Dass sie das Geschehen nicht verdrängen und als Teil der eigenen Geschichte wahrnehmen.“
„Wir haben in Deutschland eine gute Vorsorge“, sagt Reister. „Seit zehn Jahren wird auf Schwangerschaftszucker jedoch mit einem Test gescannt, der dafür eigentlich nicht geeignet ist.“Der sogenannte 50-Gramm-Suchtest verpasst demnach bis zu einem Drittel aller Frauen, die Schwangerschaftsdiabetes haben oder noch bekommen. „Das ist eine eindeutige Schwäche“, findet der Mediziner. Ein anderer, der 75-Gramm-Test, gilt dagegen als aufwendiger, wirksamer und besser geeignet. Die Mehrkosten wären laut Reister gut angelegt: „Der Test könnte dazu beitragen, die Zahl der Totgeburten zu senken.“
Susann Kofler-Hane wollte allen Risiken zum Trotz ihren Kinderwunsch nicht
Susann Kofler-Hane wollte den Kinderwunsch nicht aufgeben
aufgeben. „Das war meine beste Therapie ich wollte unbedingt wieder schwanger werden.“Und das wurde sie. Verbunden mit der Sorge, erneut in die Dunkelheit zu stürzen. „Die Schwangerschaft war eine Katastrophe, furchtbar, belastet von tausendprozentiger Angst - 40 Wochen lang.“In dieser Zeit wurde sie manchmal von Panik gepackt, ist plötzlich mit dem Fahrrad von der Arbeit zum Frauenarzt gerast, um die Herztöne kontrollieren zu lassen. „Der hat dann gesagt: ,Du, dein Kind lebt’ - und ich bin zurück zum Schaffen. Mein Chef war sehr verständnisvoll.“Das kleine Herz schlug kräftig weiter, doch als Wehen und Geburt einsetzten, hat sie nur noch gezittert, gebibbert und gehofft. Als das Kind schließlich entbunden war, lautete ihre erste Frage: „Lebt es?“Und die zweite: „Mädchen oder Junge?“
Drei Mädchen sollte das Ehepaar schließlich bekommen, doch mit jeder Schwangerschaft kehrte die Angst zurück. Die Töchter kamen aber alle gesund zur Welt, sie sind inzwischen 20, 25 und 27 Jahre alt. Auf dem Nachttisch der glücklichen Mutter steht auch ein Foto ihres Sohnes, im Wohnzimmer erinnern ein weißes Kreuz und eine Geburtstafel an ihn. Und eine Kerze, die sie immer am 7. Oktober für den Jungen anzündet. „Wenn mich heute jemand fragt, ob ich Kinder habe, sage ich: ,Ja, drei Mädle und einen Bub. Der ist aber gestorben.“Sein Name war Simon.