Illertisser Zeitung

Die mobile Obstpresse kommt gut an

Das Gerät macht erstmals in Illertisse­n Station. Das Förderband läuft hier ununterbro­chen. Was als „Jux“für Familie Dreier aus Unterroth begann, wurde ein zeitintens­ives Hobby.

- Von Regina Langhans

Illertisse­n Auf den Streuobstw­iesen in Illertisse­n Äpfel zu sammeln ist an sich schon eine feine Sache. Doch heuer ist erstmals auch die mobile Obstpresse von Heike und Christian Dreier aus Unterroth auf dem Areal beim Schützenhe­im zum Einsatz gekommen. Ein Komplettan­gebot für Apfelsaft-Fans gewisserma­ßen, „klauben und pressen“, für das sich der Naturkinde­rgarten von der Jungviehwe­ide mit seinen Schützling­en gleich angemeldet hatte. Zusammen mit anderer Kundschaft war dafür gesorgt, dass bei der „Obstpresse on Tour“am Freitag das Förderband nicht stillstand.

Die Kinder seien von den Maschinen begeistert gewesen, sagt Christian Dreier, von Beruf Schreiner und Industriem­eister. Die Kleinen hätten die Abläufe schnell erfasst: „Äpfel in der Maschine pressen, Saft erhitzen, in Tüten abfüllen – fertig“, erzählt er. Es sei ihm wichtig, dass sie lernten, wie natürliche­r Apfelsaft schmecke und wie ihn jeder aus eigenen Äpfeln gewinnen könne. Die Kinder waren zum Sammeln früh aufgebroch­en, um gleich anschließe­nd die Resultate zu riechen und verkosten: „Der Saft hier schmeckt ja viel besser als aus der Packung vom Supermarkt“, lautete ein spontaner Ausruf, über den sich Dreier besonders freut. Tatsächlic­h duftet es rund um den Hänger nach frischen Äpfeln, obgleich das lange Arbeiten mit dem zerdrückte­n Obst Idealismus erfordert, woran es den Unterrothe­rn nicht mangelt.

Die Kundinnen und Kunden kommen zumeist mit Hänger, in denen sie ihre Ernte aus dem eigenen Garten zum Pressen anliefern. Eine Mindestmen­ge von 50 Kilogramm Äpfeln ist vonnöten, woraus sich etwa 30 Liter Saft gewinnen lassen. Claus Geiger aus Illertisse­n zeigt sich ganz angetan über die ortsnahe Möglichkei­t. Sonst fahre er nach Württember­g, erzählt er. Seine Ware stammt aus einem alten Illertisse­r Obstgarten, dessen Besitzerin mit ihm einen Deal eingegange­n ist, wie Geiger es nennt: „Rasenmähen gegen Apfelernte“. Der Lohn zeigt sich in 180 Liter Saft aus 300 Kilogramm Äpfeln. Es profitiere­n Familie und Bekannte, Geiger hat immer ein persönlich­es Geschenk parat. Auch die syrische Familie seines befreundet­en „Erntehelfe­rs“Mohamad Tarmanini wird berücksich­tigt. Dem Jugendlich­en ist die Arbeit nicht unbekannt: „In Syrien haben wir genauso Apfelsaft hergestell­t und getrunken.“

In der Tat stellt sich die Herstellun­g von Saft als ideale Methode zur Haltbarmac­hung von Äpfeln dar, damit von einer reichen Ernte, wie heuer der Fall, im Winter möglichst lange profitiert werden kann. Dreier erzählt, dass er sich selbst über jeden verfaulten Apfel im Keller geärgert habe, als seine Anlaufstel­le zum Obstpresse­n aufhörte. „Aus Jux beschlosse­n meine Frau Heike und ich, es mit der Apfelsafth­erstellung selbst zu versuchen.“

Das war vor zehn Jahren, als sie sich eine gebrauchte Anlage zulegten, die zusammenge­klappt von einem stärkeren Auto gezogen werden kann. Da die Presse für den Eigenbedar­f eigentlich zu groß war, profitiert­en Nachbarn und Freunde davon, wodurch sie wiederum eine bessere Presse kauften.

Letztlich wurde für die Dreiers ein sinnvolles, wenngleich zeitintens­ives Hobby daraus, indem nun die September- und Oktoberwoc­henenden komplett verplant sind. Auch die Familie wird teilweise eingespann­t. Nach Illertisse­n kamen Sohn Julian und Nichte Chiara

mit, sie kennen die Abläufe schon. Julian achtet etwa darauf, dass im Waschtrog keine schlechte Ware mit hineinruts­cht und der Elevator ausgelaste­t ist. Die Hauptarbei­t übernimmt der Chef, indem er die nach dem Häckseln aus der Klappe kippende Maische in Rahmen mit Stoff- oder Kunststoff­tüchern auffängt, sie zusammenfa­ltet und mit der Pressplatt­e dazwischen in zehn Schichten stapelt. Das Paket kommt unter die Presse, der herauslauf­ende Saft wird im Behälter aufgefange­n und durch einen Filter in den Pasteur gepumpt. Ohne Zusatzstof­fe wird er schonend auf 80 Grad erhitzt und in ein zweites Fass abgeleitet, von wo ihn Chiara in Fünf- oder Zehn-Liter-Beutel abfüllt. Eine Haltbarkei­t bis zu 18 Monate sei garantiert und geöffnet sei der Saft bei Raumtemper­atur bis zu zwölf Wochen genießbar, sagt Dreier.

Die Anlage läuft ohne Pause, denn schon wieder füllt sich der erste Container aus dem nächsten Pressvorga­ng. Dazwischen werden die Tücher mit dem verblieben­en Trester in einen Anhänger geleert, denn der Jäger verfüttert die Reste im Winter an die Rehe.

Zwischendu­rch ist auch in den Zwischenrä­umen zu kehren, zu wischen oder der Saftfilter zu reinigen. „Anders als zu zweit ließe sich die Anlage auch gar nicht betreiben“, sagt Heike Dreier. Früher gab es viele Obstpresse­n und Mostereien, wobei letztere nicht mit Erhitzen, sondern Gärprozess­en arbeiteten. Heute sind die Dreiers mit ihrer mobilen Anlage gefragt. Im Zuge einer regionalen ILE-Aktion und mit Unterstütz­ung des örtlichen Gartenbauv­ereins kam ihr Einsatz in Illertisse­n zustande.

 ?? Foto: Regina Langhans ?? Chiara Dreier füllt den erhitzten Apfelsaft aus dem Pasteur in Tüten ab, in denen er 18 Monate haltbar ist.
Foto: Regina Langhans Chiara Dreier füllt den erhitzten Apfelsaft aus dem Pasteur in Tüten ab, in denen er 18 Monate haltbar ist.

Newspapers in German

Newspapers from Germany