Dorfläden bangen um ihre Existenz
Explodierende Preise für Lebensmittel, Strom und Gas belasten hauptsächlich kleine Geschäfte. Drei Frauen über düstere Aussichten und die Bedeutung des Dorfladens.
Landkreis Neu-Ulm Wie ein Damoklesschwert schwebt die Geschäftsschließung über dem Dorfladen von Sabine Penski im Sendener Ortsteil Witzighausen. „Die Situation hat sich zuletzt drastisch zugespitzt“, sagt sie. Schwierige Phasen habe es zwar auch während der Hochphasen der Corona-Pandemie gegeben, aber so etwas wie jetzt hätte sie noch nicht erlebt. Angesichts stetig steigender Preise und einer sich dezimierenden Kundschaft konstatiert sie: „Wir kämpfen ums Überleben.“
Begonnen habe die Entwicklung im Juli, sagt Penski. Die Preise stiegen, und die Kunden blieben weg. „Es war spürbar, dass weniger Menschen in unseren Laden kamen oder sie einfach weniger Waren einkauften.“Vor allem jüngere Kunden fielen zunehmend weg, fügt Penski hinzu. Geblieben sei das ältere Publikum, das eher kleinere Einkäufe tätige. Diese Entwicklung schlägt sich auf eklatante Weise auf den Umsatz nieder. „Am Ende des Monats fehlt uns rund ein Drittel verglichen mit Juni.“
Die Kosten in beinahe allen Lebensbereichen steigen rapide. Das wirkt sich auf die Endpreise für Verbraucher aus. Penski macht es an einem Beispiel fest: „Noch vor wenigen Monaten haben wir unser Toilettenpapier für 1,99 Euro verkauft. Mittlerweile liegen wir bei über vier Euro.“Die Preisanpassungen kämen teilweise täglich. „Wir kommen kaum hinterher, an unseren Produkten die neuen Etiketten anzubringen.“Natürlich träfen die gestiegenen Produktionsund Lieferkosten auch die Discounter, aber die könnten es aufgrund der schieren Menge problemlos auffangen, meint die
Dorfladeninhaberin. Seit 2015 besteht der Dorfladen von Johanna Berrens in Kellmünz. Auch sie klagt über Umsatzverluste von rund 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Trotzdem, ganz so dramatisch gestalte sich die Situation noch nicht. „Es ist aktuell in einem Rahmen, wo wir es noch ertragen können“, sagt Berrens. „Sollte die Preisentwicklung aber weiter anhalten, könnte es für uns existenzgefährdend werden.“Und es deutet vieles darauf hin, denn „momentan haben wir fast dreitägig Preisanpassungen.“
Für Berrens und ihren Dorfladen seien aber nicht die steigenden Produktkosten das größte Problem. Vielmehr brächten sie die explodierenden Preise für Strom, Heizöl und Wasser in Bedrängnis. „Es ist mittlerweile unglaublich teuer, den Laden am Laufen zu halten“, erklärt sie. Erst vor zwei Wochen habe sie die Abschlagszahlung
zur Stromrechnung bekommen. Demnach hätten sich die Kosten verdoppelt. Helga Hörmann ist im Jedesheimer Dorfladen eine Institution. Seit 40 Jahren arbeitet sie hier, während ihre Chefs gekommen und gegangen sind. Aufgrund der Teuerungen überlegt sich Hörmann mittlerweile ganz genau, welche Produkte sie überhaupt ins Sortiment aufnimmt. Aber auch das hat eine Kehrseite: „Wenn das Angebot geringer ist, werden zusätzliche Kunden abgeschreckt“, sagt sie. Denn auch in Jedesheim kämpft man mit fernbleibenden Kundinnen und Kunden. Die Ursache sei in den steigenden Preisen zu verorten, aber schlichtweg auch darin, dass Hörmann kein Personal finde. „Wir mussten unsere Öffnungszeiten nachmittags stark einschränken“, berichtet sie.
Geblieben sei trotz der Preisentwicklung die Stammkundschaft.
Aber auch hier befürchtet Hörmann, dass es eine Grenze geben könnte. „Man merkt bei unseren Stammkunden, dass sie an der Kasse hochschrecken und fragen, ob der Preis wirklich stimmen kann.“Aber auch die gesamte Stimmungslage beunruhige sie: „Ich arbeite seit 40 Jahren in dem Geschäft, und ich hatte noch nie ein so mulmiges Gefühl wie heute.“
Bei einem ist sich Hörmann sicher: Sollte der Dorfladen sterben, würde der ganze Ort darunter leiden. Denn dieser diene nicht nur als Einkaufsmöglichkeit, er sei auch ein sozialer Treffpunkt, das Herz der Gemeinde. Erst vor wenigen Tagen habe sich wieder eine für sie typische Situation im Laden ereignet. „Zufällig sind sich beim Einkaufen zwei Nachbarinnen über den Weg gelaufen. Die meinten zueinander: ‘Wenn wir uns treffen, dann im Dorfladen’.“Kommentar