Roboter kann jetzt auch tätowieren
Sich ein Tattoo stechen lassen von einem Künstler, der am anderen Ende der Welt sitzt: Das soll eine Maschine von Kuka ermöglichen. Einen noch größeren Nutzen der Technik sieht der Konzern im Medizin- und Gesundheitsbereich.
Augsburg Eine Tattookünstlerin sitzt bei der Messe „Digital X“in Köln auf ihrem Stuhl und zeichnet. Statt einer Tattoomaschine bewegt sie einen schwarzen Steuerhebel, statt auf einen Menschen vor sich blickt sie auf einen Bildschirm. Sie tätowiert mit einem Roboter von Kuka. Die Bewegungen, die die Frau an ihrem Arbeitsplatz über einen Joystick macht, kommen in Echtzeit ein paar Meter weiter bei einem Roboterarm an. An diesem summt die Nadel und sticht einen Schmetterling – an diesem Tag weder auf Oberarm noch Unterschenkel, sondern zu Vorführungszwecken auf eine gummiartige Oberfläche. „Wir wollten zeigen, was möglich ist“, sagt Axel Weber, der bei dem Augsburger Automatisierungskonzern für den Vertrieb von Robotern zuständig ist, die in Medizinprodukte integriert werden können. Tatsächlich soll diese
Technologie künftig in einem ganz anderen Bereich zum Einsatz kommen: im OP-Saal.
„Die Daten und Kommandos kommen ohne zeitliche Verzögerung vom Eingabegerät zum Roboterarm. So könnte der Arzt an einem anderen Ort sein als sein Patient“, sagt Weber. Das funktioniere freilich nur bei bestem Netz mit 5G-Standard, noch besser mit 6G. Weber: „Kommt es zu zeitlichen Verzögerungen oder gar einem Ausfall der Datenleitung, wäre das fatal.“Deshalb sei der Einsatz bei der Arbeitsstationen an verschiedenen Orten, gar Kontinenten, noch Zukunftsmusik. Vor allem Medizinprodukte müssten hohen Anforderungen gerecht werden, bevor sie in der Praxis angewendet werden. Doch sie werden gebraucht, sagt Weber, gerade in Zeiten des Fachkräftemangels.
Hat ein Mensch etwa einen Schlaganfall, muss dieser mit größtmöglicher Expertise versorgt werden. Der Patient könnte ins nächstgelegene Krankenhaus gebracht werden, um keine Zeit zu verlieren, während ihn ein Arzt mit Unterstützung des „Kuka LBR Med“, so heißt der Roboter, von einer Uniklinik aus behandelt, erläutert Weber: „Experten können sich also über robotische Systeme zuschalten.“Ähnliche Technologien mit einer sogenannten Telemanipulation – etwas irrführend, meint das doch den Eingriff aus der Ferne – seien bereits in Einsatz. Zum Beispiel in der minimalinvasiven Chirurgie, also bei Operationen mit einer möglichst kleine Einschnittstelle. Von einer Konsole aus steuern Ärztinnen und Ärzte Roboter, die in den Körper eindringen und Blutgefäße veröden. Doch diese Maschinen seien deutlich kleiner als der LBR Med.
Seit mehr als 20 Jahren stellt Kuka Roboter für Medizintechnik her, entwickelt Technologien für die Lebensmittel- oder Automobilbranche. Weber sagt: „Im Unterschied zu vielen anderen Robotern muss der LBR Med aber nicht hinter einem Schutzzaun stehen. Er ist ein kollaborativer Roboter, also sensitiv, um am Menschen zu arbeiten, und so gestaltet, dass auch Menschen ohne großes technisches Verständnis ihn intuitiv bedienen können.“Wie alle Roboter von Kuka verlässt auch dieser das Werksgelände noch ohne bestimmte Funktion, diese wird dann erst von den MedizintechnikHerstellern programmiert. So finde der Leichtbauroboter auf ganz unterschiedliche Weise Anwendung. Zum Beispiel in Dänemark bei der Physiotherapie von bettlägerigen Patientinnen und Patienten. Oft bewegen Therapeuten täglich deren Arme und Beine zum Muskelaufbau, was viel Zeit beansprucht. Das übernehme nun der Roboter, sagt Weber. Der Physiotherapeut zeichne seine Arbeitsschritte einmal auf, dann mache sie die Maschine nach und es bleibe Zeit für andere Übungen. Auch in der Ästhetischen Chirurgie unterstütze der Kuka Roboter bei Operationen schon, zum Beispiel bei Haartransplantationen. Weber sagt: „Und auch Tattoos wären möglich, sind aber nicht unser Hauptgeschäft, sondern mehr ein Hingucker.“