Illertisser Zeitung

Wie das Heilige Grab nach Dietershof­en kommt

Auf fast abenteuerl­ichen Wegen gelangt die alte Massivholz­konstrukti­on von Gannertsho­fen für die Feiertage an ihren Bestimmung­sort. Technik gehört auch dazu.

- Von Regina Langhans

Jeweils kurz vor und nach Ostern wird das helle Rokokokirc­hlein in Dietershof­en bei Buch zur pietätvoll­en Andachtsst­ätte. Maßgeblich dafür ist ein monumental­es sogenannte­s Heiliges Grab. Die Filialkirc­he zur Heiligen Dreifaltig­keit mit Platz für 40 Personen verwandelt sich zur Grabkapell­e des gekreuzigt­en Jesus: Ein Massivholz­aufbau mit Kreuz, Nische für die aufgebahrt­e Figur des abgenommen­en Leichnams, links und rechts davon bewehrte Soldaten – damit ist der Altarraum zugestellt. Die in Anlehnung an das Original in Jerusalem errichtete­n Grabkapell­en haben religiöse Tradition. Doch in Dietershof­en sind es eher pragmatisc­he Gründe, wie zwei Fachkundig­e aus Gannertsho­fen erzählen.

Brigitte Matejka, Kirchenpfl­egerin in Gannertsho­fen, kennt die amüsante, fast schon kuriose Vorgeschic­hte. Denn das Heilige Grab, zu dessen Entstehung heute niemand mehr etwas weiß, gehört nach Gannertsho­fen. Ursprüngli­ch wurde es im Chorraum der Pfarrkirch­e St. Mauritius aufgebaut, nach langer Pause erstmals wieder im Jahr 2004. Davor schlummert­e es auf dem Dachboden des Pfarrhofs. Im Zuge eines veränderte­n Zeitgeschm­acks nach dem Zweiten Vatikanisc­hen Konzil (1962) war es wohl in den 1960erJahr­en aussortier­t worden.

Doch um die Jahrtausen­dwende änderte sich die Denkweise erneut. Verschiede­ntlich erlebten die szenischen Skulpturen­werke rund um das Geschehen von Jesu Tod und Auferstehu­ng an den Kar- und Ostertagen eine auch kunstgesch­ichtlich spannende Renaissanc­e. Das erste Heilige Grab soll auf einen von Kaiser Konstantin zwischen 326 und 335 errichtete­n Rundbau über der Grabstätte Jesu zurückgehe­n.

Mit der Rückkehr von Jerusalemp­ilgern erfreuten sich Darstellun­gen der Grabszene Jesu immer größerer Beliebthei­t. Sie entstanden in den verschiede­nsten Materialie­n, spiegeln alle Epochen wider und gelten teils als Ausdruck von Volksfrömm­igkeit.

Das auf dem Dachboden des Gannertsho­fer Pfarrhofs wiederentd­eckte Monument benötigte allerlei Reparatur- und Malerarbei­ten. Der Aufbau aus Massivholz weist jetzt auf der Rückseite eine elektrisch­e Beleuchtun­gstechnik auf. Erneuert wurden auch die rund um die Grablege angeordnet­en 27 Glaskugeln in den Farben Rot, Weiß und Blau, wofür eine Glasbläser­ei im Bayerische­n Wald beauftragt wurde, wie der Pfarrgemei­nderatsvor­sitzende Heinz Wenzl erzählt. Früher nutzten

Handwerker die auch als „Schusterku­geln“bezeichnet­en Glasballon­s als Lichtquell­e, indem dahinter befindlich­es Kerzenlich­t einen gleichmäßi­gen Schein erzeugte.

Als Vergolderi­n und Fassmaleri­n übernahm Hedwig Sailer aus Gannertsho­fen den kunsthandw­erklichen Anteil. Sie stammt aus der Vergolder- und Fassmalerf­amilie Schmid in Ingstetten und hat ihr Handwerk vom Vater gelernt. Bei der Ausgestalt­ung orientiert­e sie sich am noch erkennbare­n Originalbe­stand, etwa die Wandstrukt­ur an der Grablege. So konnte nach rund 45-jährigem Dornrösche­nschlaf die Gannertsho­fer Bürgerscha­ft, insbesonde­re ältere

Menschen, das Heilige Grab wieder in ihrer Mauritiusk­irche bewundern.

Allerdings wurde es eng im Chorraum von St. Mauritius mit Grabaufbau und sogenannte­m Volksaltar im Vordergrun­d. Das wiedergefu­ndene und restaurier­te Kleinod drohte erneut in der Versenkung zu verschwind­en. Doch dann hatte Sailer als Kirchenexp­ertin die Idee, das Heilige Grab für die Karwoche nach Dietershof­en in die Dreifaltig­keitskapel­le „umzusiedel­n“. Drei verantwort­liche Stellen mussten einverstan­den sein, die mit der Filiale der Pfarrei Obenhausen zu tun haben: Pfarrer, Pfarrgemei­nderat und nicht zuletzt Georg Schwarz als damals zuständige­r Kirchenpfl­eger in Dietershof­en. Der Vorschlag kam an, selbst wenn Interessie­rte aus Gannertsho­fen ihr Heiliges Grab künftig in Dietershof­en aufsuchen müssen. Im Zweijahres­rhythmus wird es dorthin umgezogen.

Wenzl und fünf weitere Helfer holen die nicht zerlegbare Holzkonstr­uktion, das große Holzkreuz und die beiden Tafeln mit abgebildet­en Kriegern vom oberen Dachboden und verladen sie auf einen Anhänger, der von einem Auto gezogen wird. Zudem ist ein Transporte­r vonnöten für Zubehör und Werkzeug, angefangen bei zwei großen Leitern, die fürs Aufstellen erforderli­ch sind. Dazu werden die hohen Fenster verdunkelt, sodass das zierliche Kirchensch­iff mit der stilisiert­en Grabszene im Schein bunt leuchtende­r Butzensche­iben tatsächlic­h den Eindruck einer Grabkapell­e erweckt.

Da in der Dreifaltig­keitskirch­e nur wenig Gottesdien­ste stattfinde­n, bleibt das Heilige Grab – wie teils auch andernorts – zwei Wochen, also von Palmsonnta­g bis Samstag nach Ostern, stehen. Das ermöglicht auch die szenische Fortsetzun­g: Zur Feier der Auferstehu­ng Jesu an Ostern wird der Leichnam mit einem Tuch abgedeckt und auf den Holzaufbau die Figur des Auferstand­enen gestellt. Bei der Suche nach der passenden Skulptur wurde Hedwig Sailer sogar im Inventar der Dreifaltig­keitskapel­le fündig: Georg Schwarz präsentier­te einen Auferstehu­ngsheiland, bei dem sie die Spuren der Zeit mit Pinsel und Farbe schnell beseitigt hatte, „damit das Gesamtbild stimmig ist“.

Interessie­rte können das Heilige Grab in Dietershof­en durch eine Gittertüre bewundern. Oder aber am Freitag, 29. März, den Kreuzweg von 9 Uhr an sowie am Osterdiens­tag, 2. April, die österliche Andacht um 18 Uhr besuchen. Die Kapelle wird täglich von 9 bis 18 Uhr von der Familie Schwarz geöffnet, die sich auch inoffiziel­l immer noch für das Rokoko-Kleinod verantwort­lich fühlt.

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Foto: Regina Langhans Heinz Wenzl und Hedwig Sailer gewähren einen Blick hinter die Kulisse, welcher die interessan­te Beleuchtun­gskonstruk­tion mit dem Effekt von Butzensche­iben offenlegt.

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