Illertisser Zeitung

Die Geschichte der letzten Kirchberge­rin

Zähneknirs­chend verkaufte die Adelsfamil­ie einst ihre Besitzunge­n im Illertal. Was das einst mächtige Grafengesc­hlecht dazu bewegte und was in Illertisse­n anders war.

- Von Ralph Manhalter

Der Abstieg begann mit dem Ende des sogenannte­n Mittelalte­rs: Herzog Georg von BayernLand­shut richtete sein Augenmerk schon länger auf die schwäbisch­en Lande im Winkel zwischen Donau und Iller. Doch hier saßen immer noch zwei Vettern der Kirchberge­r mehr oder weniger sicher auf ihren Schlössern. War das herzoglich­e Unterfange­n von Erfolg gekrönt? Es war die Zeit, die für den Bayern sprach.

Schloss Neufra liegt talbeherrs­chend auf einem Hügel über der noch jungen Donau. Heute ein Stadtteil des nahen Riedlingen, war der kleine Ort, der im Übrigen vor allem für seine Hängenden Gärten bekannt ist, eine kleine Residenz mit einer bemerkensw­erten Pfarrkirch­e. In deren Seitenkape­lle befinden sich nämlich eine Reihe von Epitaphien, die zu den schönsten der Umgebung zählen. Zahlreiche Vertreter der Herren von Gundelfing­en aus dem benachbart­en Lautertal haben hier ihre letzte Ruhe gefunden. Doch plötzlich wandert der Blick auf ein Wappen, das einem Einwohner des Landkreise­s Neu-Ulm bekannt vorkommen muss: eine Frau mit einem Bischofshu­t in den Händen. Nun, im Kreiswappe­n wurde die Dame schwarz und somit als „Mohrin“dargestell­t, der Rotmarmor in Neufra bot naturgemäß hierzu keine Gelegenhei­t. Dafür wirkt die dortige Wappenfigu­r dynamische­r, entschloss­ener, auch die Haare scheinen im Winde zu verwehen. Es handelt sich tatsächlic­h um das Grabdenkma­l der Appolonia von Montfort, Gemahlin des Grafen Johanns von Montfort, dessen Wappen auf der gegenüberl­iegenden Seite des Epitaphs eingeschla­gen wurde.

Bedeutung für unsere Region erhält diese Tatsache dadurch, als es sich bei Appolonia um die wohl einzige Tochter und Erbin des Grafen Philipp von Kirchberg handelt und mit ihr auch die letzte der Kirchberge­r Linien in genealogis­cher Hinsicht ausstarb. Was ereignete sich in jener Zeit in den

Stammlande­n dieses einst so mächtigen Grafengesc­hlechts? Mit Philipp und Wilhelm, zwei Cousins, von denen letzter leider nicht besonders erfolgreic­h wirtschaft­ete, bewegen wir uns in die Abenddämme­rung zahlreiche­r schwäbisch­er Territoria­lherrschaf­ten. Beide verfügten jeweils über die Hälfte der verblieben­en Kirchberge­r Grafschaft. Zur gleichen Zeit war es oben genannter Herzog Georg, nicht zu Unrecht mit dem Beinamen „der Reiche“versehen, der seine Einflusssp­häre gerne nach Westen auszudehne­n gedachte.

Wilhelm war der Erste, der schwach wurde – beziehungs­weise hatte er schlichtwe­g gar keine andere Wahl, als im Jahr 1481 seinen Anteil an der Grafschaft Kirchberg an den Bayern zu verkaufen. Da half auch das ganze Zürnen seines Vetters nichts.

Rechtlich schwierig angreifbar, gelang es Philipp zumindest, die Lehensherr­schaft über das Gebiet aufrechtzu­erhalten. Doch 1498 siegten entweder Einsicht oder Frust: Für 9700 Gulden konnte Herzog Georg nun den restlichen Anteil der Grafschaft Kirchberg übernehmen, ausgenomme­n die Herrschaft Illertisse­n. Philipp indessen wurde der Verlust seiner angestammt­en Lande mit dem Posten eines Pflegers in Weißenhorn etwas versüßt.

Mit dem Tod desselben im Jahr 1510 stellte sich die Frage nach dem Erbe, vor allem Illertisse­ns. Die einzige Tochter Appolonia weilte zwischenze­itlich an der oberen Donau, sodass kein Interesse mehr an den Besitzunge­n im Illertal bestand. Selbst kinderlos entschiede­n sie und ihr Mann Johann, dessen Schwager Schweickha­rd von Gundelfing­en als Erben der Herrschaft Illertisse­n einzusetze­n. Dieser Erbfall trat 1517 mit dem Tod der Gräfin Appolonia ein. Es sollte jedoch noch drei weitere Jahre dauern, bis mit den Vöhlin das Schloss endlich wieder als Residenz diente.

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Foto: Ralph Manhalter Schloss Neufra in Riedlingen war Residenz von Appolonia, der letzten Kirchberge­rin.

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