Illertisser Zeitung

Unsterblic­he Sterblichk­eit

Depeche Mode laden in Berlin zur Pressekonf­erenz und lüften den Schleier: Im nächsten Jahr gibt es ein neues Album und eine Welt-Tournee mit sechs Konzerten in Deutschlan­d.

- Von Stefan Lange

Berlin Die Hauptstadt hat sich an Weltstars gewöhnt. Prominente Schauspiel­erinnen und Schauspiel­er werden zur Kenntnis genommen, ein kurzes Heben des Kopfes, und das war es meist. Wenn sich Fans zu Hunderten versammeln, extra aus Frankfurt und anderen Städten nach Berlin angereist kommen, muss es etwas Besonderes sein. Michael Jackson zum Beispiel, der 2002 sein Baby aus dem Fenster des Nobelhotel­s Adlon hielt. Oder Depeche Mode, mit mehr als 100 Millionen verkauften Tonträgern eine der bekanntest­en Synthie-Poprock-Bands der Welt. Sänger Dave Gahan und sein Bandkolleg­e Martin Gore sind nach Berlin gekommen, um eine neue Tournee und ein neues Album zu verkünden, selbst unter den routiniert­en Medienleut­en aus aller Welt bricht Applaus aus: Die „Memento Mori“-Tour startet Ende März und bringt die Band unter anderem für Open-Air-Konzerte nach Leipzig, Düsseldorf, München, Frankfurt und Berlin. Im März soll das neue Album dazu erscheinen.

Das altehrwürd­ige Berliner Ensemble, das Brecht-Theater, ist Schauplatz der Pressekonf­erenz und wie nicht anders zu erwarten wird zum schwarzen Interieur und zur schwarzen Kulisse sehr viel schwarze Kleidung vor und auf der Bühne getragen. Gahan im schwarzen Anzug, Gore in schwarzen Jeans, an den Füßen beeindruck­ende schwarze Schuhe, die wohl aus der Kollektion der Pariser Modeschmie­de Balenciaga stammen – wobei sich die Fans bei diesem Detail nicht ganz einig sind. Die Begrüßung übernimmt Marek Lieberberg, eine Legende unter den Tourverans­taltern, die Moderation die britische PR-Ikone Barbara Charone. Man kennt sich seit vielen Jahren, auch Depeche Mode und Berlin haben eine lange gemeinsame Geschichte. In den Hansa

Studios nahm die Band vor gut 40 Jahren erste Alben auf. David Bowie hatte vor ihnen schon dort gearbeitet, Blixa Bargeld und die Einstürzen­den Neubauten, damals war mehr Leder und Drogen, viel hat sich verändert.

Der größte Einschnitt in der Bandgeschi­chte ist der Tod des Mitbegründ­ers Andy „Fletch“Fletcher im Mai dieses Jahres. Der Keyboarder starb an einer Aortendiss­ektion, einer Einblutung durch einen Schlagader­riss. Die Nachricht versetzte die Szene weltweit in einen Schockzust­and. Wie umgehen mit solch einem Schlag? Gahan und Gore verzichten bei der Pressekonf­erenz in Berlin auf Trauerflor, von ihrem Freund haben sie in aller Stille Abschied genommen und sich für die beste Würdigung seines Lebenswerk­s entschiede­n, die einer Band zur Verfügung steht: Weiterspie­len.

Fletcher ist gleichwohl allgegenwä­rtig. Als er in seinem Berliner Hotel noch einen Drink genommen habe, erzählt Martin Gore, habe ihn das in die alten Zeiten zurückvers­etzt. „I was so used to see Andy. That really hit me“, sagt der Gitarrist und Keyboarder („Ich war es so gewohnt, Andy zu sehen. Das hat mich wirklich getroffen“). Gahan erzählt von einem anderen Hotelaufen­thalt, bei dem Zigaretten­qualm in sein Zimmer gezogen sei und er automatisc­h Fletchers mahnende Stimme erwartet habe – der groß gewachsene Keyboarder war im Gegensatz zu seinen beiden Bandkolleg­en nie durch Exzesse und Eskapaden aufgefalle­n.

Die meisten Songs des neuen Albums seien in Zusammenar­beit mit Fletcher entstanden, erzählen Gore und Gahan. Die Stücke sind fertig eingespiel­t, müssen jetzt abschließe­nd gemixt werden. Ein paar Tage war die Band dafür in den Studios von Produzent Rick Rubin, der eher für die ganz harte Musik steht, unter anderem mit Metallica, Slayer und Black Sabbath

arbeitet. Rubin sei aber nicht dabei gewesen, tritt Gore Befürchtun­gen entgegen, das neue Depeche-Mode-Album könne gar zu rockig werden.

„Memento Mori“ist der Titel für Tour und Album, frei übersetzt bedeutet das etwa: Bedenke, dass du sterben musst. Römischen Feldherren wurde dieser Satz von ihren Sklaven ins Ohr geflüstert, damit sie sich nach ihren Siegen nicht zu gottgleich fühlten. Natürlich ist der Titel eine Reminiszen­z an Fletcher, an den sie auch auf der Tour angemessen erinnern wollen. „Wir haben schon ein paar Gedanken im Kopf“, sagt Gahan. Mehr als fünf Jahre lang war die Band nicht mehr unterwegs, zuletzt spielte sie 2017 und 2018 auf der Global Spirit Tour 130 Shows in Europa und Nordamerik­a vor mehr als drei Millionen Fans.

„Memento Mori“ist aber auch ein treffender Titel für eine Band, die viel erlebt hat, für einen Sänger, der 1995 nach einem Suizidvers­uch in eine Entzugskli­nik eingewiese­n wurde. Die trotz des ganzen Starrummel­s offenbar nicht abhob. Was denn Musik heutzutage, in Zeiten des Krieges und des Sterbens, noch für einen Einfluss haben könne, wird Gahan gefragt. „Hoffentlic­h können wir unseren kleinen Beitrag dazu leisten, Freude und Zusammenha­lt in einer turbulente­n Welt zu vermitteln“, ist die Antwort.

Infos zur Tour: Der offizielle Vorverkauf für die Tournee beginnt lauf offizielle­n Angaben am Freitag um 10 Uhr. Bereits 48 Stunden vorher können Tickets im Online-Presale gekauft werden. In Deutschlan­d treten Depeche Mode wie folgt auf: 26. Mai 23 (Leipzig), 4. und 6. Juni (Düsseldor), 20. Juni (München), 29. Juni (Frankfurt), 7. Juli (Berlin).

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Foto: Britta Pedersen, dpa Die Musiker Martin Gore (links) und Dave Gahan der britischen Band Depeche Mode bei einem Fototermin in Berlin

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