Auf schnellstem Weg nach oben
In Neu-Ulm wird die deutsche Meisterschaft im Sportklettern ausgetragen. Es geht um Geschwindigkeit, Griffkraft, Risikobereitschaft und einen klaren Kopf.
Neu-Ulm Das gibt es auch in der Kletterhalle des DAV Neu-Ulm nicht alle Tage: Die deutsche Meisterschaft in den Disziplinen Speed und Lead wurde auf Weltklasseniveau ausgetragen, war am ersten Tag hervorragend besucht und am zweiten mit 500 Zuschauerinnen und Zuschauern sogar ausverkauft. In der Königsdisziplin, dem Lead, gab es mit Yannick Nagel (DAV Mannheim) und Hannah Meul (DAV Rheinland-Köln) Überraschungssieger. In der Speed-Disziplin, in der auf einer weltweit standardisierten Route auf Tempo geklettert wird, verteidigte der Neu-Ulmer Linus Bader, der studienbedingt derzeit für den DAV Düsseldorf startet, seinen Vorjahrestitel. Bei den Frauen siegte Anna-Maria Apel (DAV MünchenOberland).
Am ersten Tag fielen die Entscheidungen im Speedklettern. Wahnsinn, wie flink die Besten bis zum Anschlag in 17 Metern Höhe kamen, während andere nach Fehlern entweder langsamer waren oder aufgaben. Am schnellsten war Sebastian Lucke (DAV Düsseldorf) mit 5,986 Sekunden, die er in der Qualifikation erzielte – eine absolute Topzeit. Lokalmatador Linus Bader erreichte ebenso mühelos das Achtelfinale. Von dieser Runde an kam es nicht mehr auf die Zeit an, sondern auf den Sieg im direkten Duell. Lucke kam locker weiter, Bader musste nach einem Fehler kämpfen. Er brauchte gut zehn Sekunden, schaffte aber trotzdem den Sprung ins Viertelfinale. Auch das Halbfinale überstanden beide, und so trafen Bader und Lucke im Finale aufeinander. Der Neu-Ulmer durfte sich schließlich erneut als Titelträger feiern lassen. „Als deutscher Meister des Vorjahres wollte ich nicht Zweiter werden. Mein Ziel war zu gewinnen. Die Konkurrenz war stark, aber das gehört im Sport dazu“, meinte er freudestrahlend.
Bei den Frauen war die Düsseldorferin Franziska Ritter als dreifache deutsche Meisterin und Titelverteidigerin die eigentliche Favoritin. Mit 7,681 Sekunden legte sie auch in der Qualifikation die beste Zeit hin, die im weiteren Verlauf der Meisterschaft nicht mehr unterboten wurde. Doch es kristallisierte sich gleich heraus, dass sie in Anna-Maria Apel eine starke Herausforderin hatte. Dann Ritters Malheur im Halbfinale: Sie lag vorne, erwischte aber den Anschlag nicht und musste sich geschlagen geben. Apel gewann das Finale gegen Sofia Tulchynska (Dortmund), Ritter wurde nur Fünfte. Apel gelang sogar das Double, denn sie siegte auch in der Konkurrenz der weiblichen Jugend A im deutschen Jugendcup. Bei der männlichen Jugend A setzte sich Vincent Stummreiter (DAV Landshut) durch, bei der männlichen Jugend B Aodhán Umlauf (DAV Markt Schwaben).
Noch spektakulärer waren die Lead-Titelkämpfe, die ohne Lokalmatadore über die Bühne gingen. Die Routen für Männer und Frauen waren zunächst unterschiedlich, liefen aber weit oben zusammen. Alle hatten sechs Minuten Zeit, die jeweilige Route zu studieren. Dann ging es darum, auf der ebenfalls 17 Meter hohen, überhängenden Wand möglichst weit zu kommen. Die Zeit spielt nur dann eine Rolle, wenn mehrere Teilnehmer oder Teilnehmerinnen die gleiche Höhe erreicht hatten. Gleich mehrere Deutsche haben hier absolutes Weltklasseniveau, allen voran Yannick Flohé (DAV Aachen), der es als Einziger bis nach ganz oben geschafft hatte. Auch dem Laien war sofort klar, was hier alles gefordert war: Kraft, Geschicklichkeit, Gelenkigkeit, Körperbeherrschung, Geschmeidigkeit und die Fähigkeit, gute Lösungen auf der Route nach oben zu finden. Letztlich gelang das dem erst 17-jährigen Yannick Nagel (DAV Mannheim) am besten. Er siegte vor Linus Raatz (DAV AlpinClub Berlin) und Olympiateilnehmer Jan Hojer (DAV Frankfurt/Main). Bei den Frauen holte Hannah Meul (DAV Rheinland-Köln) den Titel vor Martina Demmel (DAV AllgäuKempten) und Lucia Dörffel (Chemnitz).
„Wir sind sehr zufrieden“, sagte Moritz Kaltenbacher, Geschäftsführer des DAV Neu-Ulm. Weiter meinte er: „Wir hatten ein sehr gutes Starterfeld, die Halle war mit Zuschauerinnen und Zuschauern maximal ausgelastet. Und Lokalmatador Linus Bader hat wieder den Titel geholt. Das war super.“Thomas Bucher, Pressesprecher des Deutschen Alpenvereins, hatte auch nur Lob übrig: „Unsere Erwartungen wurden vollständig erfüllt. Die Speedwand ist mit den zwei parallel zueinander laufenden Routen für Wettbewerbe auf internationalem Niveau absolut tauglich. Im Lead sind die Deutschen Weltklasse, die können sich 40 bis 50 Griffe merken, da hilft die Erfahrung.“